"Abstieg am Stadtrand" Valls: In Frankreich herrscht Apartheid
20.01.2015, 13:32 Uhr
Frankreichs Premier Valls mit der aktuellen Ausgabe von "Charlie Hebdo".
(Foto: Reuters)
Die Anschläge von Paris haben die Lage der Vorstädte von Paris wieder ins Blickfeld gerückt - als mögliche Brutstätte des Terrors. Auch Premier Valls verweist auf die "soziale Misere" in den Gebieten. Er findet harte Worte für das Problem.
In Frankreich gibt es nach den Worten von Premierminister Manuel Valls "eine territoriale, soziale, ethnische Apartheid". Mit Blick auf die überwiegend durch Einwanderung geprägte Bevölkerung in den Problem-Vorstädten Frankreichs sagte der Regierungschef in Paris, "seit zu langer Zeit bauen sich Spannungen auf". Dabei verwies er auf den "Abstieg am Stadtrand, die Ghettos" und "eine Apartheid". Die vergangenen Tage hätten viele Übel der französischen Gesellschaft und die Herausforderungen deutlich gemacht.
Seit der islamistischen Anschlagsserie vor rund zwei Wochen wird in Frankreich verstärkt darüber diskutiert, ob die Problem-Vorstädte mit ihrer hohen Arbeitslosigkeit und ihrem schlechten Bildungsnivau einen Nährboden für islamistisches Gedankengut bilden. Die Regierung will unter anderem durch eine bessere Schulpolitik gegensteuern.
Valls machte zudem deutlich, dass die Probleme schon lange bekannt seien, und erinnerte an die Vorstadt-Krawalle im Jahr 2005. "Danach wird es vergessen", sagte er. Zur "sozialen Misere" in diesen Problemvierteln kämen die "täglichen Diskriminierungen" hinzu, "weil man nicht den richtigen Familiennamen, nicht die richtige Hautfarbe hat oder einfach, weil man eine Frau ist". Es gehe ihm nicht darum, Ausflüchte zu finden, hob Valls hervor. Doch müsse "der Realität" in Frankreich ins Auge geblickt werden.
Verdächtige vorm Haftrichter
Im Zuge der Ermittlungen zu den Anschlägen in Paris wurden derweil vier Verdächtige dem Gericht überstellt. Wie die Pariser Staatsanwaltschaft mitteilte, sollen Untersuchungsrichter darüber entscheiden, ob gegen die Männer im Alter zwischen 22 und 28 Jahren ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird. Dieses kann in einer Anklage enden.
Demnach gehören die vier Verdächtigen zu insgesamt zwölf Menschen, die in der Nacht zum Freitag vergangener Woche im Großraum Paris festgenommen worden waren. Drei der zwölf Festgenommenen waren bereits am Wochenende freigelassen worden, fünf weitere wurden laut Staatsanwaltschaft in der Nacht zum Dienstag auf freien Fuß gesetzt.
Die Festgenommenen sollten zur möglichen logistischen Unterstützung des Attentäters Amedy Coulibaly befragt werden. Sie werden den Angaben zufolge verdächtigt, Coulibaly mit Waffen und Fahrzeugen versorgt zu haben. Der Attentäter hatte im Großraum Paris zunächst am 8. Januar eine Polizistin und tags darauf bei einer Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt vier Juden ermordet.
Coulibaly soll außerdem Verbindungen zu den beiden "Charlie Hebdo"-Attentätern gehabt haben. Diese hatten am 7. Januar die Redaktion der Satire-Zeitung gestürmt und dort sowie auf der Flucht zwölf Menschen getötet.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa