Parteitag zur Europawahl Lindner: "Programm der AfD würde Deutschland ruinieren"


Die größte Wahl in diesem Jahr ist die Europawahl am 9. Juni. Dann wählen die Menschen das Europaparlament neu. Auf dem Europaparteitag seiner Partei lässt FDP-Chef Lindner keinen Zweifel daran, wie wichtig diese Abstimmung ist. Den größten Applaus erhält er aber für seine Worte zur AfD.
FDP-Chef Christian Lindner hat auf dem Europaparteitag seiner Partei in Berlin keinen Zweifel daran gelassen, wie wichtig ihm die Europawahl am 9. Juni ist. "Es geht um wesentlich mehr als uns", rief er den rund 500 Delegierten zu. "Es geht um Freiheit und Demokratie in Europa." Nach Lindners Rede kürten die Liberalen die Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann offiziell zur Spitzenkandidatin.
Lindner bezeichnete ihre Nominierung als eine "Kampfansage" an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der die FDP einen starken Hang zur Bürokratisierung vorwirft. "Ursula von der Leyen ist vor uns nach Brüssel geflüchtet, jetzt schicken wir Marie-Agnes hinterher", sagte Lindner. Dabei griff er eine Formulierung der bisherigen Bundestagsabgeordneten auf: "Wir brauchen weniger von der Leyen und mehr von der Freiheit", was auch Strack-Zimmermann beim Dreikönigstreffen der FDP Anfang Januar gesagt hatte. Eine Kampfansage sei die Düsseldorferin aber auch an all jene, die das europäische Gemeinschaftsprojekt zerstören wollten.
Auf dem Parteitag werden außerdem die Parteimitglieder gewählt, die ins Europaparlament einziehen sollen und ein Leitantrag zum Wahlproramm beschlossen. Die Partei kann fest mit einem Einzug ins Europaparlament rechen - denn dort gibt es keine Fünfprozenthürde. 2019 kamen die Liberalen auf 5,4 Prozent.
Linder stellte drei Themen aus dem Programm in den Vordergrund seiner Auftaktrede: Sicherheitspolitik und Ukraine-Hilfe, die Beziehungen Deutschlands und der EU mit den USA sowie Wettbewerbsfähigkeit und Migration. Der Finanzminister bekannte sich dabei klar dazu, die Ukraine weiter zu unterstützen. Russland sei ein Aggressor, bei dem man nicht wisse, "wer als nächstes dran" sei, sagte er. Forderungen nach Verhandlungen, wie sie besonders prägnant die BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht vorträgt, erteilte er eine klare Absage. Wer die Freiheit der Ukraine opfern wolle, wäre auch bereit, "unsere Freiheit" zu opfern, warnte Lindner die Delegierten.
Andere Europäer sollen Ukraine mehr helfen
Deutschland könne auch noch mehr Hilfe mobilisieren. "Es darf aber nicht sein, dass Deutschland mehr tut, damit andere weniger tun", sagte der Parteichef. Deutschland leiste bereits 50 Prozent der Hilfe, die aus Europa komme. Die anderen Länder müssten ihrer Verantwortung gerecht werden. Auf europäischer Ebene solle es mehr gemeinsame Rüstungsprojekte geben, derzeit sei die Rüstungsindustrie zersplittert, was zu einem Mangel an Effizienz führe. Gemeinsame Projekte bedeuteten auch, dass man mehr für den Euro Steuergeld an Rüstung wieder herausbekomme, sagte Lindner sinngemäß.
Dabei forderte er, Europa müsse sich auf eine erneute Präsidentschaft von Donald Trump in den USA vorbereiten. Die Europäer müssten selbst in der Lage sein, ihre Interessen und Werte zu verteidigen. Zugleich bekannte er sich klar zur transatlantischen Partnerschaft. Die müsse intakt bleiben, "egal wer im Weißen Haus regiert, egal wie die Mehrheiten im Kongress sind".
Vor dem Protektionismus der USA, dem Dominanzstreben Chinas und den Forderungen anderer BRICS-Staaten, zu denen Indien, Brasilien, Russland und Südafrika gehören, könne man aber nicht die Augen verschließen, so Lindner. Europa müsse wieder attraktiver, wettbewerbsfähiger und dynamischer werden - aber eben nicht mit mehr Subventionen, sondern mit mehr privatem Kapital und mehr Freiheiten für die Unternehmen.
Dabei schoss Lindner einen rhetorischen Pfeil auf den grünen Koalitionspartner in Berlin: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Wirtschaftsminister Robert Habeck glichen sich darin, immer zuerst an Subventionen zu denken. Es gebe bereits ausreichend Subventionen in Europa, sagte dagegen Lindner, und verwies auf den Next-Generation-Fonds der EU, in dem 800 Milliarden Euro bereitgehalten würden. Nicht ein Mangel an Subventionen sei das Problem, sondern beispielsweise der Zugang zu privatem Kapital. In dieser Hinsicht hätten die USA den "leistungsfähigsten privaten Kapitalmarkt der Welt". Ein Problem Europas sei es, dass es 27 Kapitalmärkte hätte und sich Start-ups "die Hacken ablaufen" müssten, um an Geld zu kommen.
AfD keine Alternative
Beim Thema Migration bekannte sich Lindner zu Asyl und Zuwanderung. Er sprach von Solidarität mit Menschen in Not und Offenheit für alle, die in Europa ihr Glück versuchen wollten. Es sei aber das Recht der aufnehmenden Gesellschaft, zu bestimmen, wer bleiben dürfe. Ein Menschenrecht darauf, seinen Standort selbst zu bestimmen, gebe es nicht. Dabei sprach er wie bereits bei früheren Anlässen von einer "neuen Realpolitik in der Migration", zu der man in Deutschland gefunden habe. Das habe ermöglicht, das auch in Europa zu tun - die EU hatte sich im vergangenen Jahr auf eine strengere Asylpolitik mit Verfahren an den Außengrenzen geeinigt. Die Probleme seien so groß, dass sie nur europäisch gelöst werden könnten, sagte der FDP-Chef.
Die letzten Minuten seiner Rede verwandte Lindner darauf, die AfD anzugreifen. Die Europawahl sei keine Protest-, sondern eine Gestaltungswahl, sagte er. Die AfD aber sei so radikal, dass sich die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen von ihr distanziert habe. "Welchen Weckruf brauchen die Menschen noch, um zu verstehen, dass die keine Alternative sind?", fragte er. Die AfD wolle aus der EU einen Steinbruch machen. Der Binnenmarkt der Europäischen Union aber sei Deutschlands wichtigste Quelle für Wohlstand. "Das Programm der AfD würde Deutschland ruinieren und deshalb darf es keinesfalls umgesetzt werden", rief er. In Großbritannien sehe man, was der Brexit gebracht habe.
Zum Schluss verglich er die Partei, die im Trendbarometer von RTL und ntv bei 20 Prozent steht, direkt mit den Nazis und dem Dritten Reich. 1933 hätten anfangs auch noch einige gedacht, die Nationalsozialisten würden sich in der Regierung "entzaubern". Zwei Monate später sei das Ermächtigungsgesetz beschlossen und das erste Konzentrationslager errichtet worden. "Nie wieder" sei ein Auftrag für Gegenwart und Zukunft." Für diese Äußerungen bekam er den längsten und entschlossenen Applaus.
Quelle: ntv.de