Politik

Showdown im Schuldenstreit "Sie statuieren an uns ein Exempel"

Blick von der Akropolis auf Athen.

Blick von der Akropolis auf Athen.

(Foto: AP)

"Wir haben nie eine Chance bekommen", sagen Syriza-Unterstützer in Griechenland. Für sie ist klar: In anderen Ländern wollen die Eliten eine linke Regierung scheitern sehen.

Wer wissen will, was die Syriza-Regierung in Griechenland antreibt, findet im Gesundheitsministerium im Zentrum von Athen eine Antwort. In dem heruntergekommenen Gebäude geht es zu, wie es in russischen Behörden nach der Revolution zugegangen sein mag. Man ist noch dabei, sich einzurichten, nachdem die Vorgänger das Haus fluchtartig verlassen haben. Sie nahmen sich allerdings die Zeit, ihren Nachfolgern den Einzug so unbequem wie möglich zu machen. "Als wir hier eingezogen sind, gab es weder Papier noch Stifte", sagt eine Mitarbeiterin des Ministers. Sogar einige Toilettensitze fehlten.

Hier tragen die Mitarbeiter Straßenkleidung. Jeans, Turnschuhe, Polohemden sind das bevorzugte Outfit. Jacketts oder Krawatten? Fehlanzeige. Die Sessel in den Gängen sind abgenutzt, nicht jede Glühbirne funktioniert. Improvisiert wirkt das alles, aber nicht unsympathisch.

Syriza will anders sein. Anders als die "alten Eliten", die das Land jahrzehntelang regiert haben. Die konservative Nea Dimokratia und die sozialdemokratische Pasok haben in ihren Augen das Land heruntergewirtschaftet und sind für ausufernde Bürokratie, miese Verwaltung, Günstlingswirtschaft und Korruption verantwortlich. Sie seien es gewesen, die dafür die Strukturen geschaffen hätten, sagt Gergios Vasiliades, der von Ministerpräsident Alexis Tsipras als oberster Korruptionsbekämpfer eingesetzt worden ist.

"Die wollen uns scheitern sehen"

Wer sich für Syriza engagiert, hat eine Mission: das Land umkrempeln, für soziale Gerechtigkeit sorgen, das von außen erzwungene "Spardiktat" beenden. Und so sind ihre Gegner nicht nur die alten Machtstrukturen Griechenlands, sondern auch die "europäischen politischen und wirtschaftlichen Eliten". Denn diese würden rücksichtslos ihre neoliberale Ideologie in Griechenland durchsetzen. Die Folgen: Wirtschaftseinbruch, Massenarbeitslosigkeit, Armut. "Humanitäre Krise", heißt das hier.

"Die Kreditgeber statuieren an uns ein Exempel", sagt Dimitri, ein Beamter im Ausbildungsministerium, der seit Jahren Syriza wählt. "Sie wollen dem Rest Europas zeigen: Seht, das passiert, wenn ihr unseren Vorgaben nicht folgt." Deshalb müsse die Regierung mit ihrem Widerstand gegen den Sparkurs den anderen betroffenen Ländern Europas ein Beispiel geben.

Syriza ist nicht nur angetreten, um Griechenland verändern, sondern ganz Europa. "Wieso sollte das ein Fehler gewesen sein?", sagt Theano Fotiou, die Vize-Arbeitsministerin im Kabinett von Tsipras. "Syriza ist eine pro-europäische Partei. Aber wir sind für ein anderes Europa. Die EU hat alle Werte, die sie eigentlich vertreten will, längst aufgegeben: Demokratie, Respekt vor dem Willen des Volkes, Solidarität."

"Die wollen uns scheitern sehen", sagt Korruptions-Bekämpfer Vasilidiadis mit Blick auf die Kreditgeber. Auch andere sehen darin den Grund für den Kurs der Gläubiger. Für sie hat Syriza nach dem Wahlsieg nicht nur das Mandat der Griechen, sondern spricht auch im Namen anderer Völker. Es ist eine typisch linke Sichtweise: Danach verläuft die Grenze nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten. "Das ist nicht das Europa der Völker, sondern das Europa der Eliten", sagt eine Frau während einer Demonstration von Regierungsunterstützern in Athen. "Wir Griechen werden für den Euro geopfert", sagt eine andere. Für die Demonstranten ist klar: Den internationalen Gläubigern ging es mit den Krediten nur darum, die europäischen Banken zu retten. Und die Lasten dafür müssen nun die Griechen tragen.

Der konservative Finanzminister Deutschlands taugt als Symbol für die hier als unerbittlich und ungerecht wahrgenommene Haltung der Gläubiger. "Wir haben nie eine Chance bekommen", sagt Dimitri. Dabei habe die Vorgängerregierung unter Ministerpräsident Antonis Samaras Milliarden bekommen, obwohl jeder gewusst habe, dass dieser seine Versprechen niemals halten werde.

Wahrscheinlich ist die griechische Regierung für Wolfgang Schäuble wirklich eine Gruppe linker Träumer, die man mit der harten Realität konfrontieren muss. Das empört hier viele. Was die meisten Syriza-Aktivisten nicht wissen: Schäuble spricht vielen Deutschen aus der Seele.

Quelle: ntv.de

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