Nach Abbruch der Russland-Gespräche Nutzt in Syrien Diplomatie noch etwas?
04.10.2016, 19:11 Uhr
In Berlin sind am Wochenende Syrer auf die Straße gegangen, um gegen die Politik des russischen Präsidenten zu demonstrieren. Viele kritisieren auch, dass die USA und die EU ihrer Meinung nach nicht genug tun, um Wladimir Putin zu stoppen.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Moskau und Damaskus bombardieren weiterhin Aleppo, die USA stellen alle direkten Gespräche ein. Ob es nun Zeit für eine härtere Gangart des Westens in Syrien ist, ist aber heftig umstritten.
Alle diplomatischen Versuche sind gescheitert, so sieht es derzeit zumindest aus. Nach dem Verpuffen der Waffenruhe in Syrien und der Wiederaufnahme der Bombardements auf Aleppo in bisher unbekanntem Ausmaß haben die USA vorerst alle direkten Verhandlungen mit Russland eingestellt. Doch was nun? Wie geht es jetzt weiter? Eine ernsthafte militärische Intervention des Westens schließen derzeit noch alle aus. In der Bundesrepublik kristallisieren sich zwei Strategien heraus – eine weiche und eine etwas härtere.
"Die internationale Syrien-Diplomatie steckt in einer tiefen Krise", sagt Omid Nouripour, ein Vertreter der Grünen im Auswärtigen Ausschuss n-tv.de. Nouripour will die Bemühungen um eine diplomatische Lösung zwar noch nicht aufgeben, doch er verweist darauf, wie schwierig ein Fortschritt ist, wenn eine Seite weiterhin Bomben wirft. "Deshalb ist es ratsam, dass die Europäer zusammen überlegen, welche Druckmittel es geben kann, mit denen wir Russland dazu bringen können, die Bombardements einzustellen und humanitäre Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerungen durchzulassen." Nouripour setzt auf einen Schritt, der einer Bestrafung Moskaus gleichkommt: "Der Verzicht auf die Gaspipeline North Stream 2 könnte ein solches Druckmittel sein", sagt Nouripour.
Bei Nord Stream 2 handelt es sich um den Ausbau der bereits bestehenden Gaspipeline von Russland in die Europäische Union. Über die Erweiterung, die bis 2019 erfolgen soll, könnten pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Gas zusätzlich auf den europäischen Markt gebracht werden. Ein Stopp des Projektes kommt Wirtschaftssanktion gleich. Die haben die USA und Europa bisher nur wegen der Annexion der Krim 2014 und dem Krieg in der Ostukraine verhängt.
Der Stopp von Nord Stream 2 scheint sich bei den Grünen nach und nach zum Konsens zu entwickeln. Neben Nouripour forderten diesen auch der Schleswig-Holsteiner Energiewendeminister Robert Habeck und die europäische Spitzengrüne Rebecca Harms.
"EU sollte strategischer auftreten"
Mit dem Ruf nach verschärften Sanktionen stehen die Grünen unter den Parteien im Bundestag allerdings recht allein da. "Sanktionen zum jetzigen Zeitpunkt würden noch mehr zur Spaltung beitragen und eher einen Stellvertreterkrieg fördern", sagt Roderich Kiesewetter n-tv.de. Der CDU-Vertreter im Auswärtigen Ausschuss fügt hinzu: "Erst wenn Russland weiter destruktiv vorgeht, sollte über Sanktionen nachgedacht werden. Noch muss die Diplomatie eine Chance haben."
Kiesewetter pocht darauf, den diplomatischen Druck im UN-Sicherheitsrat auf Russland aufrechterzuhalten. "Russland ist nicht an einem dauerhaften militärischen Engagement in Syrien gelegen. Gleichzeitig dürfen sich die USA und die EU nicht erpressen lassen, wobei am Ende Assad als Gewinner dasteht." Die EU sollte dafür auch strategischer agieren und mit ihren gesamten Fähigkeiten übergreifend in den Nachbarländern aktiv sein, bis hin zur Nothilfe und Stabilisierung. "Es muss klar das Signal ausgesandt werden, dass der Friedensprozess in Syrien Priorität hat und damit Assad ein Mann des Übergangs ist."
Auch die Linke hält von härteren Sanktionen nichts. Fraktionschef Dietmar Bartsch warnt in der ARD: "Wenn das weiter eskaliert, stehen wir vor schwierigsten Zeiten." Er fügt hinzu: "Es sind alle gefordert, alles zu tun, damit die Gespräche fortgesetzt werden."
"Kriegsverbrechen" bleiben ungesühnt
Die SPD äußerte sich am Dienstag auf Anfrage nicht zur Frage nach härteren Sanktionen gegen Russland. Eine Zustimmung wäre allerdings eine Überraschung. Zuletzt erwogen namhafte Sozialdemokraten wie Parteichef Sigmar Gabriel schließlich, die bestehenden Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts zu lockern.
Nach Angaben des "Tagesspiegel" plant Außenminister Frank-Walter Steinmeier nun für Mittwoch ein Treffen mit seinem amerikanischen, britischen, italienischen und französischen Kollegen, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. In Washington pocht man trotz des Abbruchs der Gespräche mit Russland noch nicht unbedingt auf härtere Sanktionen. Ende des vergangenen Monats hieß es aus dem Weißen Haus auf Nachfrage lediglich, dass diese Option nicht vom Tisch sei.
Insbesondere unter syrischen Aktivisten wächst unterdessen die Enttäuschung über die Haltung des Westens. Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs hat das Regime von Baschar al-Assad diverse internationale Abkommen gebrochen – indem es nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschied, Fassbomben einsetzte und zu chemischen Waffen griff. Seit einem Jahr ist auch Russland an den Offensiven des Regimes beteiligt und hielt Assad nicht davon ab, weiterhin auf geächtete Waffen zu setzen. Bei den Vereinten Nationen und auch in Deutschland ist zwar immer lauter von "Kriegsverbrechen" und "Barbarei" die Rede. Greifbare Konsequenzen für Damaskus oder Moskau gab es bisher aber nicht.
Quelle: ntv.de