Politik

Die "freundlichen Rechten" So kommen Chrupalla und Weidel in den Fernseh-Talkshows rüber

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Tino Chrupalla und der Journalist Olaf Sundermeyer waren im Januar in der Talkshow von Sandra Maischberger.

Tino Chrupalla und der Journalist Olaf Sundermeyer waren im Januar in der Talkshow von Sandra Maischberger.

(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

An diesem Wochenende dürfte die AfD ihr aktuelles Führungsduo auf einem Parteitag in Essen bestätigen. Nach außen sind Alice Weidel und Tino Chrupalla die Gesichter der Partei. In ihrer Wirkung sind sie recht unterschiedlich.

Mitte Juli vor zwei Jahren im sächsischen Riesa. Dort wählen die AfD-Delegierten auf ihrem Bundesparteitag ihre neuen Bundessprecher, wie die Parteichefs bei der AfD genannt werden. Zum ersten Mal wird Alice Weidel in dieses Amt gewählt. Sie ist schon seit mehreren Jahren Fraktionschefin im Bundestag. Sie erhält 67 Prozent der Stimmen. Ihrem Kollegen scheinen seine Parteifreunde weniger gewogen zu sein. Nur gut 53 Prozent der Delegierten stimmen für ihn, zwei Prozent weniger als bei seinem schwachen Ergebnis drei Jahre zuvor, als er zum ersten Mal gewählt wird.

2022 hatte sich die AfD bewusst für eine Doppelspitze entschieden. Allerdings hatten die Delegierten auch klargestellt: Das müsse auf Dauer nicht so bleiben. Aber wie das so ist mit Provisorien - sie halten länger als man denkt. Am kommenden Wochenende werden sich beim AfD-Parteitag in Essen wiederum beide, Weidel und Chrupalla, zur Wahl stellen. Sie wollen weitere zwei Jahre Parteichefs sein. Doch wie haben sie sich in den letzten Jahren bei ihren Fernsehauftritten geschlagen? Sind sie geeignet für das Bild der Partei, das sich ein neues Netzwerk von AfD-Politikern wünscht?

"Definieren Sie rechtsextrem"

Lange wussten Moderatorinnen und Moderatoren von Talkshows und anderen Politiksendungen nicht, wie sie mit der AfD umgehen sollten. Ignorieren konnte man sie nicht, denn die AfD war im Bundestag und in allen Landtagen vertreten. Aber sollte man eine in Teilen rechtsextremistische Partei, die der Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall einstuft, den Zuschauern zumuten? Wie man sich bei den Fernsehsendern letztendlich entschlossen hat, ist nicht ganz klar. Fakt ist: Politiker der AfD sind seltener in Talkshows zu Gast als jene der anderen Bundestagsfraktionen. Liegt es daran, dass die AfD seltener eingeladen wird? Oder sagen AfDler häufiger ab? Das Misstrauen ist jedenfalls auf beiden Seiten groß.

Dabei ist gerade Tino Chrupalla für Talkshow-Moderatoren ein Gast, den man gut einschätzen kann. Das hat sich in den fünf Jahren an der AfD-Spitze auch nicht geändert. Darf er über sein Privatleben sprechen, gibt er sich menschlich, freundlich und jovial. Er ist stolz auf seinen Malerbetrieb in seinem Heimatort Gablenz, den er Ende 2020 aufgegeben hat. Chrupalla gibt sich bodenständig, heimatverbunden. Er liebe das Landleben, erzählte er jüngst bei Caren Miosga in der ARD.

Doch wenn es ernst wird, dann wird Chrupalla ein anderer Mensch. Er ist streng auf Parteilinie. Von anderen Politikern unterscheidet ihn, dass er mit Vorschlägen geizt, die seine Partei weiter entwickeln könnten. Wenn der Wind von vorne bläst, und wenn es auch nur ein laues Lüftchen ist, dann zeigt sich: Er stellt sich selten vor seine Parteikollegen. So wie vor den Europawahlen, als die Luft für die beiden EU-Spitzenkandidaten dünn zu werden begann. Oder wie Anfang des Jahres. Da hatte seine Co-Chefin Alice Weidel der Bundesregierung in einer Rede vor dem Bundestag vorgeworfen: "Sie hassen Deutschland." Kurz danach wird Chrupalla von Markus Lanz im ZDF darauf angesprochen. Na ja, lässt sich Chrupalla hören, das sei die Meinung von Frau Weidel, man könne das so sagen, das sei nicht rechtlich verboten, und das sei halt ihr Stil, man solle sich doch mal die Politiker der anderen Parteien anhören. Einen Satz sagt er nicht: "Frau Weidel hat recht."

Oder im vergangenen November. Da sitzt Chrupalla wieder bei Lanz. Der will wissen, warum sich bisher fast niemand aus der AfD zum Überfall der Hamas-Terroristen auf Israel geäußert habe. Auch der rechtsextreme AfD-Landeschef Björn Höcke nicht, der gerne Ministerpräsident in Thüringen werden will. "Da müssen Sie Herrn Höcke fragen", antwortet Chrupalla. Und auch das ist typisch für ihn: Obwohl er einer von zwei AfD-Bundessprechern ist, gewinnt man oft den Eindruck, Chrupalla könne nicht wirklich für seine Partei sprechen und interessiere sich nicht sonderlich für andere Mitglieder. Die Bücher, die Höcke und Krah geschrieben haben? Es scheint, als kenne er den Inhalt nicht, nicht mal grob, obwohl breit darüber berichtet wurde. So entgegnet er nur Plattitüden, als Caren Miosga ihn vor einigen Wochen mit Fragen zum Frauenbild der Partei konfrontiert. Chrupalla wirkt unvorbereitet. Frauenfeindliche Aussagen von EU-Spitzenkandidat Krah scheint er nicht zu kennen.

Was seit Jahren auffällt: Wenn es um Kritik an der AfD geht, wird Chrupalla schnell nervös, wirkt unsicher, beginnt zu stottern, vergisst die Grammatik, wird laut. Klar formulierten Fragen weicht er dann aus. "Definieren Sie rechtsextremistisch", beantwortet Chrupalla im vergangenen November die Frage von Markus Lanz, ob es in der AfD rechtsextremistische Politiker gebe. Vor allem mit Talkgästen, die eine andere Meinung vertreten, kommt Chrupalla oft nicht gut klar.

Doch offensichtlich prallen seine Talkshow-Patzer an seinem dicken Fell ab. Im Gegensatz zu seiner Kollegin Alice Weidel.

"Die Pannenministerin Baerbock"

Im Fernsehen tritt sie nicht oft auf - da werden Fragen gestellt, auf die muss sie antworten. Bei ihren Auftritten im Bundestag ätzt sie. Vor einigen Jahren kündigt Weidel das Ende der "Political Correctness" an. Vor allem für sich. Wenn andere politisch unkorrekt sind, wirkt sie sehr dünnhäutig.

Sie hat ein Lieblingsthema: Migrantinnen und Migranten. Die müssen weg. Sie beklagt, dass "Pannenministerin Baerbock" bei einem Besuch in Afghanistan nicht nur mit zwei Helfern nach Hause gekommen ist, sondern dass diese auch ihre Familien mitbringen durften.

Dabei kann sie Talkshow. Bei ihren seltenen TV-Auftritten kann sie durchaus sympathisch wirken, wie ja auch ihr Co-Chef Chrupalla. Klar: Beide haben das Ziel, dass die AfD gewählt wird. Doch Weidel bringt das deutlich professioneller rüber. In Talkshows wirkt sie gut vorbereitet und weniger hölzern. Wenn es darauf ankommt, nimmt sie den Kampf mit anderen Politikern auf. Zum Beispiel gegen Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP vor ungefähr einem Jahr bei Maischberger im Ersten. Doch in dieser Sendung zeigt sich auch ein Problem der Politikerin: Wird sie unterbrochen, verliert sie ihr Konzept, wird unsicher. Wie sich in der Elefantenrunde nach der Europawahl auf ntv zeigt, hat sie an sich gearbeitet. Sie lässt sich nicht mehr unterbrechen, wirkt selbstsicherer.

Trotz ihrer seltenen Talkshow-Auftritte scheut Weidel die Öffentlichkeit nicht. Sie hat einen Youtube-Kanal, postet auf Telegram und X. Damit erreicht Weidel vor allem ihre Anhänger. Die nehmen es ihr auch nicht übel, dass sie häufig hochnäsig und arrogant rüberkommt.

Was beide Politiker eint: Sie gerieren sich als Sauberfrau und Saubermann der AfD. Der neue EU-Spitzenmann René Aust - Platz drei der Europaliste und nur durch die Ausfälle von Platz eins und zwei ins Rampenlicht geraten - reiht sich in diese Parteispitze gut ein. Auch er kann bürgerlich-gelassen auftreten. Dabei ist er durchaus radikal. Er gehört zur Clique um den Thüringer AfD-Landeschef Höcke. Und zum Münzenmaier-Netzwerk.

Das ist ein Netzwerk um den Bundestagsabgeordneten Sebastian Münzenmaier, das aus jungen AfDlern besteht und inhaltlich voll auf Höcke-Kurs ist, nur ohne den Schwulst. Münzenmaiers Ziel: Die AfD muss an die Macht. Er setzt sich dafür ein, dass die Partei ihr Schmuddel-Image verliert - in Frankreich waren Marine Le Pen und ihre Partei mit diesem Kurs der "Entteufelung" sehr erfolgreich. Die Spitzenpolitiker sollen verbindlich rüberkommen, unsichere Wähler nicht verschrecken. Das wahre rechtsextreme Gesicht der AfD soll sich nur in Hinterzimmern zeigen.

Beim AfD-Parteitag in Essen wird sich zeigen, wie gut Münzenmaier und Co. schon vernetzt sind. Denn klar ist: Weidel kann das neue AfD-Bild repräsentieren. Chrupalla dagegen hat Schwächen, die er nicht ablegen kann. Für das Münzenmaier-Netzwerk ist er ein Parteichef auf Zeit, sagen Kenner der Partei. Fraglich ist, wie viel Zeit ihm noch bleibt. Und ob die "jungen Zahmen" die AfD zur "Partei der freundlichen Rechten" umbauen können.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen