Athen kündigt Reformliste an Tsipras verspricht und Merkel gibt nach
20.03.2015, 17:34 Uhr
Alexis Tsipras ist zufrieden mit den Gesprächen beim "Mini-Gipfel".
(Foto: dpa)
Gelöst ist die griechische Schuldenkrise noch nicht. Aber der Gipfel von Brüssel hat die Tür zur Rettung des Landes geöffnet. Weil Kanzlerin Merkel von der bisherigen harten deutschen Rhetorik abweicht, darf Tsipras den "Mini-Gipfel" als Erfolg verkaufen
Nach der bitteren Konfrontation der vergangenen Wochen hat der Brüsseler "Mini-Gipfel" wieder Hoffnung in der Griechenland-Krise gebracht. Athens Regierungschef Alexis Tsipras sagte eine "vollständige" Reformliste für "die kommenden Tage" zu. Kanzlerin Angela Merkel stellte klar, dass Griechenland auf erste Notkredite setzen kann, schon bevor alle Reformen durchs Parlament sind - damit rückt sie von der bisherigen harten Position der Bundesregierung etwas ab.
Tsipras hatte um das Sondertreffen am Rande des EU-Gipfels gebeten, um mit den wichtigsten Akteuren auf höchster Ebene zu verhandeln. Am Tisch saßen neben Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sowie die Präsidenten von Europäischer Zentralbank (EZB), Mario Draghi, dem EU-Rat, Donald Tusk, und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.
Dreieinhalb Stunden tagte die Runde, um dann zu erklären, an der Eurogruppen-Vereinbarung vom 20. Februar über die Verlängerung des bisherigen Programms werde "vollständig festgehalten" - ein Eingeständnis, dass es einen ganzen Monat keine greifbaren Ergebnisse gab. Aber nun sei der Prozess "zurück in der Spur", sagte Athens Regierungschef. "Griechenland wird Strukturreformen vorlegen und umsetzen."
Dringlichkeitstreffen in Brüssel
Wenige Stunden später bestätigte das griechische Finanzministerium, nun sofort mit den Gläubiger-Experten von EZB, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) zusammenzuarbeiten. Sollte dann tatsächlich in den kommenden Tagen die Reformliste folgen, könnte die Eurogruppe schon Ende nächster Woche in Brüssel zu einem weiteren Dringlichkeitstreffen zusammenkommen, verlautete aus Kommissionskreisen.
Die Chance Athens, in absehbarer Zeit an Geld aus dem verlängerten Hilfsprogramm zu kommen, ist damit größer geworden. Einige Reformen müssten in jedem Fall vorher rechtlich umgesetzt werden, sagte Merkel. Andere würden "auf einer Zeitachse vereinbart" und müssten daher erst später durchs Parlament. Solche Meilensteine habe es auch in allen anderen Programmen gegeben.
An dem im Februar vereinbarten Prozedere ändere sich auch "kein Deut", betonte die Kanzlerin. Erst, wenn die Gläubiger-Troika die Tsipras-Liste und die Umsetzung der vorgezogenen Maßnahmen anerkenne und die Eurogruppe grünes Licht gebe, könne Geld fließen. Athen braucht das Geld vor allem, um seine Gläubiger auszuzahlen. Am Freitag beglich der Staat fristgerecht Schulden von 348,5 Millionen Euro beim IWF. Weitere 1,6 Milliarden Euro brachte das Land für die Rückerstattung kurzfristiger Staatsanleihen auf. Auch weitere fällige Rückzahlungen seien am Freitag fristgemäß erfolgt. Doch stehen in den kommenden Wochen weitere Milliardensummen an.
Juncker kündigt Geld für Wachstumsprogramm an
Immerhin: Wenn Athen nun wirklich liefert, könnte der Verbleib im Euro vorerst gelingen. Aus dem verlängerten Programm könnten 1,8 Milliarden Euro an Krediten plus 1,9 Milliarden Euro an Zinsgewinnen überwiesen werden. Zusammen mit ausstehenden Hilfszahlungen des IWF stünden insgesamt 7,2 Milliarden Euro bereit.
Zusätzlich will die EU-Kommission Griechenland stärker unter die Arme greifen. Juncker sagte, Brüssel werde Athen helfen, in diesem Jahr zwei Milliarden Euro aus ungenutzten Strukturfonds abzurufen. Dabei gehe es aber nicht darum, "die Kassen des Staates zu füllen". Es gehe darum, die Möglichkeiten Athens zu stärken, Wachstum und sozialen Zusammenhalt zu schaffen.
Genau das hatte Tsipras seinen Wählern versprochen. Seine Gipfel-Bilanz fiel daher fast überschwänglich aus. Auch wenn nicht alle Differenzen ausgeräumt seien, sei das Treffen "von Erfolg gekrönt". Positiv reagierten auch die Börsen. Nach der Erklärung des Minigipfels legte der Euro in New York von 1,066 auf 1,079 Dollar zu, die Börse in Athen stieg zwischenzeitlich kräftig. Ob es wieder nur ein Strohfeuer war, hat Tsipras' Regierung jetzt in der Hand. Seinen nächsten Termin, um das wiederaufkeimende Vertrauen zu stärken, hat er am Montagabend bei einem Besuch bei Merkel in Berlin.
Quelle: ntv.de, tno/AFP