Enzyklika für die Umwelt geleakt Papst legt sich mit Klimaschutz-Kritikern an
17.06.2015, 11:49 Uhr
(Foto: imago/Ulmer/Lingria)
Wieder einmal präsentiert Papst Franziskus seine Reformfreude: In der ersten Umwelt-Enzyklika greift er all jene an, die den Klimawandel abstreiten. Das erzeugt Entsetzen - innerhalb und außerhalb des Vatikans.
In seiner aktuellen Enzyklika spricht Papst Franziskus davon, dass die "Masse der globalen Erwärmung" vom Menschen verursacht worden sei. Mit drastischen Worten ruft er die Menschheit – und vor allem die Reichen – auf, die Entwicklung mit wirksamen Schritten zu bremsen. Einen Vorschlag liefert er gleich mit: Die Menschheit müsse ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen dringend beenden.
Zum ersten Mal widmet ein Papst eine Enzyklika der Umwelt und der Natur. Und dies mit Nachdruck: "Die Armen und der Planet schreien", heißt es etwa im abschließenden Gebet. Papst Franziskus spricht von "rücksichtsloser Ausbeutung der Natur" und davon, dass der Mensch eines Tages selbst Opfer dieser Ausbeutung werden könne. Es sei dringend notwendig, dass die Führung der Menschheit sich radikal verändere, damit die technischen Meisterleistungen, das Wirtschaftswachstum und der wissenschaftliche Fortschritt sich nicht gegen die Menschen wenden.
Gleichgültigkeit - auch unter Gläubigen
Der Papst erklärt weiterhin, er wolle seine Ziele denen der internationalen Umweltschutzbewegung angleichen. Zwar räumt er ein, dass einige Ursachen der globalen Erwärmung natürliche Ursachen haben, doch er betont: "Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass der größte Teil der globalen Erwärmung in den vergangenen Jahrzehnten von Treibhausgasen verursacht wurde – die vor allem aufgrund menschlicher Aktivitäten freigesetzt worden sind."
Die Veröffentlichung der Enzyklika war eigentlich für Donnerstag geplant und mit Spannung erwartet worden. Zuvor jedoch veröffentlichte das italienische Magazin "L’Espresso" einen Entwurf des Rundschreibens. Als sich die Aussagekraft des Dokumentes abzeichnete, begannen Umweltschützer, Theologen und Journalisten weltweit hektisch damit, das Dokument zu übersetzen. Ein Sprecher des Vatikans, Federico Lombardi, sagte allerdings der "Washington Post", dass es sich eben um einen Entwurf handele und die endgültige Version davon abweichen könne.
Exxon zu Gast im Vatikan
Dennoch: Die Stoßrichtung des Dokuments dürfte feststehen – selbst wenn manche Formulierung noch einmal überarbeitet werden könnte. Sätze wie "die Einstellungen, die eine Lösung behindern – auch bei Gläubigen – reichen vom Abstreiten des Problems bis hin zu Gleichgültigkeit oder blindem Glauben an eine technische Lösung", sind geeignet, bei manchen Konservativen gerade in den USA Entsetzen hervorzurufen.
Der Erzbischof von Washington etwa betonte, der Gedanke an Umweltschutz sei sicher wichtig, doch dürfe er "die wirtschaftliche Entwicklung nicht gefährden". Mitarbeiter der konservativen Denkfabrik Heartland Institute reisten kürzlich nach Rom, um den Papst "vor dem Fehler" zu bewahren, "seine enorme moralische Autorität für Schrott-Wissenschaften und -Strategien einzusetzen, die die Welt nur noch schlechter machen". Die globale Erwärmung sei schlicht nicht menschengemacht, heißt es auf der Homepage des Instituts, das auch Studien für Tabakkonzerne erstellt hat, um zu bestreiten, dass es einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs gibt. Eine Delegation des Exxon-Konzerns wurde ebenfalls mit einer entsprechenden Powerpoint-Präsentation im Vatikan vorstellig.
Wie reagieren die katholischen US-Wähler?
Vor dem Hintergrund, dass der Papst im September die USA besuchen will, können die Aussagen durchaus als Frontalangriff auf die Umweltpolitik der konservativen Republikaner in Washington gewertet werden, die in den meisten Fällen abstreiten, dass der Klimawandel ein menschengemachtes Phänomen ist.
Spannend könnte die Frage werden, wie das Oberhaupt der Katholiken mit seinen Aussagen die anstehenden Wahlen in den USA beeinflussen könnte. Wähler der Republikaner glauben überdurchschnittlich häufig, dass der Klimawandel ein völlig natürliches Phänomen ist.
Letztendlich könnte jedoch auch die vorzeitige Veröffentlichung des Dokuments ein Versuch gewesen sein, seine Wirkung abzuschwächen und damit Interessen zu bedienen, die es nicht auf eine klimafreundlichere Politik abgesehen haben. So sagte der Leiter des Vatikan-Radios, Bernd Hagenkord, es handele sich um einen Fall von Sabotage, mit dem die Reformfreude des Papstes gebremst werden solle.
Quelle: ntv.de