"Sternstunde" für die Partei Seehofer lässt CSU aufatmen - und hadern
05.11.2016, 14:38 Uhr
(Foto: REUTERS)
Am Ende ist es ein Arbeitsparteitag. Viele CSU-Delegierte empfinden dies nach den Personaldebatten der vergangenen Monate als wohltuend. Doch es ist nur ein Frieden auf Zeit. Die nächsten Diskussionen zeichnen sich schon ab.
Neues Grundsatzprogramm, ein Schritt zu auf die CDU im Streit um die Flüchtlingspolitik und die Festlegung auf einen neuen Gegner: Ein selbstbewusster Vorsitzender Horst Seehofer stimmt die CSU auf dem Parteitag auf die anstehenden Wahlkämpfe ein. "Das hat gut getan", sagt ein Delegierter. Es überwiegt die Erleichterung, dass wieder inhaltliche Arbeit in den Vordergrund rückt. Doch viele Parteimitglieder hat der bayerische Ministerpräsident noch nicht überzeugt. Zu wichtigen Punkten schweigt der 67-Jährige weiter.
Mit dem neuen Programm gibt sich die CSU ein deutlich konservativeres Profil. "Wir haben uns auf den Weg gemacht, unsere Grundsätze festzuhalten, wo andere sie über Bord geworfen haben", sagt Markus Blume, Leiter der verantwortlichen Kommission. Seehofer spricht von einer "Sternstunde für die CSU". Wichtigste Botschaft. "Wir sind keine Klientelpartei, die sich nur um eine politische Gruppe ohne Kompromisswillen kümmert. Wir sind Volkspartei." Damit will die CSU gegen die neue "Linksfront" von SPD, Linke und Grüne antreten, vor der in einem eigenen Leitantrag gewarnt wird.
Aufatmen bei den Abgeordneten
"Wann, wenn nicht jetzt", sagte etwa Birgit Birner aus der Oberpfalz zur neuen Partei-DNA. In den kommenden 14 Jahren gebe es lediglich zwei Jahre ohne Wahlen. Es sei ein arbeitsreicher Parteitag gewesen, wichtig für die Basisarbeit. "Hoch zufrieden" zeigt sich auch Bernd Liebhardt aus Kronach in Oberfranken. Vom Grundsatzprogramm mit den Forderungen nach einem Burkaverbot, einer Obergrenze für Flüchtlinge und mehr innerer Sicherheit sei er begeistert, auch wegen des "liberalen Tons". Zudem zeige die Partei klare Kante gegen den politischen Islam. Die eher nachdenkliche Rede Seehofers, in der er unter anderem die Demütigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einem Jahr an gleicher Stelle als groben politischen Fehler bezeichnete hatte, habe ihm gefallen. Heiko Arndt aus Egling spricht von einer bemerkenswerten Art und Weise der Orientierung.
Denn an der Basis haben es die Vertreter nach eigenem Bekunden vielfach schwer. Die Flüchtlingspolitik sei das dominierende Thema. Nie ging es den Menschen besser als heute und dennoch überwiegen Verlustängste, wie etliche Delegierte konstatieren. Das Vertrauen in die politischen Entscheidungen sei verloren gegangen, heißt es immer wieder. Einigkeit herrscht, dass sich eine Situation wie im Vorjahr, als Tausende Flüchtlinge im Tagestakt den Freistaat erreichten, nicht wiederholen dürfe. Hinzu kommt: Es fehle immer öfter die Leidenschaft, die Politik der CSU zu vertreten, klagt ein altgedienter Kreisrat.
Doch bei aller Einigkeit - in anderen Fragen ist die Basis weiter gespalten. Er werde nicht mit einer Kandidatin Merkel in den Bundestagswahlkampf gehen, sagte etwa Sebastian Schlutz aus Freyung bei Passau. Und dies sei auch die Meinung an der Basis. Mit Merkel werde man sich nicht nur um das Wahlergebnis im kommenden September sorgen müssen - auch bei der Landtagswahl 2018 sei es dann mit der absoluten Mehrheit der CSU im Freistaat vorbei, sagt er. "Sie macht gute Arbeit", meint dagegen Birner. Natürlich solle sie nochmal antreten. Auch Herbert Schütz vom Kreisverband Regensburg Land hält Merkel für die beste Kandidatin.
"Dieses Fass aufgemacht"
Überhaupt seien die Unterschiede zwischen den Unionsschwestern gar nicht so gewaltig, heißt es bei anderen. Das Thema Obergrenze - reine Wortklauberei, heißt es aus Schneizlreuth bei Bad Reichenhall. Angeblich werde im Hintergrund bereits an einer nicht ganz so starren Obergrenze gearbeitet, meint ein anderer Delegierter.
Und noch ein Thema beschäftigt den Parteitag: Seehofer hat seinen Rückzug vom Amt des Ministerpräsidenten und Parteichefs in Aussicht gestellt - danach aber dazu geschwiegen. Er habe sich Auskünfte dazu gewünscht, sagte Schütz. Für Arndt aus Egeling gehören Personaldebatten auch nicht auf diesen Parteitag. Allerdings finden sich auch viele Delegierte, die Seehofer zu einer raschen Entscheidung drängen, nachdem dieser nun "dieses Fass aufgemacht hat". Zum Jahreswechsel will etwa Schlutz Klarheit. Seehofer und der als Kronprinz gehandelt Finanzminister Markus Söder sollen sich zusammensetzen und dies Klären, fordert Liebhardt aus Oberfranken.
Ob es dabei zur Trennung von Parteichef und Regierungsamt kommen soll, ist unter den knapp 950 Delegierten ebenfalls umstritten. Viele würden eine solche Entscheidung vom Personal abhängig machen, andere von der Ausrichtung der Partei in der Nach-Seehofer-Ära. Und der Chef? Seehofer verzichtete am zweiten Tag auf eine längere Rede. Doch er arbeitet bereits an seiner Rolle in der Parteigeschichte. Die Grundsatzprogramme der Vergangenheit seien von "absoluten Übergrößen der Partei" verantwortet worden. Nun habe eine Kommission, "die ich vor zwei Jahren eingesetzt habe", ein neues Programm fertiggestellt, sagt er.
Quelle: ntv.de