Moskau mauert, Assad lässt schießen UN berät über Gewalt in Syrien
31.01.2012, 20:05 Uhr
Panzer der Regierungstruppen gehen in der Provinz Homs gegen Oppositionelle vor.
(Foto: AP)
Auch vor dem UN-Hauptgebäude in New York beschimpfen sich Gegner und Anhänger des syrischen Diktators Assad. Das zeigt, wie gespannt die Lage vor der Sondersitzung des Sicherheitsrates ist. Russland verweigert sich jeglicher Sanktionen gegen Damaskus. Derweil sterben laut Aktivisten seit Wochenbeginn mehr als 100 Menschen in Syrien.
Das Regime von Syriens Präsident Baschar Al-Assad geht unbeeindruckt von einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrates weiter mit brutaler Gewalt gegen seine Gegner vor. Seit Wochenbeginn sind mehr als 110 Menschen getötet worden. Deshalb wollte der UN-Sicherheitsrat in New York erneut Anlauf nehmen, um das tägliche Blutvergießen in Syrien zu stoppen.
Vor der Sitzung kam es in New York zu Zusammenstößen von syrischen Protestanten. Mehrere Dutzend Regimegegner forderten vor dem UN-Hauptquartier ein rasches Eingreifen der Weltgemeinschaft und warfen Russland vor, eine Lösung zu blockieren. Moskau verhindere nur wegen eigener Waffengeschäfte jeden Kompromiss. "Putin, Mörder! Putin, Mörder!" skandierten sie. Anhänger des syrischen Präsidenten beschimpften die Demonstranten hingegen als Verräter und küssten demonstrativ Bilder Assads.
Die Opposition rief derweil einen Tag der Trauer und des Zorns aus. Die "Massaker an Zivilisten" müssten enden, forderte der Syrische Nationalrat. Er warf der "despotischen" Führung in Damaskus vor, "Panzer und schwere Waffen gegen Wohnviertel" einzusetzen. In Rankus, 40 Kilometer nördlich der Hauptstadt, verübten die staatlichen Sicherheitskräfte nach Angaben des Nationalrates Racheakte gegen Zivilisten, weil sich dort Deserteure versteckt hätten. Der Nationalrat forderte dazu auf, aus Protest Kirchenglocken zu läuten und in Moscheen zum Gebet aufzurufen.
Im Sicherheitsrat ging es nicht um die Abstimmung über einen Resolutionsentwurf, sondern um eine Anhörung des Generalsekretärs der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi. Unterstützer einer Syrien-Resolution wie beispielsweise Deutschland erhoffen sich davon Auftrieb für ihre Bemühungen. Durch die Teilnahme gleich mehrerer prominenter Außenminister hat das Treffen noch mehr an Gewicht gewonnen. Teilnehmen wollten Hillary Clinton aus den USA, William Hague aus Großbritannien und Alain Juppé aus Frankreich. Deutschland wird durch den neuen Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Link, vertreten.
"Es ist eine Tragödie, ein Drama"
Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief in Kairo den UN-Sicherheitsrat erneut zu schnellem und entschlossenem Handeln auf. "Die Gewalt des Assad-Regimes muss unmissverständlich verurteilt werden", sagte er. "Die Lage in Syrien wird immer schlimmer, sie spitzt sich zu. Es ist eine Tragödie, ein Drama." Spekulationen über einen Militärschlag gegen Syrien wies Westerwelle deutlich zurück. "Es gibt keinerlei Diskussion im Sicherheitsrat in New York oder zwischen uns und unseren Partnern über irgendeine militärische Intervention."
Allerdings hat die Veto-Macht Russland bereits im Vorfeld ihren Widerstand gegen scharfe Sanktionen erklärt. Trotz aller internationalen Appelle schloss Russland ein Votum gegen das syrische Regime aus. Außenminister Sergej Lawrow machte nach Angaben der Agentur Interfax deutlich, dass Moskau "niemals" im Weltsicherheitsrat einer Militärintervention in Syrien zustimmen werde. "Das garantiere ich Ihnen", sagte er. "Ein Regimewechsel ist nicht unsere Aufgabe." Bisher sind im Sicherheitsrat alle geplanten Sanktionen gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad am Widerstand Russlands gescheitert.
Der Chefdiplomat rief alle Seiten in dem Konflikt erneut zu einem Dialog auf. Ein Rücktritt Assads dürfe keine Vorbedingung für Gespräche sein. "Ein Regimewechsel ist nicht unsere Aufgabe", sagte Lawrow. Allein das syrische Volk könne über das Schicksal des Präsidenten entscheiden. Moskau kritisierte zudem erneut, der vom Westen vorgelegte Resolutionsentwurf ebne den Weg in einen Bürgerkrieg. Zugleich kündigte Lawrow an, dass Russland trotz internationaler Kritik seine Rüstungsverträge mit Syrien erfüllen werde.
"Ich nehme unsere russischen Kollegen beim Wort"
Im Gegensatz zu Lawrow verlangte auch US-Außenministerin Hillary Clinton, das höchste Gremium der Vereinten Nationen müsse "eine klare Botschaft der Unterstützung an das syrische Volk senden. Das Regime in Damaskus habe die Militäroperationen im ganzen Land verschärft, in den vergangenen Tagen seien Hunderte Zivilisten getötet worden, hieß es in einer am Montag in Washington verbreiteten Erklärung. "Der Sicherheitsrat muss handeln und dem syrischen Regime klarmachen, dass die Weltgemeinschaft ihr Handeln als eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit betrachtet", erklärte Clinton.

Guido Westerwelle und Hillary Clinton sind sich einig: Das syrische Regime ist eine Gefahr für Frieden und Sicherheit.
(Foto: picture alliance / dpa)
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon pochte auf ein geschlossenes Votum des Sicherheitsrats. In Amman sagte er, täglich würden Dutzende Menschen getötet. Das müsse sofort aufhören. Der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig sagte dem arabischen Nachrichtensender Al Dschasira: "Entweder trägt der Sicherheitsrat dazu bei, dass die Gewalt aufhört und ein wirklicher Reformdialog beginnt. Oder Syrien könnte in einen weitreichenden Bürgerkrieg abrutschen. Das kann niemand wollen." Die Europäer seien zu Kompromissen bereit. "Aber Russland hat versprochen, sich zu engagieren. Und ich nehme unsere russischen Kollegen beim Wort."
In New York nahm auch hinter den Kulissen der diplomatische Druck auf Russland zu, Aktionen des Sicherheitsrates nicht länger zu blockieren. Am Vortag war auf Expertenebene fast sechs Stunden um den Resolutionsentwurf gestritten worden, den Marokko am Freitag eingebracht hatte. Darin werden ein Ende der Gewalt und politische Reformen bis hin zum teilweisen Machtverzicht Assads gefordert.
Erdölleitung bei Explosion zerstört
Regimetruppen setzten derweil ihre Offensive gegen oppositionelle Soldaten im Umland der Hauptstadt Damaskus fort. Die syrische Opposition zählte allein am Montag landesweit 100 Tote, heute wurden nach Angaben von Aktivisten weitere 15 Menschen getötet. Nach Angaben des Staatsfernsehens wurde die Gegend um Damaskus "von Terrorgruppen gesäubert".
Eine Explosion nahe der syrischen Stadt Homs zerstörte derweil nach Berichten von Bewohnern eine Erdölleitung. Die Pipeline versorgt die Raffinerie in Homs, eines von zwei syrischen Werken zur Erdölverarbeitung. Eine riesige Rauchwolke sei über der Leitung zu sehen gewesen, berichteten Anwohner. Ein Aktivist der Opposition berichtete aus dem Bezirk Bab Amro, die Explosion und das Feuer seien durch Panzer-Beschuss ausgelöst worden. "Panzer haben Bab Amro seit dem Morgen beschossen und dabei auch die Leitung getroffen." Die syrischen Behörden äußerten sich nicht zu dem Feuer. Bisher machten Behörden immer "Terroristen" für Explosionen an Erdöl- und Erdgasleitungen verantwortlich.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP