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Umjubelte Rede vor NATO-Gipfel Tausende feiern Selenskyj in Vilnius

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Für Selenskyjs Anhänger in Vilnius ist klar - die Ukraine muss NATO-Mitglied werden.

Für Selenskyjs Anhänger in Vilnius ist klar - die Ukraine muss NATO-Mitglied werden.

(Foto: picture alliance/dpa)

Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen sein Land hält der ukrainische Präsident Selenskyj in Präsenz eine Rede vor einer großen Menschenmenge. Bei einem Auftritt in der Altstadt von Vilnius wird er von Tausenden Anhängern gefeiert. Nur wenige Kilometer entfernt, auf dem NATO-Gipfel, ist die Stimmung eine ganz andere.

Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Vilnius vor die Menge tritt, ist das Votum klar: Die Ukraine muss Mitglied der NATO werden, sie hat es sich durch ihren mutigen Kampf gegen Russland verdient! Das jedenfalls ist die einhellige Meinung der Bürgerinnen und Bürger der litauischen Hauptstadt, die Selenskyj im Zentrum von Vilnius zujubeln.

"Die NATO gibt der Ukraine Sicherheit, die Ukraine macht die NATO stärker" - auf diese einfache Formel bringt Selenskyj den Wunsch seines Landes nach einer Beitrittseinladung. Tausende Menschen jubeln ihm bei seinem Auftritt zu, schwenken ukrainische Flaggen und feiern den schwarz gekleideten Selenskyj wie einen Rockstar.

Nur wenige Kilometer entfernt kommen die Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder zu einem gänzlich anderen Ergebnis: Sie schieben die von Selenskyj erhoffte Einladung auf die lange Bank. "Wir werden in der Lage sein, die Ukraine zu einem Bündnisbeitritt einzuladen, wenn die Verbündeten sich einig und Voraussetzungen erfüllt sind", heißt es in dem Gipfelkommuniqué. Auf diesen Satz haben sich die NATO-Länder nach wochenlangen zähen Verhandlungen geeinigt, selbst auf dem Gipfel wird noch um jedes Komma gefeilscht. US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz verhindern klarere Zusagen.

"Das Richtige" tun?

Im Klartext heißt die Erklärung von Vilnius: Kein schneller Beitritt der Ukraine, denn dieser würde die NATO "in einen Krieg mit Russland" hineinziehen, wie Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan in Vilnius warnt. Scholz betont, er habe sich eng mit dem US-Präsidenten abgestimmt, damit "wir hier genau das Richtige tun".

Das "Richtige" ist für Selenskyjs Anhänger aber genau das Falsche. "Wir unterstützen den NATO-Beitritt der Ukraine", sagt etwa Ieva Vasiliauskaite, die Selenskyj zugejubelt hat. Die Ukrainer kämpften schließlich "für ganz Europa" gegen Russland, betont die Litauerin.

Kurz bevor sich Selenskyj in Vilnius auf die Bühne tritt, hat er die NATO mit scharfer Kritik überzogen. Er nennt es auf Twitter "absurd", dass sich das Bündnis noch nicht mal auf einen Beitritts-Fahrplan für die Ukraine einigen kann. Das ermutige Russland noch im Terror gegen sein Land.

Vasiliauskaite sagt, sie habe mit Selenskyj gezittert und auf ein "positives Votum" des NATO-Gipfels gehofft. Dabei kommen der jungen Frau hinter ihrer Sonnenbrille die Tränen. "Vielleicht versteht nicht jeder im Westen, was es bedeutet, unter Besatzung zu leben und blutige Opfer zu bringen", sagt sie unter Anspielung auf die Sowjet-Zeit bis 1991.

Ein kleiner Schritt für die Ukraine, ein großer Sprung für die NATO

Litauens Präsident und NATO-Gipfelgastgeber Gitanas Nauseda hat Selenskyj seinen Überraschungsauftritt ermöglicht. Er tritt gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten und dessen Frau Olena auf die Bühne, die in Vilnius für ein Sommerkonzert aufgebaut ist. Selenskyj nutzt die Gunst der Stunde: "Ukrainische Flaggen auf Litauens Straßen beweisen, dass wir bereits Verbündete sind", ruft er der Menge zu, unter der viele Familien mit Kindern sind. Hinter ihm wird das Twitter-Schlagwort #UkraineNato33 eingeblendet - als Anspielung darauf, dass die Ukraine nach Finnland und Schweden das 33. Mitglied der Militärallianz werden will.

Während ein Sänger mit starkem Tremolo die ukrainische Hymne schmettert, wird eine ukrainische Flagge gehisst, die Soldaten aus der umkämpften Stadt Bachmut geholt haben. "Ruhm der Ukraine! Ruhm für Litauen", ruft Selenskyj seinen Fans noch zu, bevor er zu einem Abendessen mit den Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder fährt.

Auch der ukrainische Präsident weiß: Der Gipfelkompromiss von Vilnius mag ein kleiner Schritt für die Ukraine sein, aber er ist ein großer Sprung für die Allianz. Bündnis-Generalsekretär Jens Stoltenberg stellt fest, es habe noch "nie eine stärkere Sprache der NATO zur Mitgliedschaft" der Ukraine gegeben.

Quelle: ntv.de, Stephanie Lob, AFP

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