Politik

Ein Tanz für den Brexit May macht die "Dancing Queen" der Tories

Sie fällt nicht, sie tanzt: Theresa May erheitert die Konservativen auf ihrem Parteitag.

Sie fällt nicht, sie tanzt: Theresa May erheitert die Konservativen auf ihrem Parteitag.

(Foto: REUTERS)

Kein Reizhusten, kein Witzbold, keine Buchstaben, die von der Wand fallen. Diesmal kommt Premierministerin May glatt durch den Tory-Parteitag. Dabei schwärmt sie von einer lichten Zukunft Großbritanniens und scheut auch eine Tanzeinlage nicht.

Erst scheint es so, als habe sie nichts gelernt. Ausgerechnet zum Lied "Dancing Queen" stakst die britische Premierministerin Theresa May auf die Bühne des Parteitags der Konservativen in Birmingham, roboterhaft ungelenk, wie immer wenn sie zu tanzen versucht. Doch schnell erschließt sich: Es ist einer jener Akte von Selbstironie, die in Großbritannien zum guten Ton gehören. Und die May gleich mit ihren ersten Worten fortsetzt, indem sie auf ihr Debakel beim vergangenen Parteitag anspielt. Damals schüttelte sie nicht nur ein quälender Hustenreiz, vielmehr überreichte ihr ein Witzbold ein Entlassungsschreiben und Buchstaben fielen von der Wand. Diesmal habe sie in der Nacht die Buchtstaben mit Superkleber befestigt, sagt May und bittet, einen möglichen Husten zu entschuldigen.

Dann folgt eine Rede, die wohl nur wenige erwartet hatten. Außergewöhnlich kämpferisch verteidigt die Premierministern ihren Brexit-Kurs, für den sie seit Monaten von allen Seiten Prügel bezieht. Und vor allem appelliert sie an ihre Partei, geschlossen aufzutreten: "Wir müssen zusammenhalten, denn wir beginnen nun die harteste Phase des Brexit." Wenn die Partei einig sei, gebe es keine Grenzen für das, was man erreichen könne. "Unsere Zukunft liegt in unserer Hand."

Ohne dass sie ein einziges Mal seinen Namen nennt, ist gleich klar, auf wen May mit ihrem Ruf nach Einigkeit besonders zielt: Ex-Außenminister Boris Johnson. Dieser war im Juli aus Protest gegen Mays Brexit-Linie, die ihm zu lasch erscheint, zurückgetreten. Seitdem verpasst er keine Gelegenheit, May bloßzustellen. In einer Rede am Dienstag, die viele als eine Bewerbung für Mays Nachfolge ansahen, nannte er deren Strategie "gefährlich und unbeständig", eine "politische Demütigung". "Das ist keine Demokratie. Dies ist nicht das, wofür wir gestimmt haben. Das ist eine Schande", so Johnson.

Zum offenen Putsch rief er aber nicht auf. Stattdessen erklärte er hintersinnig: Die Parteimitglieder sollten May dabei "unterstützen", von ihren Brexit-Plänen Abstand zu nehmen. Den Aufstand probte ein anderer, der Tory-Abgeordnete James Duddridge forderte kurz vor Mays Rede den Rücktritt der Partei- und Regierungschefin: "Wir brauchen eine starke Führung, und wir haben sie im Moment nicht."

An diesem Mittwoch versucht May alles, um den seit Monaten drohenden Putsch abzuwenden und ihrer Partei und den Briten klarzumachen: Wenn einer geeignet ist, den Brexit durchzuführen, dann sie. Mit harscher Kritik stellt sie die oppositionelle Labour Party unter Jeremy Corbyn als "nationale Tragödie" dar. Die Partei, die inzwischen an institutionellem Rassismus leide, sei außerstande, das Land in dieser schwierigen Phase zu führen. An der Macht würde Labour jedes noch so schlechte Ergebnis mit der EU akzeptieren und in der Opposition "selbst den besten Deal, den wir abschließen, ablehnen".

May gegen zweites Referendum

Auch ein zweites Referendum, das einem Medienbericht zufolge einige ihrer Minister privat befürworteten, erteilt May eine klare Absage. Sie werde nicht das Ergebnis des ursprünglichen Referendums verraten. Scharf kritisiert sie "Politiker, die Menschen erzählen, was sie denken sollen".

Von der EU fordert May erneut "Respekt" für ihre Position, mit der sie kürzlich beim Gipfel in Salzburg wieder einmal den Vorwurf der Rosinenpickens erntete. May setzt sich für ein Freihandelsabkommen für Waren ein, allerdings nicht für Dienstleistungen und den freien Personenverkehr - was die EU seit Langem ablehnt. Wie May am Dienstag auf dem Parteitag verdeutlichte, will sie besonders die Immigration aus der EU zurückfahren. So sollen Sonderregeln bei der Einreise wegfallen, der Familiennachzug erschwert werden und die Zuwanderung von Geringqualifizierten weitgehend gestoppt werden.

Doch was, wenn die EU Mays Brexit-Plan nicht akzeptiert, wonach alles bislang aussieht? Die Antwort der Premierministerin weicht auch diesmal nicht von ihrer bekannten Linie ab. Niemand wünsche mehr als sie einen guten Deal mit der EU. "Aber nicht zu jedem Preis."

May räumt zwar ein, dass ein Brexit ohne Deal schlecht für Großbritannien und die EU sei. Doch könne sie einen No-Deal nicht auschließen, da sonst ihre Verhandlungsposition geschwächt sei. Und überhaupt: Die Widerstandskraft der Briten werde auch das aushalten. Dann nimmt May den Brexiteers-Schlachtruf "Take back control" auf und schwärmt von einer Zukunft, in der Großbritannien endlich wieder Kontrolle habe. Kontrolle über die Grenzen, über Gesetze, über die Finanzen. Eine Zukunft, die bei May so licht erscheint, wie die Scheinwerfer beim Parteitag: "Wir sind eine Partei, die nicht dazu da ist, das Chaos aufzuräumen, sondern die eine bessere Zukunft sucht", sagt May unter dem Jubel der Delegierten. Die besseren Tage habe Großbritannien noch vor sich. "Großbritannien wird der Champion des Freihandels in der Welt sein."

Wie das genau aussehen soll, bleibt allerdings auch nach ihrer Rede im Nebel. In den nächsten Wochen erwarten May erstmals weitere zähe Verhandlungen mit der EU. Selbst wenn sie in Brüssel doch eine Einigung finden sollte, muss sie dann noch ihr gespaltenes Land von ihrem Deal überzeugen. Der komplizierteste Tanz steht May noch bevor.

Quelle: ntv.de

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