Politik

Streit um Flüchtlingsquoten Innenminister: EU-Reisefreiheit bedroht

Das Dublin-Abkommen kollidiert derzeit mit dem Schengen-Abkommen.

Das Dublin-Abkommen kollidiert derzeit mit dem Schengen-Abkommen.

(Foto: REUTERS)

Der Streit um die Verteilung von Flüchtlingen in Europa droht zu eskalieren: Die Regelung, dass Flüchtlinge in ihrem Ankunftsland einen Asylantrag stellen müssen kollidiert mit der Reisefreiheit. Die Innenminister warnen vor dem Ende eines grenzenlosen Europas.

Im Streit der EU-Staaten um die Verteilung von Flüchtlingen steht aus Sicht Deutschlands und Frankreichs inzwischen die Freizügigkeit in Europa auf dem Spiel. Bundesinnenminister Thomas de Maizière warnte beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in Luxemburg vor der Wiedereinführung "systematischer Grenzkontrollen". Ähnlich äußerte sich sein französischer Kollege Bernard Cazeneuve. Italien als Hauptankunftsland für Flüchtlinge forderte von den EU-Partnern Solidarität.

In Luxemburg wurde über den Vorschlag der EU-Kommission beraten, 40.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland über Quoten auf andere EU-Staaten zu verteilen. Das Vorhaben stößt insbesondere bei Großbritannien und einer Reihe von Ländern aus Osteuropa auf Widerstand. Gleichzeitig geht die EU-Kommission derzeit Berichten nach, wonach Frankreich, Österreich und die Schweiz wieder Grenzkontrollen eingerichtet haben sollen, um aus Italien kommenden Flüchtlingen die Einreise zu verweigern.

Er wolle keine Änderungen am Schengenabkommen zur Freizügigkeit in Europa und "keine systematischen Grenzkontrollen wieder einführen", sagte de Maizière. Wenn aber Länder ihre Verpflichtungen aus dem europäischen Asylrecht nicht erfüllten, könne dies zum "Ende von freiem Verkehr in Europa" führen. "Jeder muss sich der Gefahr bewusst sein." Das sah auch der französische Innenminister Cazeneuve so: Wenn Verantwortung nicht wahrgenommen werde, "bringen wir Schengen in Gefahr", sagte er.

"Ein Schlag ins Gesicht Europas"

Nach den Regeln des Schengenraums darf es keine systematischen Grenzkontrollen geben. Die EU-Asylregeln (Dublin-Abkommen) sehen gleichzeitig vor, dass Flüchtlinge dort ihren Asylantrag stellen müssen, wo sie zuerst europäischen Boden betreten. Italien wird immer wieder vorgeworfen, die ankommenden Bootsflüchtlinge nicht zu registrieren und so ihre Weiterreise in andere europäische Länder zu ermöglichen. Deutschland und Frankreich sind dabei unter den Hauptzielländern. Berlin und Paris unterstützen deshalb grundsätzlich die Kommissionspläne zur Verteilung auf alle EU-Länder, wollen aber noch Änderungen am Verteilungsschlüssel.

Auch der italienische Innenminister Angelino Alfano sagte, dass "die Freizügigkeit der Bürger" in Europa auf dem Spiel stehe. "Wir müssen den Bankrott Europas verhindern." Italien hatte Frankreich zuletzt scharf kritisiert, nachdem etwa 200 Flüchtlinge von Italien aus nicht über die Grenze nach Frankreich reisen durften. Der Vorfall am Grenzübergang Ventimiglia sei "ein Schlag ins Gesicht Europas", sagte Alfano.

60 Prozent Wirtschaftsflüchtlinge

Eine Verteilung auf andere EU-Länder könne sich nur auf diejenigen beziehen, "die eine Bleibeperspektive haben", sagte de Maizière mit Blick auf politische oder Kriegsflüchtlinge, die Asyl oder einen Aufenthaltsstatus bekommen können. Wirtschaftsflüchtlinge müssten in Italien und Griechenland bleiben. Cazeneuve unterstützte diese Haltung. Er fügte an, Wirtschaftsflüchtlinge müssten in ihre Heimat abgeschoben zu werden. Wirtschaftsflüchtlinge machen schätzungsweise rund 60 Prozent der in Südeuropa ankommenden Flüchtlinge aus.

Europa dürfe angesichts der Flüchtlingskrise nicht länger "den Kopf in den Sand stecken", sagte Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. In Österreich habe sich die Zahl der Asylbewerber seit dem vergangenen Jahr auf 6000 pro Monat verdreifacht. Mikl-Leitner bestritt zugleich, dass Wien nun Grenzkontrollen eingeführt habe. Es gebe lediglich "Grenzraumkontrollen", die primär auf Schlepperbanden zielten.

Die britische Innenministerin Theresa May forderte vor allem härtere Maßnahmen gegen Schlepper, die Flüchtlingen die illegale Einreise ermöglichen: "Um langfristig mit diesem Thema umzugehen, müssen wir den kriminellen Banden nachstellen, die aus diesem schrecklichen, herzlosen Handel mit menschlichen Leben ein Gewerbe machen."

Quelle: ntv.de, bdk/AFP/dpa

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