Ungerührt vom Zorn der Linken Macron rückt nach rechts
21.12.2023, 19:59 Uhr Artikel anhören
Regierung in der Krise: Macron nimmt das in Kauf.
(Foto: picture alliance / abaca)
Der linke Flügel von Macrons Regierungslager steht unter Schock. Wie zuvor die Rentenreform boxt der Präsident auch das schärfere Einwanderungsgesetz durch die Instanzen. Seine Begründung für den Schulterschluss mit Le Pen: "Wir müssen eben lernen, mit relativen Mehrheiten zu arbeiten."
Den Vorabend seines 46. Geburtstags hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in einer mehr als zweistündigen Talkshow verbracht, deren einziger Gast er selbst war. Dies war womöglich ein Zeichen für den Ernst der Lage: Seit der Verabschiedung eines verschärften Einwanderungsgesetzes befindet sich Macrons Regierung in einer ihrer schlimmsten Krisen seit dem Amtsantritt des Präsidenten.
Im Zentrum steht der Vorwurf der Opposition, das Einwanderungsgesetz sei nicht nur von den Ideen der Rechtspopulisten inspiriert, sondern auch noch mit deren Hilfe verabschiedet worden. Macron wies dies zurück. "Der Text enthält diese Ideen nicht", erklärte er. Vielmehr sei das Gesetz eine "Niederlage" für die Partei Rassemblement National von Marine Le Pen.
Die Rechtspopulisten sehen das allerdings ganz anders. "Das Gesetz ist ein ideologischer Sieg für den RN", jubelte die Partei und zählte gleich fünf Punkte auf, die den eigenen Forderungen entsprechen. Dazu zählen etwa die Wartezeit von Nicht-EU-Ausländern auf manche Sozialleistungen, der Entzug der französischen Staatsangehörigkeit bei bestimmten Verbrechen, das Erschweren des Familiennachzugs.
Einige Kommunen flaggen halbmast
Der linke Flügel des Regierungslagers steht derweil unter Schock: Ein Viertel der Abgeordneten hatte gegen den Text gestimmt oder sich enthalten, ein Minister trat bereits zurück, mehrere weitere sollen es erwogen haben. Etwa ein Drittel der Départements will die Bestimmungen nicht umsetzen, die Franzosen gegenüber Migranten bevorzugen würden. Einzelne Kommunen flaggten aus Protest halbmast.
Es ist das zweite Mal nach der Rentenreform, dass Macron eine Novelle gegen erheblichen Widerstand durchsetzt. In beiden Fällen nutzte er legale, aber demokratisch umstrittene Methoden. Bei der Rentenreform kam der Verfassungsparagraf 49.3 zum Einsatz, der eine Verabschiedung ohne abschließende Abstimmung ermöglicht, wenn die Regierung ein anschließendes Misstrauensvotum übersteht. Das Einwanderungsgesetz verfassten am Ende 14 Abgeordnete eines Vermittlungsausschusses innerhalb weniger Stunden. Macron rief in den Verhandlungspausen Premierministerin Elisabeth Borne an, um Druck zu machen. Zu einer Debatte in der Nationalversammlung, die eine frühere Version komplett abgelehnt hatte, kam es dann gar nicht mehr.
Kaum war der Text verabschiedet, räumte Macron ein, dass er vermutlich nicht verfassungskonform sei. Es sei aber dennoch ein "nützliches" Gesetz, sagte Macon, "ein Schutzschild, das uns fehlte". Diese Einschätzungen brachten ihm erst recht Kritik ein. Der Verfassungsrat sei nicht dazu da, "Gewissen reinzuwaschen", wütete der sozialistische Parteichef Olivier Faure. "Noch niemals hat sich eine Regierung so sehr auf diejenigen eingelassen, die Ausländer zu Sündenböcken machen", schrieb die Zeitung "Le Monde".
Hommage an Depardieu als Ablenkung?
Wie bei der Rentenreform hat Macron sein Gesetz letztlich durchgeboxt und dabei in Kauf genommen, einen beachtlichen Teil seines eigenen Lagers zu vergrätzen. "Wir müssen eben lernen, mit einer relativen Mehrheit im Parlament zu arbeiten", meinte Macron dazu ungerührt.
Am Ende der mehr als zwei Stunden dauernden Talkshow schwang Macron sich dann noch zu einer leidenschaftlichen Verteidigung des Schauspielers Gérard Depardieu auf, der mit Vorwürfen der Vergewaltigung und sexueller Gewalt konfrontiert ist. Er verabscheue Hetzkampagnen, sagte Macron. "Man kann doch nicht auf Grund einer Reportage jemandem aus der Ehrenlegion ausschließen", meinte der Präsident in Anspielung auf einen Dokumentarfilm, der zahlreiche vulgäre und sexistische Bemerkungen Depardieus auf einer Drehreise belegte. Macron verwies auf die Unschuldsvermutung, die für Depardieu gelte. Er sei ein "großer Bewunderer" des Schauspielers, Frankreich können "stolz" auf ihn sein. Auf die Frauen, die Depardieu Missbrauch vorwerfen, ging Macron nicht weiter ein.
Der anschließende Aufschrei im linken Lager war vorhersehbar. Mit der von vielen als provokant empfundenen Hommage ist es Macron zumindest gelungen, zeitweise von der Debatte um das Einwanderungsgesetz abzulenken. Nebenher kanzelte Macron seine Kulturministerin Rima Adul-Malak ab, die den Ausschluss Depardieus aus der Ehrenlegion einleiten wollte. Sie zählte übrigens zu denjenigen, die wegen des Einwanderungsgesetzes mit ihrem Rücktritt gedroht haben sollen – sie hat dies allerdings selbst später dementiert.
Quelle: ntv.de, mau/AFP