Spannung vor dem Treffen bei Merkel Koalition packt Streitthemen an
06.11.2011, 09:24 UhrDie Spitzen von Union und FDP wollen heute ihren Streit in der Steuerpolitik beenden. Wichtigstes Thema ist die Umsetzung der in Grundzügen bereits beschlossenen Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen. Die Liberalen wollen ihr Wahlversprechen von Steuersenkungen endlich in die Tat umsetzen. Die spannende Frage ist: Wie soll das gehen?
Die Spitzen von CDU, CSU und FDP kommen heute Abend in Berlin zu einem Koalitionsgipfel zusammen, um zentrale Streitpunkte aus dem Weg zu räumen. Wichtigstes Thema ist die Umsetzung der in Grundzügen bereits beschlossenen Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht trotz sprudelnder Steuereinnahmen eher geringen Spielraum für Entlastungen. Sein gemeinsam mit FDP-Chef Philipp Rösler gemachter Vorschlag, die sogenannte "kalte Progression" abzubauen, scheint nicht durchsetzbar, weil die nötige Mehrheit im Bundesrat fehlt. Nun wird über eine Absenkung oder gar Abschaffung des Solidaritätszuschlags spekuliert. Aber auch dagegen gibt es teils heftigen Widerstand - vor allem in Ostdeutschland.

Seehofer war als Gastredner auf dem CDU-Parteitag in Thüringen eingeladen.
(Foto: dapd)
Dennoch mehrten sich kurz vor dem Koalitionsgipfel die Anzeichen für eine Einigung. CSU-Chef Horst Seehofer sagte, er sei seit Freitag "in hohem Maße zuversichtlich", dass eine Steuerentlastung beschlossen wird. Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP stünden in engem Kontakt. Neben dem Komplex Steuern und Abgaben stehen auf dem Programm der Koalitionsspitzen auch eine Reform der Pflegeversicherung und das Thema Betreuungsgeld.
"Wir haben den Willen, uns zu einigen", sagte Seehofer am Rande des Parteitags der thüringischen CDU. Welches Modell zur Steuerentlastung er bevorzugt, ließ der bayerische Ministerpräsident allerdings offen. "Es gibt nicht nur den Solidarzuschlag, es gibt auch andere Modelle", sagte er.
Einigung zeichnet sich ab
Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sieht die Chance auf eine Einigung: "Ich bin optimistisch, dass es eine Verständigung gibt", sagte er am Rande des Landesparteitages in Schleiz. Alle Steuermodelle würden diskutiert, eine Vorfestlegung gebe es nicht. Prüfkriterium für die verschiedenen Modelle - von Änderungen beim Solidarzuschlag bis zur Einkommenssteuer-Reform - sei, ob kleine und mittlere Einkommen entlastet werden, erklärte Gröhe. "Wir müssen den bescheidenen Spielraum klug nutzen."
Der stellvertretende FDP-Vorsitznde und sächsische Parteichef Holger Zastrow verlangte von der liberalen Führung in Berlin mehr Durchsetzungswillen. Die FDP dürfe sich in der schwarz-gelben Koalition nicht immer wieder auf Kompromisse einlassen, verlangte Zastrow auf dem FDP-Landesparteitag in Oschatz. Er warb erneut nachdrücklich für die Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Dies sei ein Gebot der Stunde. "Oder wollen wir warten, bis der Aufschwung vorbei ist?"
SPD will notfalls klagen

Gabriel: Steuersenkungen auf Pump sind verantwortungslos.
(Foto: dapd)
Die SPD kündigte an, Steuersenkungen durch die Bundesregierung notfalls gerichtlich verhindern zu wollen. "Die Schuldenbremse in unserer Verfassung sieht vor, dass alle konjunkturell bedingten Steuermehreinnahmen zur Reduzierung des Staatsdefizits verwendet werden müssen", sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel der "Bild am Sonntag". "Sollten CDU/CSU und FDP wirklich gegen diese Vorschrift im Grundgesetz verstoßen, wird die SPD eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht prüfen."
Der SPD-Chef wies darauf hin, dass Schäuble für dieses Jahr "27 Milliarden neue Schulden" plane und die Euro-Krise gigantische Risiken für den Bundeshaushalt berge. "Deshalb wären Steuersenkungen auf Pump verantwortungslos", sagte Gabriel.
Weitere Streitpunkte auf dem Koalitionsgipfel sind die Reform der Pflegeversicherung, die Einführung einer PKW-Maut, das Betreuungsgeld sowie die Verdienstgrenzen für ausländische Arbeitskräfte.
Die Schließung von Bundeswehrstandorten soll bei dem Treffen ebenfalls eine Rolle spielen. Es gehe darum, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam die Folgen der Reform zu tragen hätten, sagte Seehofer. Das Thema Mindestlohn steht zwar nicht auf der Tagesordnung der Koalitionsspitzen, allerdings gibt es auch hier Klärungsbedarf. Die CDU-Spitze strebt eine branchenübergreifende Lohnuntergrenze an, den die Tarifpartner festsetzen sollen. FDP und CSU lehnen das ab.
Quelle: ntv.de, rts/dpa