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"Haben keine Zeit zu verlieren" Warken: Krankenkassensystem ohne Reform nicht finanzierbar

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Bundesgesundheitsministerin Nina Warken muss eine Milliardenlücke bei den Krankenkassen schließen. Noch in diesem Monat wird eine Expertenkommission einberufen, die Vorschläge erarbeiten soll.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken muss eine Milliardenlücke bei den Krankenkassen schließen. Noch in diesem Monat wird eine Expertenkommission einberufen, die Vorschläge erarbeiten soll.

(Foto: picture alliance/dpa)

Trotz Milliardenüberschuss im ersten Halbjahr droht den Krankenkassen ein Finanzierungsproblem: Die Ausgaben steigen stärker als die Einnahmen. Die Bundesregierung will die Kassenbeiträge stabil halten. Doch ohne Reformen sei dieses Versprechen nicht einlösbar, warnt Gesundheitsministerin Warken.

Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland haben im ersten Halbjahr 2025 einen Milliardenüberschuss erzielt, befinden sich aber weiter in einer finanziell angespannten Lage. Der Halbjahres-Überschuss von 2,8 Milliarden Euro "sollte nicht falsch interpretiert werden, er ist nur eine Momentaufnahme", mahnte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken bei der Präsentation der Zahlen. Bereits im kommenden Jahr dürften die Beitragssätze "wieder unter Druck geraten", weswegen eine Reform dringend nötig sei.

Nach wie vor haben die Kassen mit dem Problem zu kämpfen, dass ihre Ausgaben viel schneller steigen als ihre Einnahmen. Im ersten Halbjahr gaben die 94 gesetzlichen Kassen laut Gesundheitsministerium 7,8 Prozent mehr aus als im Vorjahreszeitraum.

Der Überschuss aus dem ersten Halbjahr schafft den Kassen wenig Linderung: Das Guthaben soll vorrangig der Auffüllung ihrer Finanzreserven auf das gesetzliche Mindestniveau dienen. Die Finanzreserven der Krankenkassen betrugen zum Ende des 1. Halbjahres rund 4,6 Milliarden Euro. Dies entspricht 0,16 Monatsausgaben - und liegt damit weiterhin unterhalb der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve in Höhe von 0,2 Monatsausgaben.

Warken: Ausgaben "ungebrochen hoch"

Ministerin Warken fordert vom Kabinett rasches Handeln: "Wir brauchen kurzfristige Maßnahmen und langfristig wirkende Strukturreformen." Sollten diese Reformen nicht umgesetzt werden, drohten erneut Beitragssteigerungen, warnte die Ministerin. "Wir haben keine Zeit zu verlieren." Die Koalition sei sich einig, dass die Beiträge nicht erneut zu Jahresbeginn steigen sollten.

Warken rechnet bei der Krankenversicherung im kommenden Jahr mit einem Finanzierungsloch von vier Milliarden Euro, bei der Pflege fehlen zwei Milliarden. Die Ausgaben seien in beiden Bereichen "ungebrochen hoch", betonte sie. Das System sei "ohne tiefgreifende Reformen nicht mehr zu finanzieren".

Die CDU-Politikerin kündigte an, noch in diesem Monat eine Expertenkommission einzuberufen, die zeitnah Vorschläge für Reformen erarbeiten solle. Dazu laufe derzeit "regierungsintern die finale Abstimmung". Die Reformen sollen dazu führen, dass ab 2027 die Beiträge stabilisiert würden.

Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz lag laut Ministerium Ende Juni bei 2,92 Prozent - deutlich mehr als der durchschnittliche Zusatzbeitrag von Oktober 2024, der bei 2,5 Prozent lag. Die Beitragseinnahmen - ohne Zusatzbeiträge - stiegen im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,5 Prozent.

Linke für höhere Beitragsbemessungsgrenze

Allein die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen wuchsen im ersten Halbjahr um 9,6 Prozent beziehungsweise 4,8 Milliarden Euro. Ursächlich waren hier vor allem das hohe Wachstum der Ausgaben für Pflegepersonal (plus 15,2 Prozent bzw. 1,6 Milliarden Euro) und die stark steigenden Aufwendungen für psychiatrische Behandlungen (plus 12,9 Prozent bzw. 639 Millionen Euro).

Die Aufwendungen für die Versorgung mit Arzneimitteln stiegen um 6,0 Prozent bzw. 1,6 Milliarden Euro. Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen wuchsen im ersten Halbjahr um 7,8 Prozent bzw. 2,0 Milliarden Euro - bezogen auf das erste Halbjahr stellt dies laut Bundesgesundheitsministerium das stärkste Wachstum seit mehr als zehn Jahren dar. Die Verwaltungskosten nahmen um 5,2 Prozent zu.

Der Sozialverband VdK warnte vor Leistungseinschränkungen. "Die Versicherten dürfen nicht die Zeche zahlen", erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Die Linkspartei forderte eine solidarische Gesundheits- und Pflegevollversicherung, in die alle einzahlen. Der Linken-Gesundheitsexperte Ates Gürpinar will die Beitragsbemessungsgrenze auf 15.000 Euro brutto monatlich anheben.

Regierung will mit "Mix" Beiträge stabilisieren

Die schwarz-rote Bundesregierung hat bestätigt, dass sie die Beitragssätze zur gesetzlichen Kranken- und zur Pflegeversicherung zum 1. Januar 2026 nicht anheben will. Der finanzielle Ausgleich dazu soll laut dem stellvertretenden Regierungssprecher Steffen Meyer aus einem "Mix" kommen - damit sind erhöhte zusätzliche Beiträge aus dem Bundeshaushalt sowie zusätzliche Einsparungen im Gesundheitssektor gemeint. Auch Gesundheitsministerin Warken deutete dieses Vorgehen an.

Warken verwies darauf, dass die Regierung nur über den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent für die Krankenkassen bestimmen kann. Welche Zusatzbeiträge die Krankenkassen darüber hinaus erheben, können diese selbst bestimmen.

Quelle: ntv.de, bho/dpa/rts/AFP

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