Debatte um Wahlprogramm Linke will mit "Klassenperspektive" ins EU-Parlament
11.09.2023, 16:14 Uhr Artikel anhören
Parteichef Schirdewan (l.) soll die Liste für die Europawahl anführen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Eine höhere Besteuerung großer Einkommen, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und eine andere Friedenspolitik: Die Linke legt ihr Programm für die Europawahl den Mitgliedern vor. "Wer Europa will, muss es den Reichen nehmen", sagt Parteichefin Wissler.
Die Linkspartei will die Themen soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, Frieden und Mitbestimmung in den Mittelpunkt ihres Programms für die Europawahl im kommenden Jahr stellen. Der Parteivorstand beschloss einstimmig einen entsprechenden Programmentwurf , wie die Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan mitteilten. "Wer Europa will, muss es den Reichen nehmen", sagte Wissler. Die Europawahl soll vom 6. bis 9. Juni in allen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgehalten werden. Belastet wird die Wahlkampfvorbereitung durch die anhaltenden Spekulationen über eine Parteineugründung durch die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.
"Wir unterbreiten ein gesellschaftliches Angebot", sagte Schirdewan, der nach dem Willen der Parteispitze auch die Europa-Wahlliste der Linken anführen soll. Es gehe um "eine Politik für eine andere, bessere EU", hob er hervor. Die Union müsse zur "Kraft für soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Frieden" werden. Verbunden werden solle dies "durchaus mit einer Klassenperspektive", die Linke wolle "den Reichen und Mächtigen die Harke zeigen", sagte Schirdewan, der bereits Ko-Fraktionschef der Linken im Europaparlament ist.
Die großen Linien in dem mehr als 80-seitigen Programmentwurf:
- mehr öffentliche Ausgaben und weniger Auflagen durch europäische Schuldenregeln
- mehr Steuern auf hohe Einkommen und Konzerngewinne, einschließlich einer Mindeststeuer von 25 Prozent für Unternehmen
- strikter Klimaschutz mit "Klimagerechtigkeit" zum Beispiel durch sozial gestaffelte Energiepreise gemeinnützig organisierter Versorger
- eine möglichst wenig eingeschränkte Asylpolitik mit "öffentlicher Seenotrettung"
- Stärkung des EU-Parlaments
Darunter finden sich etliche konkrete Forderungen, so etwa eine Vier-Tage-Woche, eine europäische Kindergrundsicherung, die möglichst regionale Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder die Perspektive auf kostenlose Busse und Bahnen. Wissler sagte, eine ihrer "persönlichen Lieblingsforderungen" sei die Gründung einer "United Railways of Europe", einer Dachgesellschaft, die ein dichtes Bahnnetz mit sozial gedeckelten Ticketpreisen in Europa koordiniert. Das Ziel: mehr öffentlicher Verkehr, weniger Autos.
"Kein Wettbewerb mit Rechtspopulisten"
"Wir streiten für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums", sagte auch Wissler. Die Linke wolle "Gewinne angemessen besteuern und "für gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne" kämpfen. Die Industrie in Europa soll so umgebaut werden, "dass sie nachhaltig und klimagerecht ist", denn "die Klimakatastrophe spitzt sich immer weiter zu".
Schirdewan betonte, die Linke mache "keinen Wettbewerb mit Rechtspopulisten um Mobilisierung der Niedertracht", sondern biete "progressive Konzepte". Sie suche den Konflikt mit den Reichen und Konzernen, "aber nicht eben reaktionär, sondern verbindend".
Zur Friedenspolitik sagte Schirdewan: "Wir erleben den fürchterlichen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine." Verbunden sei dies mit wieder mehr Blockbildung und einem massiven Anstieg internationaler Spannungen. Ziel der Linken sei ein "geeintes Europa, das sich dem Frieden verpflichtet sieht". Die Partei stehe "gegen Aufrüstung und Militarisierung" und auch gegen Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete.
An der Spitze der Europa-Wahlliste der Linken soll nach dem Willen der Parteispitze nach Schirdewan die parteilose Klima- und Menschenrechtsaktivistin Carola Rackete stehen. Folgen sollen die Europapolitikerin und Gewerkschafterin mit kurdischen Wurzeln, Özlem Demirel, sowie der parteilose Sozialmediziner Gerhard Trabert. Entscheiden soll über Programm und Wahlliste ein Bundesparteitag Mitte November in Augsburg, bis dahin soll darüber in der Partei breit diskutiert werden.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP