Politik

Das große TV-Duell Kann Merkel auch Nahkampf?

Kampf ums Kanzleramt: Amtsinhaberin Merkel trifft im TV-Duell auf Herausforderer Schulz.

Kampf ums Kanzleramt: Amtsinhaberin Merkel trifft im TV-Duell auf Herausforderer Schulz.

(Foto: dpa)

Für Martin Schulz ist das TV-Duell am Sonntag die letzte große Chance für eine Aufholjagd. Der SPD-Kandidat muss die Kanzlerin irgendwie stellen. Sein Vorteil: Angela Merkel mag das Format überhaupt nicht.

Die Anspannung ist groß. Das ist Kanzlerkandidat Martin Schulz in diesen Tagen anzumerken. Vor dem TV-Duell am Sonntag keimt in der SPD jedoch die Hoffnung, dass drei Wochen vor der Bundestagswahl vielleicht doch noch etwas gehen könnte. Kurz vorher müssen die Sozialdemokraten und ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz allerdings erneut einen Dämpfer hinnehmen. In der am Freitag veröffentlichten neuesten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen erreicht die Union 39 Prozent und die SPD nur 22 Prozent. Das macht nicht gerade Mut, zumal die übrigen Institute einen ähnlich großen Abstand prognostizieren.

Die Zahlen lassen eigentlich nur einen Schluss zu: Das Fernduell, das sich Schulz und Angela Merkel bisher geliefert haben, ging eindeutig an die Kanzlerin. Der SPD-Kandidat konnte mit seinen Angriffen keine echten Treffer landen. Dennoch bietet der einzige direkte Schlagabtausch der beiden seinen Reiz. Beherrscht Merkel auch den Nahkampf? Und wie schlägt sich der abgeschlagene Herausforderer? Die 90-minütige TV-Debatte ist drei Wochen vor der Wahl wohl die letzte große Chance für Schulz, den Abstand auf die Union zu verkürzen und seinem Wahlkampf neuen Schwung zu verleihen.

Das liegt vor allem an der großen Reichweite. Vier Sender übertragen die von Peter Kloeppel, Maybrit Illner, Sandra Maischberger und Claus Strunz moderierte Sendung am Sonntag. Für Schulz ist das Duell auch deshalb so lukrativ, weil er so viele Wähler erreichen kann wie bei keinem anderen seiner Auftritte. Laut einer Allensbach-Umfrage wissen etwa die Hälfte der 61,5 Millionen Wahlberechtigten noch nicht, welche Partei sie bei der Bundestagswahl am 24. September wählen. Laut einer Emnid-Befragung macht offenbar immerhin jeder Fünfte seine Entscheidung auch von dem Duell abhängig. Vor diesem Hintergrund ist der Druck für Schulz größer. Nach einem Sieg im Duell könnten die Werte für die SPD wieder deutlich freundlicher aussehen. Kann er nicht punkten, sieht es düster aus. Die Partei müsste dann sogar fürchten, die 23 Prozent von 2009 zu unterbieten - das schlechteste Wahlergebnis seit Gründung der Bundesrepublik.

"Nicht persönlich attackieren"

Merkel absolviert schon ihr viertes Duell, dennoch ist sie kein großer Fan des Formats. Sowohl 2005 (gegen Gerhard Schröder) als auch 2009 (gegen Steinmeier) und 2013 (gegen Peer Steinbrück) büßte die Union nach den Duellen in den Umfragen ein paar Prozentpunkte ein - trotzdem konnte Merkel alle drei Wahlen gewinnen. Im bisher letzten Duell vor vier Jahren konnte der damalige SPD-Kandidat Steinbrück ihr zwar eine Absage an eine Pkw-Maut abringen. Die schwarz-rot-goldene Halskette Merkels erhielt am Tag nach dem Duell jedoch mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit.

Dass Merkel die Auseinandersetzung mit Schulz nicht herbeisehnt, ließ sich schon während der zähen Verhandlungen beobachten. Die Sender wollten das Format verändern und mehrere Duelle - was Merkel jedoch ablehnte. Um zu verhindern, dass das Duell platzt, gaben die Sender nach. Schulz und die SPD beklagen das kompromisslose Auftreten Merkels seit Wochen. Der frühere ZDF-Chefredakteur Nikolas Brender warf ihr deshalb sogar Erpressung vor. "Das Kanzleramt verlangt ein Korsett für die Kanzlerin, in dem sie sich nicht bewegen muss. Und zugleich eines für Schulz, in dem er sich nicht bewegen darf." Merkel verteidigte sich dafür zuletzt so: Es habe sich "bewährt, sich sehr stark auf den Dialog zu konzentrieren". Es entspreche daher ihrer Vorstellung, "dass wir das im Kern so beibehalten".

Gut möglich, dass Schulz Merkel am Sonntag noch einmal direkt mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Der Kanzlerkandidat dürfte auch versuchen, die Amtsinhaberin bei Themen wie der Flüchtlingspolitik und dem Dieselskandal zu stellen. Merkel hatte sich Mitte August zunächst für ein Ende des Verbrennungsmotors ausgesprochen, später korrigierte sie dies. Vor dem Duell warf Schulz der Kanzlerin vor, einen Gesetzesentwurf zu blockieren, der es Diesel-Besitzern ermöglichen würde, sich Musterklagen gegen die Autokonzerne anzuschließen. Angriffsfläche für Merkel bietet auch die Situation in Sachsen-Anhalt. Dort stimmten zuletzt zahlreiche CDU-Abgeordnete einem Antrag der AfD zu. Die bot der CDU inzwischen sogar eine Minderheitsregierung an. Die Frage ist, wie aggressiv Schulz auftreten wird. Merkel genießt in der Bevölkerung eine hohe Popularität. Greift er sie zu scharf an, könnte sich dies auch negativ auswirken und bei Zuschauern sogar zu einer Solidarisierung führen.

Eines stellt Schulz vorher klar: "Ich habe nicht die Absicht, Frau Merkel persönlich zu attackieren." SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ist optimistisch, dass der Kanzlerkandidat als Sieger aus dem Duell hervorgehen wird. "Wir werden am Sonntag eine Veränderung in den Umfragen bekommen", sagte er im ZDF. Dennoch versuchen die Genossen, die Erwartungen nicht zu hoch werden zu lassen. Dies birgt das Risiko, am Ende enttäuscht zu werden. Deshalb schiebt man die Favoritenrolle der Union zu. Laut Infratest Dimap erwarten 64 Prozent der Deutschen einen Sieg Merkels, nur 17 Prozent setzen auf Schulz. Der SPD-Kanzlerkandidat kann also nur positiv überraschen. Zu verlieren hat er ohnehin wenig.

Quelle: ntv.de

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