Politik

Gute Show im Kanzleramt Tsipras bringt Merkel den Frühling

Die Charme-Offensive begann schon auf dem Roten Teppich: Merkel und Tsipras vor dem Kanzleramt in Berlin.

Die Charme-Offensive begann schon auf dem Roten Teppich: Merkel und Tsipras vor dem Kanzleramt in Berlin.

(Foto: REUTERS)

Deutschland und Griechenland wollen nicht mehr streiten, das ist das zentrale Signal von Kanzlerin Merkel und Ministerpräsident Tsipras. Der griechische Regierungschef hat allerdings noch den Hinweis auf zwei "Fakten" mit nach Berlin gebracht.

Wenn das eine Show war, dann war sie gut. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich bei ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz viel Mühe gegeben, harmonisch zu wirken. Merkel trug zwar fast durchgängig das für sie typische sibyllinische Pokerface. Aber sie betonte, wie wichtig eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" sei.

Tsipras dagegen trat mit einem Lächeln ans Pult und fasste der Bundeskanzlerin am Ende der Pressekonferenz freundlich an den Arm, um sie an sich vorbei zu geleiten. "Sie sehen es schon: Ich habe das gute Wetter aus Griechenland mitgebracht. Sie haben ja Frühlingswetter hier in Berlin, und dieses Klima sollte auch in den Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern anhalten!" Das Signal von beiden war überdeutlich: Mag sein, dass wir ein paar Meinungsverschiedenheiten haben. Aber die werden wir noch lösen.

Doch der Frühling in Berlin kann kalt und ungemütlich sein. Nach ein paar warmen Worten über die freundschaftlichen Beziehungen "zu den Menschen in Griechenland" sagte Merkel, man habe darüber gesprochen, "was jetzt im Zusammenhang mit der Erfüllung des Übereinkommens, das geschlossen wurde, die Aufgaben und Notwendigkeiten sind". Mit anderen Worten: Die griechische Regierung muss jetzt liefern. Punkt. Immerhin flankierte Merkel diesen Hinweis mit einer freundlichen Bemerkung: "Wir möchten, dass Griechenland stark ist, dass Griechenland Wachstum hat", dass die Arbeitslosigkeit gesenkt werden könne. In typischem Merkel-Sprech führte die Kanzlerin aus, die Europäische Union sei "so eine kostbare Sache, dass man alle Anstrengung dafür einsetzen muss, um sie auch gut weiterzuentwickeln".

Das Bundespresseamt verbreitete dieses Bild der Harmonie: Merkel zeigt Tsipras den Blick auf Berlin.

Das Bundespresseamt verbreitete dieses Bild der Harmonie: Merkel zeigt Tsipras den Blick auf Berlin.

(Foto: dpa)

Da konnte Tsipras nur zustimmen. Er will die "schrecklichen Stereotypen" bekämpfen, die es seit Jahren zwischen Deutschland und Griechenland gebe. Weder seien die Griechen Faulenzer noch die Deutschen schuld an den Missständen in Griechenland. "Wir müssen uns besser verstehen, es gibt keinen anderen Weg als den des Dialogs, um bestehende Schwierigkeiten zu überwinden." Heißt übersetzt: In Wahrheit herrscht zwischen den Regierungen in Berlin und Athen noch tiefste Eiszeit.

Tsipras weist auf zwei "Fakten" hin

Frühling hin oder her, zwei Punkte waren Tsipras wichtig. Zunächst zog er eine Bilanz des vor fünf Jahren begonnen Rettungsprogramms, das für Griechenland "keine Erfolgsgeschichte" gewesen sei: Das Land habe 25 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts verloren, habe eine Jugendarbeitslosigkeit von 60 Prozent, die öffentliche Verschuldung sei angestiegen und die Wettbewerbsfähigkeit habe abgenommen. Tsipras verwies auf eine Studie der gewerkschaftsnahen deutschen Böckler-Stiftung, die gezeigt habe, dass die Reformen der früheren Regierungen in Griechenland die Ärmeren weitaus stärker belastet hätten als die Reichen.

Anschließend betonte er, es gebe "auch" interne Ursachen für die griechischen Probleme. Auch seien die vergangenen fünf Jahre nicht dazu genutzt worden, diese Probleme zu lösen. Das waren Tsipras' Botschaften an Merkel: Erstens hat die von außen aufgezwungene Sparpolitik die Lage in Griechenland nicht verbessert, sondern verschärft. Und zweitens haben die früheren Regierungen in Athen, deren Kooperationsbereitschaft der deutsche Finanzminister so gern lobt, in Wahrheit nichts gemacht. "Wenn wir uns auf diese beiden Fakten verständigen könnten, müssten wir zu einem gemeinsamen Schluss kommen."

Merkel ließ nicht erkennen, ob diese beiden Punkte bei ihr Eindruck hinterließen. Falls es zwischen ihr und Tsipras konkrete Verabredungen gab, so wurde das nicht öffentlich. Mit Blick auf den Streit um etwaige Reparationen für die deutschen Kriegsverbrechen in Griechenland sagte die Kanzlerin, für die Bundesregierung sei diese Frage "politisch und rechtlich abgeschlossen". Das klang vielleicht kühler, als es gemeint war, und so fügte Merkel hinzu, Deutschland habe "das Bewusstsein, welche Grausamkeiten wir angerichtet haben" - sie sagte tatsächlich "wir" und nicht, "welche Grausamkeiten in deutschem Namen angerichtet wurden". Tsipras bekräftigte, dass die Reparationsforderungen der griechischen Seite nichts mit der aktuellen Situation zu tun hätten. Das Titelbild des aktuellen "Spiegel" nannte er "ungerecht gegenüber der Frau Bundeskanzlerin, aber auch ungerecht gegenüber der deutschen Bevölkerung".

Am Ende lächelt auch Merkel

Keine Antwort gab es auf die Frage, ob Griechenland am 8. April zahlungsunfähig sein werde und ob Tsipras eine Liste mit Reformvorschlägen nach Berlin mitgebracht habe. Die "mittelfristigen Liquiditätsprobleme" seien bekannt, "wir haben sie geerbt", sagte der Ministerpräsident lediglich.

Merkel wiederholte ihre Position, Ausgangspunkt aller Entscheidungen sei die gemeinsame Erklärung der Eurogruppe vom 20. Februar. Die war von Griechenland und den übrigen Euro-Regierungen höchst unterschiedlich interpretiert worden: Griechenland sah darin ein Entgegenkommen der Eurogruppe, Deutschland und die anderen Euro-Länder sahen die Erklärung als Bestätigung des bisherigen Kurses, in dem die neue griechische Regierung allenfalls minimalen Spielraum hat, wenn sie eine Freigabe der blockierten Kredite erreichen will.

In der Pressekonferenz im Kanzleramt klang es so, als habe Tsipras sich damit abgefunden: "Wir respektieren unsere Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen ergeben, aber mit bestimmten Prioritäten." Griechenland wolle "endlich eine Entwicklungsagenda umsetzen, auf die wir uns noch zu verständigen haben". Soll wohl heißen: Die griechische Regierung hofft, dass es nach Auslaufen des aktuellen Hilfsprogrammes im Juni ein drittes Programm gibt - mit neuem Schwerpunkt.

Einen Kommentar dazu gab es von Merkel nicht. Solche Fragen würden in der Eurogruppe diskutiert, sagte sie. Das verstand Tsipras vollkommen. "Sie können nicht erwarten", sagte er an eine griechische Journalistin gerichtet, "dass ich nach Deutschland komme, um die Bundeskanzlerin zu bitten, die griechischen Renten und Gehälter zu bezahlen". Dabei schmunzelte Tsipras freundlich. Und selbst über Merkels Gesicht huschte kurz der Anflug eines Lächelns.

Quelle: ntv.de

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