Abstimmung mit bekanntem Ausgang Weißrussland wählt ein neues Parlament
11.09.2016, 15:31 Uhr
Auf großen Plakaten fordert die weißrussische Führung die Bevölkerung auf, wählen zu gehen.
(Foto: dpa)
Der weißrussische Machthaber Lukaschenko gilt als letzter Diktator Europas. Kritiker halten die Parlamentswahl für eine Farce; auch die Bevölkerung hat wenig Zweifel, wer am Ende gewinnt. Doch die OSZE sieht bei der Abstimmung auch Fortschritte.
Begleitet von Manipulationsvorwürfen ist im autoritär regierten Weißrussland ein neues Parlament gewählt worden. Für die 110 Sitze der Volksvertretung kandidierten nach ihrem Boykott 2012 auch etwa 200 Oppositionspolitiker. Viele von ihnen hatten vorab allerdings bereits beklagt, dass die Wahl nicht frei und fair sei und voraussichtlich manipuliert werde. Experten erwarten wie in den vergangenen Legislaturperioden, dass sich vor allem regimetreue Politiker durchsetzen.

Gute Laune bei Alexander Lukaschenko: Am Sieg der ihm treuen Kandidaten besteht kein Zweifel.
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Der autoritäre Machthaber Alexander Lukaschenko hofft dennoch, dass die Wahl in einer stärkeren Zusammenarbeit mit dem Westen mündet. Die frühere Sowjetrepublik habe viel bewegt, damit westliche Sanktionen aufgehoben werden, sagte er bei der Stimmabgabe in einem Minsker Wahllokal. "Wir wollen nicht mit Sanktionen leben. Wir haben alles getan, damit es weniger Vorwürfe gegen uns gibt."
An vielen Wahllokalen in der Zweimillionenstadt Minsk spielten am Wahltag Bands bei sonnig-warmem Herbstwetter auf. Verkaufsstände mit Lebensmitteln waren aufgebaut. Die Beteiligung lag am Nachmittag bei mehr als 40 Prozent. Damit die Abstimmung gültig ist, müssen 50 Prozent der sieben Millionen Berechtigten teilnehmen.
Lukaschenko lockert seinen Griff
Lukaschenko hofft angesichts einer tiefen Wirtschaftskrise, mit einer friedlichen Wahl nach demokratischen Standards die Beziehungen zur EU und zu den USA zu verbessern. Er setzt auf frische Kredite und Investitionen. Nach der friedlichen Präsidentenwahl 2015 und der Freilassung politischer Häftlinge hatte die EU bereits Sanktionen gegen die Führung in Minsk gelockert. Die Strafmaßnahmen waren verhängt worden, nachdem Lukaschenko 2010 Proteste niederschlagen und Oppositionelle einsperren ließ.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisiert immer wieder Defizite bei Wahlen in Weißrussland. Zwar sind nach OSZE-Angaben einige ihrer Vorschläge umgesetzt worden und auch die Opposition räumt ein, dass die Behörden ihren harten Griff etwas gelockert hätten. Erstmals sei ihnen beispielsweise die Teilnahme an Diskussionen im Fernsehen erlaubt worden. Aber es gibt auch Rückschritte. Die Arbeit eines wichtigen Meinungsforschungsinstituts ist blockiert. Regimegegner verweisen auf die fünftägige vorzeitige Stimmabgabe.
Der Politikwissenschaftler Dmitri Bolunez urteilt, bei den jetzigen Wahlen habe die Regierung mit der Zulassung von Oppositionsparteien dem Ruf des Westens nach mehr Transparenz begegnen wollen. "Aber sobald die Wahllokale schließen, wird dieses ganze Demokratie-Spiel enden."
Den Sieg schon in der Tasche
Nur einzelnen regimekritischen Kandidaten werden bei der Wahl Chancen eingeräumt, ins Parlament einzuziehen, wie der früheren Präsidentschaftskandidatin Tatjana Korotkewitsch. Lukaschenko allerdings sieht nicht Einschränkungen durch Behörden als Ursache, er behauptet, die Opposition vertrete nicht die Interessen der Menschen. "Sie ist zu weit weg vom Volk und will sich nicht annähern."
Im OSZE-Bericht zum Wahlkampf heißt es: "Die Kampagne ist weitgehend unsichtbar, und die wenigen Veranstaltungen sind kaum besucht." Der Grund sei ganz einfach, meint stellvertretend für viele die Kindergärtnerin Magda. "Die Regierungskandidaten haben den Sieg schon in der Tasche und Wahlkampf nicht nötig. Und ihre Konkurrenten machen sich keine Illusionen."
Lukaschenko regiert in Minsk seit 22 Jahren. Er gilt als "letzter Diktator Europas" und pflegt engen Kontakt zu Russland. Weißrussland vollstreckt als einziges Land in Europa noch die Todesstrafe.
Quelle: ntv.de, chr/dpa/AFP