Minsker Abkommen schon gescheitert? Separatisten wollen Grenze kontrollieren
14.02.2015, 15:22 Uhr
Prorussische Separatisten an der ukrainisch-russischen Grenze. Auf dem Fahrzeug steht: "Nach Kiew".
(Foto: REUTERS)
Die in Minsk ausgehandelte Vereinbarung sieht vor, dass die ukrainische Regierung die Kontrolle über die komplette Grenze zu Russland wiederbekommt. Doch davon wollen Separatisten im Osten des Landes nichts wissen.
Wassili schiebt Dienst an einem Grenzübergang zwischen der Ukraine und Russland. Der prorussische Separatist ist überzeugt, dass er das auch in einigen Monaten tun wird. Und das neue Minsker Abkommen, wonach Kiew - nach Lokalwahlen und in Absprache mit der lokalen Führung - wieder für die Grenzkontrollen zuständig sein wird? "Daran glaube ich nicht, wir bleiben, wo wir sind", sagt er höhnisch.
Wie fast überall im Land stößt das neue Abkommen auch in der Ostukraine auf Skepsis. Es soll dafür sorgen, dass die Waffen schon ab diesem Sonntag schweigen - und dann der Konflikt auch politisch befriedet wird. Ein Punkt regelt auch die spätere Zuständigkeit für die Grenzkontrollen - sie geht zurück an Kiew, aber erst nach den Wahlen und einer Einigung über den künftigen Status der prorussischen "Volksrepubliken Lugansk und Donezk".
Für Kiew wäre die Regelung nur dann vertretbar, wenn proukrainische Kräfte bei den Kommunalwahlen siegten - aber das gilt derzeit als wenig wahrscheinlich. Das weiß auch Separatist Wassili. "Laut dem Abkommen ist Kiew zum Jahresende wieder für die Grenzkontrolle zuständig, aber nur in Übereinkunft mit den lokalen Behörden - de facto mit uns. Es wird sich also nichts ändern", spottet der 43-Jährige, der vorsichtshalber seinen vollen Namen nicht nennen möchte, da Verwandte von ihm in der Westukraine leben und er Probleme befürchtet.
Die Separatisten kontrollieren auf rund 400 Kilometern die gemeinsame Grenze mit Russland. Die Regierung in Kiew und der Westen beschuldigen Moskau, über diese Grenze die Separatisten mit Panzern, modernen Waffen und Soldaten zu unterstützen. Der Kreml weist den Vorwurf zurück. Die Frage der Grenzkontrollen ist somit ein wichtiger Punkt bei der Lösung des Konflikts.
Der Grenzübergang, an dem Wassili steht, liegt bei Uspenka, einem Dorf mit 1200 Einwohnern. Dort sind die Spuren der Kämpfe vom vergangenen August, als die Rebellen die Kontrolle übernahmen, noch deutlich zu sehen. Für Bürgermeister Alexander Denisow bedeutet das Minsker Abkommen nur Verdruss: Seitdem hätten viele Bewohner voller Sorge bei ihm angerufen, weil sie nicht wollten, dass Kiew wieder für die Grenzkontrollen zuständig sei, berichtet er.
"Ich habe sie beruhigt und ihnen gesagt, dass sich nichts ändern wird", sagt er. Und fügt hinzu: "Das Abkommen hat sowieso keine Zukunft." Es sei "naiv", an den Frieden zu glauben - "oder an einen echten Waffenstillstand".
"Ich glaube gar nichts mehr"
Dass viele Bürger aus der Region denken wie Denisow, zeigt der anhaltende Flüchtlingsstrom nach Russland. Auch am Freitag und damit nach dem Treffen in der weißrussischen Hauptstadt warten wieder unzählige Busse und Autos in Uspenka stundenlang darauf, die Grenze passieren zu können. "In den vergangenen Tagen waren es täglich zwischen 2000 und 4000 Menschen", sagt Wassili. "Sie kommen aus den am heftigsten umkämpften Gebieten - Debalzewe, Gorliwka, Donezk".
Zu ihnen gehört auch die 27-jährige Swetlana. Worte wie Minsker Abkommen, Frieden, Waffenruhe kann sie nicht mehr hören. Sie hat ihr Haus in der Nähe des immer wieder bombardierten Flughafens von Donezk verlassen und will nur noch weg: "Ich glaube gar nichts mehr", sagt sie bitter. "Nach jeder Waffenruhe, jedem Waffenstillstand wurden wir noch ein bisschen heftiger beschossen als vorher".
Wassili wirkt plötzlich nachdenklich: "Das Jahresende liegt noch in weiter Ferne, und niemand weiß, ob der Waffenstillstand länger hält als eine Woche oder wie lange das Friedensabkommen hält", sagt er. Und dann, noch nachdenklicher: "Wir würden ja gerne an Frieden glauben, aber das ist schwer".
Quelle: ntv.de, Von Nicolas Miletitich, AFP