Wahltalk bei "Hart aber fair" Linke will keine Milliardäre, Bär keinen "Klassenkampf"
11.02.2025, 07:00 Uhr Artikel anhören
Diskutiert wurde vor allem über die Wirtschafts- und Sozialpolitik
(Foto: WDR/Oliver Ziebe)
Das Studio von "Hart aber fair" wird zur Wahlarena. Diesmal dürfen aber nicht die Kanzlerkandidaten für sich trommeln, sondern die Vertreter der kleineren Parteien. Insbesondere zwischen dem Linken-Chef van Aken und BSW-Chefin Wagenknecht fliegen die Fetzen.
Es ist Montagabend, und die Talkshow "Hart aber fair" wird zu einer Wahlsendung. Zu Gast: die kleinen Parteien. Gemeint sind jene, bei denen nicht klar ist, ob sie im kommenden Bundestag vertreten sein werden. Nach den letzten Umfragen würden etwa vier Prozent der Wähler FDP und BSW ihre Stimme geben, die Linke würde auf fünf Prozent kommen. Die CSU, die nur in Bayern antritt, darf sich sicher sein, erneut eine gemeinsame Fraktion mit der CDU zu bilden.
Diskutiert wird vor allem über die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Migrationspolitik kommt nur kurz vor, in einer Fragerunde, in der die Politikerinnen und Politiker eigentlich mit "ja" oder "nein" antworten sollen. Da fragt Moderator Louis Klamroth, ob die Gäste für Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze seien. Die stellvertretende CSU-Vorsitzende Dorothee Bär, BSW-Chefin Sahra Wagenknecht und FDP-Chef Christian Lindner sind klar dafür, Linken-Co-Chef Jan van Aken nicht, das sei rechtswidrig.
Die Wirtschafts- und Sozialpolitik
Die Ampelregierung habe keine Antworten auf die sich zuspitzende Wirtschaftskrise gefunden, stellt Lindner fest. Okay, sie habe einiges erreicht: das Startchancengesetz bei den Schulen, Steuersenkungen vor allem für Menschen mit niedrigen Einkommen. Aber auf die aktuelle Situation habe es keine Antworten gegeben. "Deutschland verliert seit einem Jahrzehnt an wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit", fügt Lindner hinzu. "Wenn man in der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit nur noch mittelmäßig ist, dann wird man irgendwann nur noch mittelmäßig leben, nur noch mittelmäßige soziale Absicherung haben. Denn allen gesellschaftlichen Wohlstand, den wir verteilen, müssen ja irgendwelche Leute erstmal erwirtschaften. Und deshalb muss darauf jetzt die Priorität gelegt werden."
Lindner plädiert deswegen für Steuersenkungen für alle Arbeitnehmer. Zum Beispiel bei Überstundenzuschlägen. Darauf sollen nach seinem Willen bald keine Steuern mehr gezahlt werden. Was Lindner nicht sagt: Die Zuschläge betragen in der Regel nur 10 bis 25 Prozent des Stundenlohns. Wenn sie überhaupt gezahlt werden: Bei vielen Arbeitnehmern werden Überstunden durch Freizeit ausgeglichen, also abgebummelt.
"Wir müssen jetzt investieren", sagt Jan van Aken. Die Linkspartei möchte vor allem Geld in die Infrastruktur und in die Industrie stecken. Dafür will sie die Schuldenbremse abschaffen. Sahra Wagenknecht will sie reformieren, Lindner und Bär finden sie gut, so wie sie ist.
Dorothee Bär und ihre CSU wünschen sich dagegen eine geistig-moralische Wende. "Das bedeutet, dass wir wieder eine Entfesselung brauchen, auch für die Unternehmen", sagt die Politikerin. "Wir sind der festen Überzeugung, dass sich Leistung zum einen lohnen muss, dass wir auf der anderen Seite aber feststellen müssen, dass Wachstum und Wohlstand keine Schimpfwörter sind, wie es ganz oft von den Grünen oder von den Linken behauptet wird. Wir brauchen für unsere Unternehmen, und damit meine ich ganz besonders auch das Handwerk und den Mittelstand, eine gewisse Beinfreiheit." Dazu gehöre ein deutlicher Bürokratieabbau. "Wir brauchen keine Gängelungen mehr", sagt Bär. Und man müsse davon wegkommen zu glauben, dass man mit Work-Life-Balance oder der Forderung nach einer Vier-Tage-Woche das Land auf Vordermann bringen könne.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sowie Jan van Aken entgegnen, dass zu viele Menschen gar nicht in der Lage sind, ganze Tage zu arbeiten - etwa weil es an der Kinderbetreuung fehlt. Beide wollen den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen, während Lindner und Bär lieber die Mindestlohnkommission darüber entscheiden lassen würden. Wagenknecht hat auch noch ein anderes Problem für die schlechte Wirtschaftslage Deutschlands ausgemacht: "Das sind die extrem gestiegenen Energiepreise. Die machen die Leute arm, die ziehen ihnen das Budget aus der Tasche, und sie nehmen der Industrie die Wettbewerbsfähigkeit weg. Und das ist ein Kernproblem, und dafür braucht man eine durchdachte Energiepolitik und muss raus aus einem Wirtschaftskrieg, der uns ruiniert." Übersetzt: Schluss mit den Sanktionen gegen Russland und wieder russisches Gas und Öl kaufen.
"Halt doch mal den Mund"
Das sieht van Aken nicht so. Er ist deutlich Russland-kritischer als seine ehemalige Parteikollegin. "Halt doch mal den Mund", entfährt es ihm, als Wagenknecht der Linken vorwirft, immer wieder Waffenlieferungen für die Ukraine zu fordern. Nach einer Ermahnung von Klamroth fährt er im gemäßigten Ton an Wagenknecht gerichtet fort: "Wieso wirst Du so nervös, wenn wir sagen, wir müssen das Völkerrecht achten?" Niemals dürfe man zulassen, dass ein starkes Land einen kleinen Nachbarn einfach so überfalle.
Die Linke will Reiche höher besteuern und auch an deren ererbtes Vermögen. Profitieren sollen jene, die weniger verdienen. Van Aken: "Wir sagen: alle, die 7000 Euro brutto verdienen oder weniger, die werden von uns steuerlich entlastet. Dafür müssen die, die darüber sind, ein bisschen mehr Steuern zahlen."
Seiner Ansicht nach sollte es keine Milliardäre geben und dafür gebe es viele Gründe, so der Linken-Chef. Einer davon sei, dass diese sich - wie aktuell Elon Musk - politischen Einfluss kaufen könnten. CSU-Politikerin Bär schüttelt mit dem Kopf: "Ich dachte eigentlich, dass die Zeiten von Klassenkampf vorbei sind."
Das Bürgergeld
Alle vier Gäste halten das Bürgergeld in seiner jetzigen Form für falsch. Lindner formuliert es so: "Diejenigen, die arbeiten könnten, da müssen wir als Gesellschaft erwarten, dass sie alles unternehmen, um in Arbeit zu kommen und sich um Bildung zu bemühen. Denn die Solidarität der Gesellschaft sollte man nur so lange und so weit in Anspruch nehmen, wie es tatsächlich erforderlich ist."
Das BSW möchte das Bürgergeld völlig abschaffen und setzt sich für eine Grundsicherung ein, wie es sie in den 1990er Jahre gab: Verlängerung von Arbeitslosengeld-Zahlungen und eine Grundsicherung, die sich an das bisherige Einkommen koppelt. Auch die Linke setzt auf eine Grundsicherung. Die soll bei 1400 Euro liegen, Miete inbegriffen. "Wir sagen: Niemand muss in Armut leben müssen", sagt van Aken.
"Das Bürgergeld spaltet unsere Gesellschaft", sagt Bär. Sie möchte Bürgergeldempfänger schneller in Arbeit bringen und damit die Kosten senken, die diese Sozialleistung verursacht. Außerdem will sie, dass "Totalverweigerern" die Leistungen massiv gekürzt werden.
Van Aken spricht von einer Scheindebatte, die Zahl jener "Totalverweigerer" sei verschwindend gering. Dem stellt Lindner die Behauptung entgegen, es gebe eine hohe Dunkelziffer, weil nur wenige Fälle von den Arbeitsvermittlern entsprechend "markiert" würden. Van Aken blickt ungläubig: "Was reden Sie da, Herr Lindner? Waren Sie jemals in einer Arbeitsagentur?"
Quelle: ntv.de