Mit eng gesteckten Ausnahmen EuGH bestätigt Verbot von Vorratsdatenspeicherung
05.04.2022, 17:02 Uhr
Nationale Behörden können beispielsweise Verkehrs- oder Standortdaten auf Grundlage von Kriterien wie der durchschnittlichen Kriminalitätsrate in dem Gebiet speichern.
(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)
Das allgemeine Speichern von Kommunikationsdaten verstößt auch dann gegen EU-Recht, wenn es um die Bekämpfung schwerer Straftaten geht. Ein irisches Gericht bittet den EuGH im Zuge eines Mordprozesses um eine neue Auslegung. Das EU-Recht bleibt - in gezielten Fällen kann es aber Ausnahmen geben.
Eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung ist auch zur Bekämpfung schwerer Straftaten nicht rechtens. Selbst besonders schwere Kriminalität könne nicht einer Bedrohung der nationalen Sicherheit gleichgestellt werden, erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg und bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung. Nur eine Bedrohung der nationalen Sicherheit könne allgemeine Vorratsdatenspeicherung für einen begrenzten Zeitraum rechtfertigen.
Es ging konkret um einen in Irland wegen Mordes verurteilten Mann. Er findet, dass seine Kommunikationsdaten im Prozess nicht als Beweise hätten verwendet werden dürfen, und zog darum vor ein irisches Gericht. Dieses bat den EuGH um Auslegung des EU-Rechts.
Der Gerichtshof bestätigte nun weiter, dass eine gezielte Vorratsdatenspeicherung in einigen Fällen möglich sei. So könnten nationale Behörden beispielsweise Verkehrs- oder Standortdaten speichern auf Grundlage von geografischen Kriterien wie der durchschnittlichen Kriminalitätsrate in einem bestimmten Gebiet. Auch an Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen oder an strategischen Orten sei dies zur Bekämpfung schwerer Kriminalität möglich.
"Quick-Freeze" für Deutschland
Aber auch in Deutschland sorgt die Vorratsdatenspeicherung seit Jahren für Streit zwischen Bürgerrechtlern und Sicherheitspolitikern. Eine deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung liegt wegen eines anhaltenden Rechtsstreits seit 2017 auf Eis. Einen Termin für das EuGH-Urteil in diesem Fall gibt es einem EuGH-Sprecher zufolge noch nicht.
Die Ampel-Koalition will anstelle der Vorratsdatenspeicherung auf das sogenannte "Quick-Freeze"-Verfahren setzen. Denn das EU-Recht hindert nationale Behörden nicht daran, schon im ersten Stadium der Ermittlungen eine umgehende Sicherung von Daten anzuordnen. Diesen Quick-Freeze-Ansatz befürwortete der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle in einer Reaktion auf das EuGH-Urteil für Deutschland.
Die Bundestagsmehrheit solle "die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig aus dem Gesetz streichen und durch einen Quick-Freeze-Ansatz ersetzen", sagte Kuhle der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf. Damit würden die Grundrechte geschützt, und die Ermittlungsbehörden erhielten ein Instrument zur Verbrechensbekämpfung, das nicht wieder vor Gerichten scheitere.
Zum konkreten Fall bemerkte der EuGH, dass der Mitgliedsstaat selbst darüber entscheiden müsse, ob die mittels Vorratsdatenspeicherung erlangten Daten als Beweise nutzbar seien. Über die Klage des Straftäters muss nun das irische Gericht entscheiden. Es ist dabei an die Rechtsauslegung des EuGH gebunden.
Quelle: ntv.de, smu/AFP/dpa