Berichte über mafiöse Betrügereien Lauterbach will Pflege stärker kontrollieren
18.04.2016, 09:59 Uhr
SPD-Politiker Lauterbach fordert unangemeldete Kontrollen in Pflegeeinrichtungen.
(Foto: dpa)
Eine Milliarde Euro soll der Schaden durch Betrug russischer Pflegedienste betragen. Zwar zweifelt SPD-Experte Lauterbach diese Zahl an, doch er fordert eine Reform der Kontrolle - vor allem der Abrechnungen.
Nach Medienberichten über angeblich großangelegte Abrechnungsbetrügereien russischer Pflegedienste hat SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach unangemeldete und gezielte Kontrollen in dem Sektor gefordert. "Es gibt jede Menge bürokratische unnötige Routinekontrollen der Einrichtungen und des Personals", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Wir brauchen unangemeldete und gezielte Prüfungen der Qualität der Leistungen und Abrechnungen, aber auch der Identitäten des Pflegepersonals."
In der ARD bezeichnete er die Betrügereien als einen der größten Skandale im Gesundheitssystem. "Mit dieser Dimension hat kein Fachmann gerechnet", sagte er. "Wir wussten, dass es solche Fälle gibt. Das ist vorher auch schon untersucht worden. Aber es war immer die Rede von Einzelfällen." Er zählte drei Arten des Betrugs auf: So würden Patienten abgerechnet, die gar nicht existierten. In anderen Fällen würden erforderliche Leistungen nicht erbracht oder mehr Leistungen abgerechnet, als nötig.
Zweifel an Höhe des Schadens
Lauterbach forderte, bei der anstehenden Überarbeitung des Pflege-TÜV müsse hier dringend gehandelt werden. "Es muss sichergestellt werden, dass das, was im Pflegeheim passiert, auch mit dem übereinstimmt, was auf dem Papier steht", sagte der SPD-Politiker. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung verlangte in der "Welt" sowie im BR ebenfalls mehr Prüf- und Kontrollrechte für sich. "Ob die Leistungen der Krankenversicherung korrekt erbracht werden, darüber haben wir keine Prüfrechte", sagte GKV-Vorstand Gernot Kiefer. Diese Lücke nutzen die Täter offenbar.
Lauterbach äußerte zugleich Zweifel an der in Berichten am Wochenende genannten Höhe der durch betrügerische ambulante Dienste verursachten Schäden. "Es würde mich überraschen, wenn der Schaden wirklich in einer solchen Größenordnung liegen würde. Auszuschließen ist es aber nicht."
Der Bayrische Rundfunk und die "Welt am Sonntag" hatten berichtet, dass das Bundeskriminalamt Hinweise auf systematische Betrügereien von Pflegediensten habe, bei denen es sich in einzelnen Fällen auch um Aktivitäten "russisch-eurasischer Organisierter Kriminalität" handeln soll. Den Berichten zufolge schätzen die gesetzlichen Krankenkassen den Schaden auf mindestens eine Milliarde Euro im Jahr.
Vor allem im Bereich der Intensivpflege
Nach Überschlags-Berechnungen, die er selbst vorgenommen habe, betrage der Schaden durch Betrugsfälle in der Intensivpflege etwa hundert Millionen Euro, sagte Lauterbach. Der Bayrische Rundfunk und die "Welt am Sonntag" beriefen sich in ihren Berichten auf interne BKA-Papiere. Das BKA kommentierte die als vertraulich eingestuften Dokumente nicht.
Den Berichten zufolge sprach das BKA intern von einem bundesweiten Phänomen, das allerdings dort besonders hervortrete, "wo sich durch Sprachgruppen geschlossene Systeme bilden". Demnach verlagerten sich die Betrugsfälle, die teils mit und teils ohne Wissen der Patienten stattfinden, zunehmend auf den Bereich der Intensivpflege von Schwerkranken. Dafür kommen oft die Krankenkassen auf.
Quelle: ntv.de, mli/AFP