Rätsel um Egypt-Air-Flugzeug US-Behörden zweifeln an Anschlagstheorie
20.05.2016, 06:48 Uhr
Der Absturz von Flug MS804 bleibt mysteriös: Obwohl viel für einen Terrorakt spricht, mehren sich nach ersten Ermittlungen von US-Sicherheitsbehörden Zweifel an dieser Theorie. Aufschluss könnte wohl nur die Blackbox der Maschine geben - doch das Wrack bleibt verschwunden.
Nach dem Absturz der Passagiermaschine von Egypt Air am frühen Donnerstagmorgen über dem östlichen Mittelmeer mehren sich bei den US-Behörden offenbar Zweifel an der Theorie eines Terroranschlags. Wie der US-Nachrichtensender CNN unter Berufung auf Sicherheitsbeamte berichtet, habe ein Abgleich der Passagierliste mit den Terrordatenbanken keinen Treffer ergeben. Zudem spreche gegen eine mögliche Explosion an Bord, dass bei der ersten Sichtung von Satellitenbildern kein Hinweis, der darauf hindeutete, entdeckt worden sei.
Zuletzt hatte sich auch der Direktor der US-Bundespolizei FBI, James Comey, bei der Bewertung des Flugzeugabsturzes zurückhaltend geäußert. "Bisher haben wir niemanden, der sich dazu bekannt hat oder Beweise, dass es eine absichtliche Tat war", sagte er in Chicago. "Wir wissen im Moment nicht, was die Ursache war." Comey reagierte damit auf Berichte, der Absturz sei vermutlich Folge einer Explosion - möglicherweise durch einen von Terroristen gelegten Sprengsatz - ausgelöst worden sein könnte.
Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière hielt sich mit Mutmaßungen zurück. "Wir kennen die Ursachen des Absturzes noch nicht, deswegen bin ich mit Spekulationen sehr vorsichtig", sagte de Maizière. Über mögliche Konsequenzen aus dem Absturz könne erst gesprochen werden, wenn die Ursache feststehe.
Die Möglichkeit, dass Flug MS804 das Ziel eines Anschlags geworden ist, war nach den bekannt gewordenen Informationen über das Absturzgeschehen zunächst plausibel erschienen. Die Wahrscheinlichkeit eines "Terrorangriffs" sei höher als die eines technischen Versagens zu veranschlagen, hatte Ägyptens Luftfahrtminister Scherif Fathy in Kairo resümiert. Er warnte aber zugleich vor voreiligen Schlussfolgerungen.
Suche nach dem Wrack geht weiter
Für die Theorie eines Anschlag spricht, dass der Pilot keinen Notruf absetzte - ein Hinweis auf ein plötzliches Ereignis. Zudem hatte er während des letzten Funkkontakts wenige Minuten vor dem Verschwinden der Maschine "kein Problem erwähnt", teilte die griechische Flugaufsicht mit. Nach einem zunächst störungsfreien Flug war die Maschine nach bisherigen Erkenntnissen dann heftig ins Trudeln geraten: Erst schwenkte sie um 90 Grad nach links, kurz darauf zog sie einen 360-Grad-Kreis nach rechts. Zugleich sei der Airbus A320 von mehr als 11.000 Metern auf rund 4500 Meter abgesackt.
Derweil geht im Mittelmeer die Suche nach dem Wrack des Passagierflugzeugs und den beiden Flugschreibern weiter. Zum mutmaßlichen Absturzort hieß es aus dem griechischen Verteidigungsministerium, das abgesuchte Gebiet liege rund 370 Kilometer südöstlich der Insel Karpathos, also rund 70 Seemeilen vor der ägyptischen Küste. Beteiligt an der Suche sind unter anderem Marineschiffe und Flugzeuge aus Ägypten und Griechenland, auch Frankreich und die USA wollen Teams schicken. Inzwischen trafen auch vier Luftfahrtexperten aus Frankreich zu Untersuchungen in Kairo ein. Dabei handelt es sich um drei Mitarbeiter der französischen Behörde für die Sicherheit der zivilen Luftfahrt und einen Vertreter des Flugzeugbauers Airbus.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi ordnete am Donnerstagabend in Kairo eine "intensivierte" Suche an, um das Flugzeugwrack zu finden. Alle betroffenen Behörden müssten ihre Anstrengungen verstärken, darunter das Ministerium für zivile Luftfahrt, die Marine und die Luftwaffe, hieß es in einer Mitteilung der Präsidentschaft.
Doch keine Wrackteile korrigiert
Vorerst blieb die Suche allerdings erfolglos, die Fluggesellschaft Egypt Air nahm frühere Angaben zum Fund von Wrackteilen im Mittelmeer zurück. Die entdeckten Gegenstände seien "nicht Teile unseres Flugzeuges", sagte der Vizepräsident der Fluglinie, Achmed Adel, dem Sender CNN. Er korrigierte damit frühere Angaben seines Unternehmens, dass unter anderem Rettungswesten und Plastikteile von Flug MS804 gefunden worden seien. Dies hatte Egypt Air ursprünglich unter Berufung auf die zuständigen Ministerien in Kairo mitgeteilt.
Auch die griechische Luftfahrtsicherheitsbehörde erklärte, dass im Mittelmeer gefundene Teile nicht von einem Flugzeug seien. "Was gefunden wurde, ist ein Stück Holz und Materialien, die nicht von einem Flugzeug stammen", sagte Behördenchef Athanasios Binis.
Die Egypt-Air-Maschine mit 66 Menschen an Bord war in der Nacht zum Donnerstag auf dem Weg von Paris nach Kairo, als sie ohne Vorwarnung über dem Mittelmeer von den Radarschirmen verschwand. Bislang gibt es keine Hinweise auf überlebende Insassen. An Bord der Maschine waren vorwiegend Ägypter und Franzosen.
Quelle: ntv.de, ghö/jug/AFP/dpa