Politik

Schwestern-Clinch in der Union Seehofer triezt Playmobil-Merkel

Zuletzt selten einer Meinung: Kanzlerin Merkel und Bayerns Ministerpräsident Seehofer, hier beim CSU-Parteitag im November 2015.

Zuletzt selten einer Meinung: Kanzlerin Merkel und Bayerns Ministerpräsident Seehofer, hier beim CSU-Parteitag im November 2015.

(Foto: imago/Sebastian Widmann)

Die Umfragen sind schlecht, die Stimmung mies: CDU und CSU sind so zerstritten wie lange nicht. In der Union geht eineinhalb Jahre vor der Wahl die Angst um. Aber sollte man deshalb künftig getrennte Wege gehen?

Im Keller von Horst Seehofer ist Angela Merkel nur eine Playmobilfigur. Kürzlich führte der bayerische Ministerpräsident Bahn-Chef Rüdiger Grube ins Untergeschoss, in dem seine Modelleisenbahn steht. Seehofer deutete auf eine Figur mit rotem Blazer und braunen Haaren, die an einem der Bahnhöfe steht. Angela Merkel. "In entspannten Zeiten ist sie die Chefin der Anlage, in schwierigeren Zeiten - Fensterbank", sagte Seehofer in der ARD-Dokumentation und grinste spitzbübisch.

Eine solche Playmobil-Figur der Kanzlerin schmückt auch die Modeleisenbahnanlage Horst Seehofers.

Eine solche Playmobil-Figur der Kanzlerin schmückt auch die Modeleisenbahnanlage Horst Seehofers.

(Foto: picture alliance / dpa)

In den vergangenen Monaten dürfte Playmobil-Merkel das Treiben im Seehoferschen Spielekeller wohl meist von der Fensterbank verfolgt haben. Zu weit lagen die beiden auseinander. Dass die bayerische Staatsregierung nach monatelangen Drohungen doch keine Verfassungsklage gegen den Bund einreicht, ändert daran wenig. Im elften Jahr von Merkels Kanzlerschaft ist das Verhältnis schwierig wie lange nicht und wenig schwesterlich.

"Es ist nicht so harmonisch, das ist die Wahrheit und macht mir Sorgen. Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, dass es wieder harmonisch wird", sagt Fraktionsvize Franz-Josef Jung n-tv.de. CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt sagte in der vergangenen Woche, der Streit um die Flüchtlingspolitik habe die Schwesterparteien "tiefgreifend entfremdet".

"Getrennt wird es nicht zum Erfolg führen"

Eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl deutet kaum etwas darauf hin, dass CDU und CSU ihren 41,5-Triumph von 2013 wiederholen können. Die Union liegt bei den Meinungsforschern nur noch zwischen 30 und 33 Prozent. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, könnten 60 Abgeordnete ihren Job verlieren. Die AfD hat nicht nur ehemalige Unionswähler abgeworben, sie hat sich rechts von der Union etabliert. Der über Jahrzehnte geltende Anspruch des früheren CSU-Chefs Franz-Josef Strauß gilt nicht mehr. Rechts ist nicht mehr nur die Wand, sondern die AfD. Die Partner schieben sich dafür gegenseitig die Schuld zu.

In der CDU verdrehen sie angesichts der ständigen Drohungen aus Bayern genervt die Augen, die CSU sieht in Merkels Flüchtlingspolitik die Ursache für das Erstarken der AfD. Den Christsozialen ist die Union zu sozialdemokratisch. Am Wochenende kündigte die Partei einen eigenen Bundestagswahlkampf an: mit Seehofer als Spitzenkandidat. Den Wählern soll klar gezeigt werden, dass sie nicht Merkel, sondern die CSU wählen. Generalsekretär Andreas Scheuer sieht darin nichts Revolutionäres. "Die CSU hat als eigenständige Partei, mit eigenständigem Profil und Programm immer auch einen eigenständigen Wahlkampf geführt. Das war auch 2013 so." Das Ziel sei jedoch eine geschlossene Linie von CDU und CSU. "Dafür müssen wir die vielen Gemeinsamkeiten verstärken und Differenzen abräumen."

Dabei kursieren weit düsterere Szenarien wie ein mögliches Ende der Fraktionsgemeinschaft. Erst am Wochenende bemerkte Bayerns Finanzminister Markus Söder, seine Partei und die CDU seien weiter voneinander entfernt als 1976. Damals hatte die CSU das Bündnis kurzzeitig aufgekündigt. CDU-Politiker Jung widerspricht Söder. "Das stimmt nicht. Ich habe das damals miterlebt, er nicht." In der CDU kann man dem Trennungsgedanken wenig abgewinnen. "Geschlossenheit ist die Voraussetzung für Erfolg. Wir gehen nur gemeinsam in die Wahl, getrennt wird es nicht zum Erfolg führen. Das wäre nicht klug", sagt Jung. Sein CDU-Kollege Andreas Mattfeldt sagt: "Der Geist von Kreuth schwirrt alle paar Jahre durch die CSU. Es wäre der falsche Weg." Dass Seehofer wirklich ernst macht, glaubt niemand.

"Menschlich harmoniert es nicht so"

Laut einer Infratest-Umfrage fänden es 45 Prozent der Deutschen gut, wenn CSU bundesweit wählbar wäre, sogar 77 Prozent der CSU-Anhänger sehen das so. Aber selbst in der CSU hat sich bislang kein CSU-Spitzenpolitiker offen für eine Ausdehnung ausgesprochen. Ob es 2017 einen CSU-Kanzlerkandidaten Seehofer geben könnte? "Nein, diese Frage stellt sich nicht", sagt Scheuer. Auf die Frage, ob Merkel die bayerischen Interessen zu wenig berücksichtige, sagt er: "Wir kommen definitiv nicht zu kurz in der Union, aber uns treibt die Situation um: die schlechten Umfragen im Bund und die Veränderung der politischen Landschaft. Das darf sich nicht verfestigen."

Doch nicht nur zwischen den Schwesternparteien rumort es im Streit über eine Neuausrichtung. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haselhoff ging zuletzt deutlich auf Distanz zur Kanzlerin. "Wir sind inhaltlich und personell viel zu schmal geworden. Wir müssen wieder breiter werden, um den rechten demokratischen Rand für uns zu reklamieren", sagte er der "Welt". "Die Philosophie, die CDU solle sich ausschließlich auf die Mitte konzentrieren, muss durchdacht werden." Haselhoff spricht für viele in der Partei. In der Mitte, wo mit CDU, Grünen und SPD gleich drei Parteien um die Wähler werben, ist es eng geworden. Der mögliche Ausweg: die Besinnung auf konservative Positionen, die aus Sicht vieler Christdemokraten vernachlässigt worden sind.

Wie das geschehen soll, darüber sind sich jedoch fast alle einig: mit der CSU. Denn ohne deren Rückendeckung dürfte es 2017 schwierig werden. Der Bundestagsabgeordnete Mattfeldt fordert, programmatisch mehr Zugeständnisse an die CSU zu machen. Er sieht aber noch andere Gründe für die Krise. "Ich habe den Eindruck, dass die Spitzen der Parteien nicht häufig genug miteinander sprechen. Man müsste abends bei einem Glas Wein auch mal persönliche Dinge in den Vordergrund stellen. Menschlich harmoniert es nicht so, wie man sich das bei zwei Schwesterparteien wünschen würde."

Merkel, Seehofer und ein Glas Wein – möglicherweise kann das die Kanzlerin zumindest im Keller des CSU-Chefs vor einer dauerhaften Versetzung auf die Fensterbank retten. Wer Seehofer kennt, weiß jedoch auch: Ein Burgfrieden ist selten von langer Dauer.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen