"Der Vergifter der Unterhosen" Nawalny attackiert Putin scharf
02.02.2021, 17:27 Uhr
"Sein einziges Kampfinstrument ist das Töten", sagt Nawalny über Putin.
(Foto: dpa)
In wenigen Stunden steht fest, ob und für wie lange der Kreml-Kritiker Nawalny hinter Gitter muss. Den Prozess gegen seine Person nutzt der 44-Jährige, um ein paar harsche Worte an die Adresse von Russlands Präsidenten Putin zu schicken.
Der russische Kremlgegner Alexej Nawalny hat seinen Auftritt bei dem umstrittenen Gerichtsprozess in Moskau für einen neuen Angriff auf Präsident Wladimir Putin genutzt. Der Kremlchef werde als "Wladimir, der Vergifter der Unterhosen" in die russische Geschichte eingehen, sagte Nawalny, wie verschiedene Kanäle im Nachrichtendienst Telegram aus dem Gericht berichteten. Nawalny erinnerte daran, dass er nur knapp einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok überlebte. Nach seinen Angaben war das bei dem Anschlag genutzte Nervengift in seiner Unterhose versteckt worden.
Für das Attentat macht er Putin und Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Das "Killerkommando" soll das Nervengift in seiner Unterhose angebracht haben. Nawalny kritisierte erneut, dass russische Ermittler bis heute Untersuchungen zu dem Anschlag vom August ablehnten. "Wir haben nachgewiesen, dass Putin diesen versuchten Mord verübt hat." Und nun spiele "dieser kleine diebische Mensch in seinem Bunker" verrückt, weil sein Gegner überlebt habe, meinte der 44-Jährige. Putin und der FSB weisen es zurück, in den Mordanschlag verwickelt zu sein.
Nawalny kritisierte, dass Putin im Jahr 2000 völlig zufällig auf seinen Posten als Präsident gekommen sei. Der frühere Geheimdienstchef habe nie in seinem Leben an einer politischen Debatte teilgenommen. "Sein einziges Kampfinstrument ist das Töten", sagte Nawalny.
Der Oppositionsführer rief die Menschen in seinem Land auf, trotz des Drucks ihre Angst zu überwinden. Er verlangte zudem die umgehende Freilassung aller politischen Gefangenen in Russland. Gesetzlosigkeit und Willkür seien das Wesen des politischen Systems in Russland, meinte der Politiker weiter. "Das ist furchtbar", sagte er in seinem Schlusswort.
"Ganzes Land lässt sich nicht einsperren"
Die vom Kreml eingesetzte Richterin Natalia Pepnikowa forderte Nawalny auf, im Gerichtssaal keine Politik zu machen. Das Land gehöre den Menschen, erwiderte Nawalny. Sie hätten das Recht, gegen Missstände zu protestieren. Das Beste an Russland seien heute "die Menschen, die keine Angst haben". "Es ist nicht schwer, mich einzusperren", sagte Nawalny. "Das hier passiert vor allem, um eine möglichst große Zahl an Menschen einzuschüchtern", meinte er mit Blick auf das international als Justizwillkür kritisierte Verfahren. "Aber ein ganzes Land lässt sich nicht einsperren."
Der Oppositionelle weist die Vorwürfe zurück, er habe während seines Aufenthalts in Deutschland, wo er nach dem Giftanschlag behandelt worden war, gegen Bewährungsauflagen verstoßen. Wegen dieser Verstöße will die russische Strafvollzugsbehörde (FSIN) eine existierende Bewährungsstrafe von 2014 in eine Gefängnisstrafe umwandeln. Er habe der FSIN seine Adresse in Deutschland mitgeteilt, sagte Nawalny. "Was hätte ich denn sonst noch tun sollen? Hätte ich Ihnen ein Video von meiner Physiotherapie schicken sollen?"
Nawalny war 2014 wegen des Vorwurfs der Unterschlagung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die Strafe wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Diese Bewährung will die FSIN nun zurückziehen und die Gefängnisstrafe gelten lassen. Dieser Antrag wird von der Staatsanwaltschaft unterstützt. Da Nawalny einen Teil bereits im Hausarrest abgesessen hat, drohen ihm nach Angaben seines Anwalts noch etwa zweieinhalb Jahre Haft. Der Richterspruch wird am heutigen Abend erwartet.
Quelle: ntv.de, fzö/dpa/AFP