Misshandlungen in Flüchtlingsheim Jäger entschuldigt sich für Übergriffe
30.09.2014, 14:01 Uhr
Die Misshandlung von Flüchtlingen in Burbach sei menschenverachtend, sagt Nordrhein-Westfalens Innenminister Jäger. Er verspricht, auch ähnliche Fälle zu untersuchen. Vom privaten Betrieb von Asylheimen will das Land nicht abrücken.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger hat sich bei den Asylbewerbern entschuldigt, die Opfer der Übergriffe von Sicherheitsleuten wurden. Was geschehen sei, sei menschenverachtend, sagte Jäger in Düsseldorf. "Es macht uns alle wütend und beschämt uns", betonte der SPD-Politiker.
Jäger sicherte zu, dass jedem Hinweis auf solche Vorfälle nachgegangen werde: "Hier wird nichts unter den Teppich gekehrt." Auch die Möglichkeit eines fremdenfeindlichen Hintergrunds werde geprüft. Ein zu den Verdächtigen gehörender Mann hatte in einem Zeitungsinterview von einem "deutlich erkennbaren rechten Hintergrund" bei einigen seiner ehemaligen Kollegen gesprochen. Jäger sagte, eine Zusammenarbeit werde es künftig nur noch mit Sicherheitsfirmen geben, deren Mitarbeiter sich freiwillig von Polizei und Verfassungsschutz überprüfen lassen.
Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Siegen sagte, wurden bislang rund 200 Menschen im Zusammenhang mit den Berichten über die Zustände in Burbach vernommen. Die Ermittler prüften auch Berichte, wonach das Ausmaß der Misshandlungen deutlich größer sein könnte als bislang angenommen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wird gegen fünf Verdächtige ermittelt.
Bereits zuvor hatte Jäger Vorwürfe zurückgewiesen, die Landesregierung trage wegen mangelnder Aufsicht Mitschuld an der Misshandlung von Flüchtlingen. Offensichtlich hätten sich Kriminelle unter das Personal eines privaten Sicherheitsdienstes gemischt, sagte er im ZDF. Dies sei "tief verwerflich, aber manchmal nicht verhinderbar, trotz aller Kontrollen, trotz aller Aufsicht".
Grüne fordern Flüchtlingsgipfel

Vorfälle im Flüchtlingsheim Burbach haben die Diskussion um die Behandlung der Asylsuchenden angestoßen.
(Foto: REUTERS)
Am privaten Betrieb von Flüchtlingsunterkünften will Nordrhein-Westfalen trotz der negativen Erfahrungen festhalten, machte Jäger deutlich. "Wir müssen auf das Know-how der karitativen Organisationen, aber auch von Unternehmen zurückgreifen", sagte er. In Nordrhein-Westfalen gibt es nach seinen Worten insgesamt 19 Einrichtungen für Flüchtlinge.
Insgesamt soll es in mindestens drei Unterkünften in Nordrhein-Westfalen Misshandlungen gegeben haben. In Burbach im Siegerland sollen private Wachmänner einen Flüchtling gezwungen haben, sich auf eine mit Erbrochenem verschmutzte Matratze zu legen. Ein von den Männern aufgenommenes Video war in die Hände der Ermittler gelangt. Außerdem hatte die Polizei ein Foto gefunden, auf dem ein Sicherheitsmann einem gefesselt am Boden liegenden Flüchtling einen Fuß in den Nacken stellt. Hinzu kommen Verdachtsfälle in Essen und Bad Berleburg.
Der "Siegerlandkurier" berichtete, dass es für Flüchtlinge, die dem Personal Schwierigkeiten bereitet hätten, in der Unterkunft in Burbach ein "Problemzimmer" gegeben habe. Die Betroffenen hätten darin teilweise bis zu acht Stunden ausharren müssen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf einen von der Staatsanwaltschaft als Verdächtigen geführten Mann. Außerdem hätten Mitarbeiter des Personals gezielt nach Verstößen gegen Rauch- und Alkoholverbote gesucht, die Streifen seien intern als "SS-Trupps" bezeichnet worden.
Auf die Forderung der Grünen nach einem Flüchtlingsgipfel reagierte Jäger zurückhaltend. "Wir brauchen Unterbringungskapazitäten. Wenn ein solcher Gipfel dazu beitragen würde bundesweit, dann kann man ihn machen", sagte der SPD-Politiker. Er habe aber den Eindruck, dass es hier eher um ein logistisches als um ein politisches Problem gehe. Die Grünen-Vorsitzende Katrin Göring-Eckardt hatte zuvor in der "Rheinischen Post" einen "Flüchtlingsgipfel" als "längst überfällig" bezeichnet.
Hohe Gesundheitskosten
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly, forderte einheitliche Mindeststandards für den Umgang mit Flüchtlingen. "Wir haben im Moment einen Fleckenteppich von 16 verschiedenen Asylausführungsgesetzen, die komplett unterschiedlich sind", kritisierte er im Deutschlandfunk. Die Menschen hätten aber alle den gleichen Flüchtlingsstatus.
Konkret gehe es etwa um Regelungen, wie viele Quadratmeter Platz, wie viele Sanitäreinrichtungen oder wie viele Sozialarbeiter pro 100 oder 150 Asylbewerber in einem Heim vorhanden sein müssten, so Maly. Gleichzeitig warnte er davor, nach den Vorfällen in Nordrhein-Westfalen alle Beschäftigten in Flüchtlingsunterkünften unter Generalverdacht zu stellen.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, brachte zur Entlastung der Kommunen einen Gesundheitsfonds ins Gespräch. Städte und Gemeinden seien durch die teilweise extrem hohen Krankenkosten der Flüchtlinge erheblich belastet. Die im Bürgerkrieg erlittenen Verletzungen und Traumatisierungen erforderten eine nachhaltige und andauernde, oft sehr kostspielige medizinische Versorgung. "Dies sollte über einen Gesundheitsfonds organisiert und abgewickelt werden", sagte Landsberg der "Rheinischen Post".
Stark steigende Asylbewerberzahlen stellen die Behörden derzeit vor massive Herausforderungen. Viele Einrichtungen sind überbelegt. In der Zeit von Januar bis August 2014 haben insgesamt 99.592 Menschen in Deutschland Asyl beantragt. Im Gesamtjahr erwartet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 200.000 Anträge.
Quelle: ntv.de, mli/rts/dpa