Mutmaßlicher Anschlag in der Türkei Pro-kurdischer Anwalt erschossen
28.11.2015, 13:07 Uhr
In Istanbul gehen die Menschen auf die Straße, um dem prominenten Anwalt die letzte Ehre zu erweisen: Die Polizei reagiert mit Wasserwerfen und Tränengas.
(Foto: REUTERS)
Der prokurdische Menschenrechtsanwalt Tahir Elçi hält eine Pressekonferenz ab, plötzlich fallen Schüsse. Elçi und zwei Polizisten sterben im Kugelhagel. Der Anwalt geriet zuletzt wegen seiner PKK-freundlichen Äußerungen ins Fadenkreuz der Erdogan-Regierung.
In Diyarbakir, im Südosten der Türkei, ist ein prominenter prokurdischer Anwalt erschossen worden. Der Vorsitzende der Anwaltskammer der Stadt, Tahir Elçi, sei von einer Kugel in den Kopf getroffen worden, als er eine Erklärung vor der Presse abgeben wollte, berichteten Augenzeugen. Nach Angaben aus Krankenhauskreisen war der Erdoğan-Kritiker in einen Schusswechsel geraten, an dem die Polizei beteiligt war. Medienberichten zufolge starben zwei Polizisten, Weitere wurden verletzt.
Von welcher Seite die tödlichen Schüsse abgefeuert wurden, blieb zunächst unklar. Die Anwaltskammer sprach von einem Anschlag. Auch der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu schloss ein Attentat nicht aus. Der Vorfall werde aufgeklärt, versprach Davutoglu. Wie auf Fernsehbildern zu sehen war, warb Elçi kurz vor seinem Tod vor Journalisten für Frieden in der Region: "Wir sagen, der Krieg, die Kämpfe, die Waffen, die Einsätze sollen fernbleiben von hier", sagte er. Auf weiteren Fernsehbildern sind Schüsse zu hören und zu sehen, wie sich Elci und Journalisten wegducken.
Festnahme wegen "Propaganda"
Erdoğan nutzte den Angriff als Bestätigung seiner Politik. Der Angriff zeige, wie richtig die Türkei mit der Bekämpfung des Terrors läge. Nach dem Ende der Friedensgespräche ist der Konflikt zwischen türkischen Streitkräften und der Arbeiterpartei in der Provinz Diyarbakır in vollem Gange. Immer wieder fliegt die türkische Armee Angriffe auf PKK-Stellungen.
Der bekannte Rechtsanwalt war im Oktober unter dem Vorwurf der "terroristischen Propaganda" für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorübergehend festgenommen worden. Gegen seine Festnahme hatte es Proteste auch vor dem Justizpalast in Istanbul gegeben. Gegner Elçis hatten eine Haftstrafe für ihn gefordert.
Elçi selbst hatte bei seiner Festnahme gesagt, das Vorgehen der Behörden zeige, wie schlecht es um die Meinungsfreiheit in der Türkei stehe. Grund für seine Festnahme war ein Fernsehinterview gewesen, in dem Elçi gesagt hatte, die PKK sei "keine terroristische Organisation".
In Istanbul setzte die Polizei am Abend Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten ein, die sich zum Gedenken an Elci auf der zentralen Einkaufsstraße Istiklal versammelten, wie DHA berichtete.
Quelle: ntv.de, jgu/apo/AFP/dpa