"Palästinenser sind nicht Hamas" Scholz: Wir lassen Menschen in Gaza nicht allein
18.10.2023, 12:12 Uhr Artikel anhören
Scholz dankte al-Sisi für seine Vermittlung im Krieg.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa Pool)
Es sei "deutsches Ziel", die Zivilisten im Gazastreifen zu schützen, sagt Bundeskanzler Scholz bei seinem Besuch in Ägypten. Er hofft, dass Grenzübergänge bald für humanitäre Hilfen geöffnet werden. Sein ägyptischer Amtskollege al-Sisi warnt vor einem Kontrollverlust.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi deutsche Hilfe bei den Bemühungen um eine Freilassung der von der islamistischen Hamas in Israel entführten Geiseln zugesagt. "Wir bemühen uns nach Kräften, ihre Freilassung zu erreichen", sagte Scholz in Kairo in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit al-Sisi. Scholz dankte al-Sisi für seine Bemühungen um Deeskalation und Vermittlung im Krieg zwischen der Hamas und Israel.
Scholz forderte rasche humanitäre Hilfe für die Menschen im abgeriegelten Gazastreifen. "Die Palästinenser sind nicht Hamas. Und die Hamas hat kein Recht, für die Palästinenser zu sprechen." Deutsches Ziel sei es, die Zivilisten in dem Küstenstreifen zu schützen und etwas gegen das menschliche Leid zu tun. Es müsse so schnell wie möglich einen humanitären Zugang zum Gazastreifen geben. "Die Menschen dort brauchen Wasser, Nahrung und Medikamente", sagte Scholz.
Der Kanzler versicherte dem ägyptischen Staatschef: "Wir lassen die Menschen nicht allein. Die Bundesregierung wird ihr humanitäres Engagement für Gaza fortsetzen, um das Leid der Zivilbevölkerung zu lindern." Scholz verlangte erneut, die Explosion an einem Krankenhaus im Gazastreifen sehr genau aufzuklären. "Auch dieser Vorfall verdeutlicht: Die Hamas hat mit ihrem schrecklichen Terrorangriff vom 7. Oktober schlimmes Leid über die Bürgerinnen und Bürger in Israel gebracht und in der Folge auch viel Leid über die Menschen in Gaza."
Aussicht auf humanitären Korridor
Scholz hoffe zudem, dass bald Grenzübergänge für humanitäre Einsätze geöffnet werden könnten. "Es hat sich was bewegt in den letzten Tagen." Die Bemühungen der Vereinigten Staaten, Deutschlands und vieler weiterer Länder hätten dazu beigetragen, "dass das jetzt hoffentlich bald bevorsteht." Die Menschen im Gazastreifen brauchten Wasser, Nahrung und Medikamente.
Scholz erläuterte, die Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen sähen sich in der Lage, diese Hilfe zu gewährleisten, "ohne dass die Hilfe in falsche Hände gerät". Das sei eine ganz wichtige Information. Dass sowohl Ägypten als auch Jordanien keine palästinensischen Flüchtlinge aufnehmen wollen, komme nicht überraschend. "Wir werden die Hilfe für die Menschen in Gaza schon in Gaza zustande bringen müssen", sagte Scholz. Internationale Organisationen hätten damit aber bereits Erfahrung.
Denn aus Furcht vor einer Massenflucht lehnt Ägypten weiterhin die Aufnahme palästinensischer Flüchtlinge aus dem Gazastreifen ab. Staatschef Abdel Fattah al-Sisi sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz: "Die Idee, die Menschen aus Gaza nach Ägypten (...) zu vertreiben, ist nicht umsetzbar und wir warnen vor den damit verbundenen Risiken." Die Sinai-Halbinsel könnte in dem Fall Ausgangspunkt für Angriffe militanter Palästinenser auf Israel werden, für die dann Ägypten verantwortlich gemacht werden könnte.
Ägypten fürchtet Kontrollverlust
Al-Sisi sagte, sollte es die Idee geben, Palästinenser zu vertreiben, "dann gibt es die Negev-Wüste." Al-Sisi forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, sofort einzugreifen, um die "vorsätzlichen Praktiken" gegen Zivilisten im von Israel abgeriegelten Gazastreifen zu stoppen. Die Einsätze der israelischen Armee in dem Küstenstreifen hätten militärische und humanitäre Auswirkungen, die außer Kontrolle geraten könnten. Es sei dringend notwendig, Perspektiven für eine Lösung zu eröffnen.
Der Gazastreifen grenzt im Süden an Ägypten. Der einzige Grenzübergang ist aber geschlossen. Nur über ihn könnten aktuell bereitstehende Hilfslieferungen in den Küstenstreifen gebracht werden. Terroristen hatten vor eineinhalb Wochen im Auftrag der im Gazastreifen herrschenden Hamas die Grenze zu Israel überquert und Massaker angerichtet. Israel greift seither nach eigenen Angaben Hamas-Ziele im Gazastreifen an.
Die Hamas steht der ägyptischen Muslimbruderschaft nahe, die in Ägypten als Terrororganisation eingestuft wird. Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi geht seit seiner Machtübernahme hart gegen die Muslimbruderschaft vor und hat immer wieder auch Islamisten wegen Verbindungen zur Hamas verurteilt. Ägypten hat wiederholt in Konflikten vermittelt, die zwischen Israel und islamistischen palästinensischen Fraktionen in Gaza ausgebrochen sind.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa