"Wir zahlen den Preis" Warum will Botswana Deutschland 20.000 Elefanten schenken?


Elefanten sind überaus sympathische Tiere. Aber auch sie können für Anwohner zum Problem werden.
(Foto: IMAGO/imagebroker)
Botswanas Staatsoberhaupt macht der Bundesregierung ein Angebot, das viele gerne ausschlagen würden. Er will den Deutschen Wildtiere schenken: "20.000 wilde Elefanten für Deutschland. Das ist kein Scherz", sagt Präsident Masisi. Was steckt dahinter?
Er meine das Angebot todernst, sagte der botswanische Präsident Mokgweetsi Masisi der "Bild"-Zeitung. 20.000 Elefanten will er der Bundesrepublik schenken. Die Deutschen sollten "so mit den Tieren zusammenleben, wie ihr es uns vorzuschreiben versucht", sagte Masisi. "Das ist kein Scherz."
Anlass für dieses ungewöhnliche Geschenk ist das Vorhaben von Deutschlands Umweltministerin Steffi Lemke, den Import von Jagdtrophäen in die Europäische Union weiter zu beschränken. Das Büro von Ministerin Lemke ließ dazu verlauten: Konkret gehe es auf EU-Ebene um Gespräche zur Erweiterung der Einfuhrgenehmigungspflicht auf weitere stark geschützte und gefährdete Tierarten. Die Grünen-Politikerin ist eine erklärte Befürworterin weiterer Einfuhrbeschränkungen von Jagdtrophäen. Dazu äußert sie sich regelmäßig zu Beginn des Jahres, nämlich immer dann, wenn in der Dortmunder Westfalenhalle Europas größte Jagdmesse "Jagd und Hund" abgehalten wird.
Die Veranstaltung wird seit über 40 Jahren mit weit über 80.000 Besuchern und rund 800 Ausstellern in Dortmund abgehalten. Nach den US-Amerikanern sind bei Jagdreisen nach Afrika vor allem deutsche Jäger Spitzenreiter. Zwischen 2016 und 2021 wurden Trophäen von 3779 Tieren international geschützter Arten nach Deutschland eingeführt, darunter 142 Leoparden, 138 Flusspferde, 140 Braunbären, 119 Elefanten, 103 Löwen - also Tiere, deren Bestände als "gefährdet" gelten.
Botswana leidet unter einer Elefanten-Überpopulation
Für den Import benötigt man eine Genehmigung des Bundesamtes für Naturschutz. Dies prüft ebenso die Ausfuhrgenehmigungen aus denjenigen Ländern, wo das Tier geschossen wurde. Seit 2021 fordern weltweit führende Artenschutzorganisationen, diese Einfuhr ganz zu unterbinden. Einige europäische Länder haben den Import solcher Trophäen bereits verboten. Nach großer Aufregung stoppte Frankreich 2015 als erstes Land Europas die Einfuhr von Löwentrophäen. 2016 erließen die Niederlande einen Importstopp für Trophäen aller gefährdeten Arten. In Großbritannien wird über ein entsprechendes Gesetz debattiert, in Belgien hat das dortige Parlament die Regierung aufgefordert, einen Importstopp einzuführen. Finnland hat 2022 ein Einfuhrverbot erlassen.
Dementsprechend fürchtet Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi, dass ihm mit einer solchen Gesetzesverschärfung auf EU-Ebene das Geschäft und damit sein Staatsbudget zunichtemacht und das Elefantenproblem in seinem Land damit ins Unermessliche steigt.
Denn Botswana leidet seit Jahren an einer enormen Elefanten-Überpopulation. Mittlerweile beherbergt das Land mehr als 130.000 der gefräßigen Dickhäuter - und es werden stetig mehr. Bis zu 6000 kommen jährlich dazu, weil fast alle Herden wieder Nachwuchs zeugen. Doch die steigende Elefantenpopulation benötigt immer mehr Lebensraum, denn die Herden migrieren über Hunderte Kilometer hinweg. Gemeinsam durchstreifen sie die Savanne auf der Suche nach Nahrung. Ein ausgewachsener Elefant frisst pro Tag 150 bis 175 Kilogramm und trinkt 70 bis 150 Liter Wasser.
Artenschutz mit dem Sturmgewehr
Botswana hatte bislang den Vorteil, dass es eine große Landfläche zur Verfügung hat, auf der nur rund 2,6 Millionen Menschen leben. Fast ein Viertel des Landes sind als Schutzgebiete ausgeschrieben, in welchen gar keine Menschen leben dürfen, sondern nur Wildtiere wie Elefanten. Eigentlich hat Botswanas Regierung in den Augen internationaler Artenschutzorganisationen in der Vergangenheit alles richtig gemacht: nämlich die Elefanten unter strikten Schutz gestellt.
Rückblick: Bis zum Jahr 2015 war die Wilderei auf dem afrikanischen Kontinent ein enormes Problem. Alle elf Minuten, so die damaligen Schätzungen, wurde in jenen Jahren in Afrika ein Elefant erlegt. Zu jener Zeit machten internationale Mafiaorganisationen enorm viel Geld mit dem illegalen Elfenbeinhandel, vor allem in Richtung Asien, wo die meisten Abnehmer waren. Tierschützer hatten 2011 zuerst Alarm geschlagen, dass bald kein Elefant mehr übrig sei, wenn nicht eine radikale Trendwende passiert.
In der internationalen Naturschutzpolitik vollzog sich daraufhin ein Paradigmenwechsel: Um den Artenschutz robuster zu machen, beschloss die Weltgemeinschaft, gegen die Wilderei gezielt vorzugehen. Die logische Konsequenz war, Afrikas Nationalparks hochzurüsten, die Wildhüter besser auszubilden und mit modernsten Waffen und Aufklärungstechnologie auszustatten. In einigen Ländern sind die Parkwächter mittlerweile besser trainiert als die Soldaten der staatlichen Militärverbände. Sie tragen Sturmgewehre, Nachtsichtgeräte und verfügen über Aufklärungsdrohnen.
Botswanas Regierung, die einen Großteil ihres Staatshaushaltes aus dem Tourismus-Sektor einnimmt, ging mit gutem Beispiel voran. Sie erließ bereits 2013 ein harsches Anti-Wilderei-Gesetz, das auf illegale Tötung von Elefanten lebenslängliche Haftstrafen vorsah. Es erlaubte den Wildhütern sogar, auf Wilderer zu schießen, wenn diese bewaffnet in die Nationalparks eindringen. Tshekedi Khama, Botswanas Umwelt- und Tourismusminister und Bruder des damaligen Präsidenten Ian Khama, warnte in aller Öffentlichkeit sogar: "Wenn du nach Botswana kommst, um zu wildern, dann besteht die Möglichkeit, dass du nicht lebend zurückkehren wirst."
Mehrere Wilderer wurden getötet
Im Jahr 2015 wurde in den lokalen Medien publik, dass botswanische Wildhüter 30 Namibier und 22 Simbabwer getötet hätten, die sie in den grenznahen Parks beim Wildern angetroffen hatten - ein eindeutiges Zeichen, dass die Regierung ihre Drohungen ernst meint. Mit Erfolg: Jahrelang wurde in Botswana daraufhin kein einziger Elefant mehr erlegt. Die dortigen Parks galten als so sicher, dass ganze Herden aus den Nachbarländern einwanderten. Das Land beherbergt mittlerweile die größten Elefantenbestände Afrikas.
Doch dann kam 2019 die große Dürre. Aus Hunger und Durst verließen die Elefanten die Nationalparks, die damals noch nicht alle eingezäunt waren, und machten sich über die Äcker der benachbarten Bauern her. Sie zerstörten in jenem Jahr ganze Ernten und damit die Lebensgrundlagen der örtlichen Gemeinden.
Damit die Tiere nicht verhungern und verdursten, hatten internationale Tierschutzorganisationen im benachbarten Simbabwe tonnenweise Tierfutter und Wasser in die Nationalparks gekarrt, während die Menschen drumherum keine Hilfe bekamen. Botswanas Regierung wollte hingegen die Bevölkerung besserstellen und die Tiere dezimieren, um das Problem zu lösen. Umweltschützer gingen gegen dieses Vorhaben auf die Barrikaden.
Abschusslizenzen finanzieren den Naturschutz
Trotz internationaler Kritik entschied die Regierung 2019 schließlich, die Jagd auf Elefanten wieder zuzulassen, um die Population so zu dezimieren und gleichzeitig Einkommen aus regulierten Abschusslizenzen zu generieren. Die Elefantenpopulation in Botswana sei nicht in Gefahr, im Gegenteil: Sie sei "weit größer als Botswanas zerbrechliche Umwelt, die bereits unter Dürre und Folgen des Klimawandels leidet, sicher verkraften kann", hieß es in der Presseerklärung dazu.
Botswanas Umweltministerium, dem die zahlreichen Nationalparks des Landes unterstehen, finanziert seine Naturschutzvorhaben seitdem maßgeblich aus dem Verkauf von Abschusslizenzen. 300 Elefanten dürfen pro Saison legal erlegt werden. Das ist laut offiziellen Angaben Botswanas weniger als 0,3 Prozent des Gesamtbestandes - und gefährde damit die Bestände keineswegs.
Rund 1660 Euro kostet ein Abschuss. Dieses Geld fließt meist zurück in Anschaffungen der Naturschutzbehörde. Botswana hat außer dem Geschäft mit Rohdiamanten, über welches das Land zuhauf verfügt, kaum Einnahmen in der Staatskasse. Das meiste kommt aus dem Tourismus-Sektor, über welchen das Land rund zwei Milliarden Dollar jährlich einnimmt - und zwar vor allem von betuchten westlichen, auch deutschen, Jägern, deren Traum es offenbar ist, einmal im Leben einen Elefanten zu erlegen.
Ein Importverbot für Trophäen, so fürchtet Botswanas Präsident Masisi nun, könne dieses Modell nun gefährden. Im Interview mit der "Bild"-Zeitung merkt er deswegen an: "Es ist sehr einfach, in Berlin zu sitzen und eine Meinung zu haben zu unseren Angelegenheiten in Botswana. Wir zahlen den Preis dafür, dass wir diese Tiere für die Welt erhalten."
Quelle: ntv.de