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Mehr Geld aus Klimafonds ziehen Grüne wollen bis zu 80 Prozent Heizungs-Förderung

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Die Grünen stehen wegen des Gebäudeenergiegesetzes und der Affäre um Staatssekretär Graichen in der Kritik. Zumindest bei der Wärmewende wagt die Fraktion einen Befreiungsschlag: Sie will den großen Heizungstausch bei kleinen Einkommen deutlich stärker fördern, als es die Ampel bislang vereinbart hat.

Die SPD warnt vor "Klimaschutz mit der Brechstange", die FDP vor einer "Überforderung" der Menschen. Die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zum Ende fossiler Heizungen, das maßgeblich aus dem Haus von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stammt, genießt nicht einmal bei den Ampel-Koalitionspartnern der Grünen vollen Rückhalt. Geschweige denn in der Bevölkerung: In einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv lehnten Mitte April 78 Prozent der Befragten das weitgehende Verbot für den Neueinbau von Öl- und Gasheizungen ab kommendem Jahr ab. Das GEG soll nach der Verabschiedung durch das Bundeskabinett im Bundestag festgezurrt und bis zum Sommer verabschiedet werden. Die Grünen-Fraktion unternimmt nun einen Vorstoß, die Fördersummen für Haushalte mit kleinen Einkommen massiv auszuweiten. Das geht aus einem Papier hervor, das ntv vorliegt.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Basisförderung von 30 Prozent für jeden und jede Technologieform, die die Vorgabe von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien beim Heizen erfüllt, soll bleiben. Auch die Klimaboni für Menschen, die Sozialhilfe empfangen, für Eigentümer, die vorzeitig die Vorgaben übererfüllen sowie für Betroffene einer Heizungshavarie sollen demnach bleiben. Klimaboni erhöhen die Grundförderung auf 40 oder gar 50 Prozent der Heizungstauschkosten. Die Grünen-Fraktion schlägt nun eine zusätzliche sozial gestaffelte Förderung vor, die bis zu 80 Prozent der Umbaukosten abdeckt.

Zusätzliches Geld bis 60.000 Euro Bruttoeinkommen

"Sozial und bezahlbar soll Wärme sein - und deshalb diese soziale Förderung als Vorschlag von uns", sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann im "ntv Frühstart". Damit die Wärmewende gelinge, sei es wichtig, dass sie große Akzeptanz finde. "Da ist für mich die soziale Frage entscheidend."

Den Höchstsatz von 80 Prozent sollen Menschen mit kleinem Einkommen erhalten: bis zu 20.000 Euro Brutto pro Jahr und Haushalt. Das würde auch zahlreiche Rentner umfassen. Wer gemeinsam nicht mehr als 60.000 Euro zu versteuerndes Haushaltseinkommen meldet, soll auf mindestens 40 Prozent Förderung kommen - plus Klimaboni, etwa im Havariefall. Auch die noch nicht festgelegten Förderkredite wollen die Grünen bei Zinskonditionen und Tilgungssätzen am Haushaltseinkommen ausrichten.

Finanzierung aus Transformationsfonds

Die Antragstellung soll sich am Modell des früheren Baukindergeldes orientieren: Antragsteller sollen ihr Durchschnittseinkommen der vorangegangenen zwei Jahre angeben. Das sei ein "erprobtes und unkompliziertes Verfahren", heißt es im Grünen-Konzept. Nicht beziffert werden die deutlich steigenden Kosten für den Bundeshaushalt. Habeck wollte die Fördergelder bislang aus dem Klimatransformationsfonds bestreiten. Der würde für derart erweiterte Fördersätze wohl nicht ausreichen. Die Grünen-Fraktion hält dennoch an dieser Finanzierungsquelle fest, wie ntv von Fraktionschefin Katharina Dröge erfuhr.

"Unser Vorschlag wäre, das Geld aus dem Energie- und Klimafonds jetzt auch zu verwenden, um insbesondere Menschen mit unterem, aber auch mittlerem Einkommen noch besser zu unterstützen dabei, wenn sie sich für eine klimafreundliche Heizung entscheiden", sagte Dröge am Rande einer Wärmewende-Konferenz der parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. "Aus meiner Sicht gibt es wenig Maßnahmen die zu mehr Klimaschutz führen als jetzt gerade den Umstieg auf klimafreundliches Heizen zu fördern."

Dröge räumte ein, dass der Fonds, der inzwischen Klima- und Transformationsfonds (KTF) heißt, damit wohl überzeichnet wäre. "Es gibt da sehr, sehr viele Projekte, die wir daraus gerne finanzieren würden. Und deswegen müssen wir jetzt priorisieren." Dröge sei überzeugt davon, das KTF-Geld wäre "sehr gut investiert" in die Förderungen. "Und deswegen wäre das eine Prioritätenentscheidung an der Stelle." Was dafür hinten runterfallen oder anderweitig finanziert werden müsste, sagte Dröge indes nicht. "Ich habe jetzt keinen kompletten Überblick über alle Maßnahmen, aber aus meiner Sicht ist das jetzt eine der dringendsten Maßnahmen, die wir daraus finanzieren sollten."

Einem Konflikt mit der FDP ausweichen

Die FDP und ihr Vorsitzender, Bundesfinanzminister Christian Lindner, sperren sich gegen Mehrausgaben, weshalb die Grünen wohl auf den KTF schielen. Dieses Sondervermögen des Bundes wird unter anderem durch Einnahmen aus dem CO2-Preis und dem Verkauf von Emissionszertifikaten gefüllt. Auch nicht abgerufene Corona-Hilfen sind hierein geflossen. Im Zeitraum 2023 bis 2026 sollen aus dem insgesamt rund 177,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Er dient auch zum Anschub der Wasserstoffindustrie, der Ladeinfrastruktur für Elektro-Pkw und zur Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen.

Neben den Grünen fordert auch die SPD eine stärkere soziale Staffelung der Heizungsförderungen, darunter Fraktionschef Rolf Mützenich. Einig sind sich die Sozialdemokraten indes noch nicht. Bundesbauministerin Klara Geywitz warnte vor einem zu hohen Prüfungsaufwand: "Wir dürfen es nicht so kompliziert machen, dass jemand im Havariefall über Monate nicht weiß, wieviel Geld er vom Staat bekommt", sagte Geywitz in Weimar. Eine umfängliche Prüfung der Eigentums- und Vermögensverhältnisse könne dauern. Auch die FDP mahnte ein unkompliziertes Verfahren an.

Auch die Mieter will die Grünen-Fraktion stärker vor Modernisierungsumlagen schützen: Die Umlage solle nach einem erfolgten Umbau begrenzt werden auf vier Prozent im Jahr und nicht mehr als 1,50 Euro pro Quadratmeter und Monat in acht Jahren, heißt es in dem Fraktionskonzept. Eine stärkere Entlastung von Vermietern, Kommunen und gemeinnützigen Eigentümern sieht das Papier dagegen explizit nicht vor. Auch hier könnte es Ärger mit der FDP geben, die vor einer Überforderung von Vermietern warnt. Sollten diese ebenfalls stärker entlastet werden, wird das Vorhaben noch teurer.

Quelle: ntv.de

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