Machtspiele auf syrischem Boden Monsieur Macron will mitpokern
14.04.2018, 19:46 Uhr
Emmanuel Macron will sich außenpolitisch profilieren.
(Foto: REUTERS)
Kaum ein Jahr ist Emmanuel Macron der Chef im Élysée-Palast - zu seinem Amt kam er als außenpolitischer Neuling. Im Syrienkonflikt agiert er nun als Taktgeber. Doch um die Lage zu entschärfen, braucht es jemand anderen: Angela Merkel.
Rote Linien. Immer wieder redete der Westen davon, dass sie in Syrien überschritten seien - doch die Bereitschaft zum Handeln fehlte. Schon 2012 äußerte sich die US-Regierung, damals noch unter Barack Obama, überzeugt davon, der syrische Machthaber Baschar al-Assad setze Giftgas gegen die eigene Bevölkerung ein. Eine "rote Linie" für den Präsidenten. Vor einem militärischen Eingreifen in diesen unübersichtlichen Konflikt schreckte Obama damals aber - quasi in letzter Sekunde - zurück. Damit brüskierte er den Verbündeten Frankreich, der sich zuvor nahezu bedingungslos hinter die US-Pläne gestellt hatte. Der damalige Chef im Élysée-Palast, François Hollande, stand als Schwächling da.

Ganz wie Obama: Macron teilte dieses Foto von Beratungen parallel zu den Syrien-Luftschlägen auf Twitter.
(Foto: REUTERS)
Einen solchen Gesichtsverlust weiß Politüberflieger Emmanuel Macron zu verhindern. Er ist es, der nun von roten Linien spricht - und der sich als Taktgeber in der Auseinandersetzung mit Assad und seinen Verbündeten präsentiert. Frankreichs neuer starker Mann will sich nicht - wie einst Hollande - als Schoßhund einer ausländischen Regierung verspotten lassen. Schon gar nicht einer Regierung unter Donald Trump. Und er lässt seinen Worten Taten folgen - anders als sein Vorgänger. "Wenn mit Giftgas ein Massaker verübt wird, wenn die Welt davon weiß, […] und die Schuldigen bekannt sind, dann muss es eine Antwort darauf geben", hatte der Sozialist im Jahr 2013 appeliert. Doch die französischen Jets blieben letzten Endes am Boden. Den Alleingang ohne die USA wagte Hollande nicht.
Nun hält Macron die Zügel in der Hand - und strotzt vor Selbstbewusstsein. In seiner Wortwahl übt sich der 40-Jährige nicht gerade in Zurückhaltung. Er droht, er warnt. Doch solch groteske Kommentare wie vom Mann im Weißen Haus ("Mission Accomplished") sind von Macron nicht zu erwarten. Die Strategie Frankreichs in dem Konflikt zielt weniger auf Erfolg durch Provokation. Macron weiß anders als Trump, dass sich ein Kaliber wie Kremlchef Wladimir Putin nicht so einfach einschüchtern lässt. Er versucht es lieber mit dem sprichwörtlichen Zuckerbrot - nebst Peitsche. Während er nach den Luftschlägen auf drei Ziele in Syrien in der Nacht zu Samstag erklärte, das Militär stehe für mögliche weitere Einsätze bereit, ließ er seinen Außenminister Jean-Yves Le Drian wenig später erklären, er werde trotz allem an seiner Teilnahme am Wirtschaftsforum Ende Mai in Sankt Petersburg festhalten.
Es fehlt eine moderate Stimme
Frankreichs Präsident will sich allem Anschein nach als starker Verhandlungsführer in dem Konflikt anbieten - und womöglich ist er der einzige, der dafür noch infrage kommt. Denn die deutsche Kanzlerin, die - nicht unbedingt als Putin-Freundin, aber als "Putin-Versteherin" - schon des Öfteren zwischen dem Westen und Russland vermitteln konnte, hält sich auffällig zurück. Leider. Denn was in der gefährlichen diplomatischen Gemengelage derzeit fehlt, ist eine moderate und moderierende Stimme. Merkel ist dafür die Richtige. Nicht Macron. Wie schon mehrmals in der Vergangenheit bewiesen, versteht sich die Kanzlerin in dem Kunststück, sich auf keine Seite zu schlagen - und gleichzeitig solidarisch mit den Partnern zu sein.
Eine deutsche Beteiligung am jüngsten Militäreinsatz hatte sie zwar bereits am Donnerstag ausgeschlossen. Dennoch bezeichnete sie das Vorgehen der USA, Frankreichs und Großbritanniens als "erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren". Schuldzuweisungen in Richtung Kreml vermied sie - anders als etwa Außenminister Heiko Maas, der Russland in der Syrienfrage dessen monatelange Blockade im UN-Sicherheitsrat vorwarf. Merkels Zurückhaltung, wird sie auch oft dafür kritisiert, ist in diesem Fall durchaus angebracht. Immerhin fehlen nach wie vor unwiderlegbare Beweise dafür, dass tatsächlich Assad hinter dem Giftgasangriff in Duma steckt.
Merkel muss Macrons Eifer bremsen
Nach wie vor scheint die Bundesregierung davon nicht vollends überzeugt zu sein. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach lediglich von "schweren Indizien", die auf einen C-Waffeneinsatz der syrischen Regierung hindeuteten. Und das, obwohl Macron in dieser Woche von "dem Beweis" gesprochen hatte - wie genau dieser aussieht, ließ er offen. Das schafft Raum für Zweifel. Und dem Kreml gibt es die nötigen Argumente in die Hand, den jüngsten Militäreinsatz als "voreilig" zu verurteilen. Einmal mehr kann sich Putin als Opfer einer angeblichen westlichen Aggressionspolitik gerieren. Ausgerechnet der Autokrat in Moskau steht im Machtpoker mit Macron und Trump plötzlich als gemäßigt da. Verkehrte Welt.
Kommenden Donnerstag will Macron nach Berlin reisen - wohl auch, um sich mit Merkel über das weitere Vorgehen in Syrien auszutauschen. Dass er fordern kann, hat Frankreichs junger Präsident schon früher bewiesen. Da ging es noch um ein stärkeres deutsches Engagement für Europa. Dieses Mal jedoch wird Macron über rote Linien sprechen wollen, womöglich nicht nur in der Syrienfrage, sondern auch im Umgang mit Russland. Fragt sich nur, ob Merkel den Eifer des Franzosen bremsen kann.
Quelle: ntv.de