"Egal, wie die Amerikaner es sehen" NSA-Ausschuss setzt Bundesregierung Frist
02.05.2015, 16:36 Uhr
Kanzleramtsminister Peter Altmaier und Bundeskanzlerin Angela Merkel - wer weiß über welche Details Bescheid?
(Foto: imago/Wiegand Wagner)
Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages will die Suchbegriffe des US-Geheimdienstes einsehen, die Ergebnisse nutzte der BND womöglich auch selbst. Dazu gehören Inhalte von Gesprächen und E-Mails. Die Bundesregierung zeigt mit dem Finger auf die USA, der Ausschuss droht mit der Justiz.
In der Affäre um den BND und den US-Geheimdienst NSA verstärken die Parlamentsaufklärer den Druck auf die Bundesregierung, die US-Spionagelisten vorzulegen. Die Regierung müsse diese bis zur nächsten Ausschusssitzung am Donnerstag liefern, verlangten mehrere Obleute. "Wir werden nicht zulassen, dass sich das weiter verzögert", sagte der SPD-Obmann Christian Flisek.
Der Grünen-Obmann Konstantin von Notz mahnte: "Frau Merkel muss jetzt zeigen, ob sie aufklären oder vertuschen will." Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) sagte, die Regierung müsse sich notfalls auch über ein Nein der Amerikaner hinwegsetzen. Der Bundesnachrichtendienst soll der NSA über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen - darunter die französische Regierung und die EU-Kommission.
"Stück aus dem Tollhaus"
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil drängt ebenfalls auf vollständige Offenlegung der Vorgänge durch die Bundesregierung. "Der gegenwärtige Zustand ist unerträglich, die Bundesregierung muss aufhören zu mauern", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung. Den derzeitigen Zustand nannte er "ein Stück aus dem Tollhaus".
Den Verdacht, dass der eigene Geheimdienst gegen ein anderes Land für ein drittes Land spioniert, bezeichnete Weil als "ungeheuerlich". "Was wir täglich hören, verschlägt einem den Atem", sagte er. "Entweder es ist falsch, dann muss das gesagt werden. Oder es ist richtig, dann haben wir einen handfesten Skandal."
Die NSA lieferte dem BND für die Überwachung des Datenverkehrs in seiner Abhörstation in Bad Aibling viele Suchmerkmale wie Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern, was gegen deutsche und europäische Interessen verstieß. 40.000 davon sortierte der BND nach eigenen Angaben über die Jahre vorab aus. Mehrere Tausend unzulässiger Selektoren fielen aber erst in der aktiven Suche auf. Das genaue Ausmaß der Affäre ist noch unklar, auch bei den zeitlichen Angaben widersprechen sich mehrere Regierungsvertreter. Der NSA-Ausschuss will nun die Listen mit den unzulässigen Suchmerkmalen einsehen. Die Bundesregierung hat aber zunächst die Amerikaner um Erlaubnis gefragt, ob sie die Informationen dazu offenlegen darf. Dies sogenannte Konsultationsverfahren läuft noch.
Ausschuss erwägt Ladung des BND-Präsidenten
Flisek mahnte, das Konsultationsverfahren mit den USA dürfe nicht dazu eingesetzt werden, um Zeit zu schinden. "Das Kanzleramt muss eine eigene souveräne Entscheidung treffen. Man kann nicht von Aufklärung reden und das Schlüsselelement dazu nicht vorlegen", rügte er. "Da ist mir herzlich egal, wie die Amerikaner das sehen." Das Parlament werde sich die Listen nicht vorenthalten lassen. "Das letzte Druckmittel wäre eine gerichtliche Klärung", drohte Flisek. Die Generalanwaltschaft prüft bereits mögliche Straftaten in der Spionageaffäre.
Der NSA-Ausschuss will bei seiner Sitzung mehrere BND-Mitarbeiter zu den neuen Vorwürfen befragen. Möglicherweise muss aber auch BND-Präsident Gerhard Schindler dort erscheinen. Das Gremium erwäge, Schindler als "präsenten Zeugen" zu laden, sagte die Linke-Obfrau Martina Renner. Das heißt, der BND-Chef müsste sich bereithalten und bei Bedarf kurzfristig in den Ausschuss kommen.
Das Parlament wird sich auch an anderer Stelle mit der Affäre beschäftigen. Die Grünen wollen dazu im Bundestag eine Aktuelle Stunde beantragen. Am Mittwoch berät zudem das Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste über die Vorwürfe. Erwartet wird dort der heutige Innen- und frühere Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU). Die "Bild"-Zeitung berichtete unter Berufung auf "Beteiligte des NSA-Untersuchungsausschusses", der BND habe die für den US-Geheimdienst abgefangenen Daten selbst ausgewertet, um von den Erkenntnissen zu profitieren. Der BND äußert sich nicht dazu.
Mitglieder des NSA-Ausschusses reagierten zurückhaltend. Dass der BND Daten, die er selbst in Bad Aibling sammle, auch auswerte, sei im Grunde selbstverständlich, sagte Sensburg. Er habe bislang aus den Akten aber keine Erkenntnisse, dass der BND auch Daten, die auf unzulässige Weise erfasst worden seien, selbst genutzt haben könnte. Auch von Notz sagte zu dem Bericht: "Ich wäre damit vorsichtig." Das genaue Prozedere des BND im Umgang mit den Daten für die NSA sei noch unklar.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa