Vom Rapper zum radikalen Islamisten Wie gefährlich ist "Deso Dogg"?
07.09.2014, 17:50 Uhr
Denis Cuspert, 38 Jahre alt, war erst Gangster-Rapper "Deso Dogg", heute nennt er sich "Abu Talha al-Almani", es ist sein Kampfname.
(Foto: dpa)
Vom Ex-Rapper zum "Aushängeschild" der IS-Terroristen: Der Berliner Dschihadist "Deso Dogg" soll zum engeren Kreis des IS gehören. Die Behörden fürchten, dass er nun noch mehr Nachahmer ins Verderben lockt.
Er war schon totgesagt. Jetzt bewegt sich "Deso Dogg" alias Denis Cuspert im erweiterten Führungskreis der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die in Syrien und im Irak ihr blutrünstiges Unwesen treibt. Das jedenfalls glaubt der Berliner Verfassungsschutz. Die Sicherheitsexperten haben in einer Lageanalyse den Weg jenes Mannes aus Berlin nachgezeichnet, der nach zerrütteter Kindheit als mäßig erfolgreicher Gangsta-Rapper seine Wut herausschrie, um dann in nur etwa vier Jahren offensichtlich in die höchsten Islamisten-Kreise aufzusteigen.
Als Beleg für die "Karriere" des heute 38-Jährigen zum deutschsprachigen "Demagogen des bewaffneten Dschihad" führen die Verfassungsschützer ein Video aus dem April an. Es zeigt, wie Cuspert in Anwesenheit eines der berüchtigsten IS-Kommandeure Nordsyriens den Treueschwur auf IS-Topterrorist Abu Bakr al-Bagdadi ablegt. Der Deutsche, der selbst an möglichen Völkermorden beteiligt sein soll, verfüge über direkten Zugang zu IS-Führungskreisen. "Ohne seine Glaubwürdigkeit als Dschihadist und seine Bedeutung als Propagandist wäre dies nicht denkbar", schreiben die Staatsschützer.
Die Anziehungskraft des militanten Salafisten Cuspert, der als Sohn einer Deutschen und eines Ghanaers vor allem in Berlin-Kreuzberg aufwuchs, beunruhigt die Sicherheitsdienste schon lange. Seine tausendfach angeklickten Auftritte bei Twitter, Facebook und Youtube bergen für die Verfassungsschützer "ein erhebliches Mobilisierungsmoment für einschlägig radikalisierte Personen in Deutschland, die Reise nach Syrien anzutreten". Gerade deshalb dürfte Cuspert, der nach dem Verbot der Salafisten-Organisation "Millatu Ibrahim" (Gemeinschaft Abrahams) Deutschland verließ und über Tunesien, Ägypten, Libyen nach Syrien reiste, auch für den IS interessant sein. Die Islamisten bauen sich in Europa "Youtube-Gesichter" auf, um Anhänger zu radikalisieren oder in den "heiligen Krieg" zu locken.
Wie gefährlich sind "Deso Dogg" und Andere?
Besonders drastisches Beispiel dafür ist jener IS-Terrorist, der sich John nennt, mit britischem Akzent spricht und auf Bildmaterial von der Ermordung der beiden US-Journalisten James Foley und Steven Sotloff zu sehen war. Das löste auf der Insel Schockwellen aus. Bislang galten die meist ungehindert über die Grenzen des Nato-Partners Türkei nach Syrien ausgereisten Europäer oft als schlechte Kämpfer und wurden als "Kanonenfutter" eingesetzt. Über 400 Islamisten aus Deutschland, die meisten von ihnen Salafisten, kämpfen bereits in Syrien - 40 von ihnen sind nach Erkenntnissen der Dienste inzwischen tot.
Auch "Deso Doggs" Ableben wurde mehrfach vermutet, etwa im September 2013, als er vermutlich durch einen Luftangriff des syrischen Militärs schwer am Kopf verwundet wurde. Nach eigener Aussage lag er zunächst in einem türkischen Krankenhaus im Koma. In den Folgemonaten soll er in Nordsyrien Kontakt zu hochrangigen Ideologen und Kommandeuren des IS gefunden haben. Im Frühjahr 2014 wurde Cuspert wieder im Netz gesichtet, sein Überleben stärkte bei seinen Anhängern das Märtyrer-Image.
Aber wie gefährlich sind "Deso Dogg" und Andere tatsächlich für die innere Sicherheit? Die deutsche Salafisten-Szene ist wieder stärker in den Fokus gerückt, seit der Westen die IS-Terroristen massiv bekämpft, um im Nordirak einen Völkermord an Jesiden, Christen und anderen Minderheiten zu verhindern.
"Deso Dogg" will als Märtyrer enden
Die schwarz-rote Bundesregierung hat sich in der Folge für mehr Verantwortung in der Weltpolitik und zu Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak entschieden, will Seite an Seite in einer Zehner-Koalition der Willigen mit den USA den IS zurückdrängen. In Ostwestfalen gerieten vor ein paar Wochen Jesiden und Salafisten aneinander. In Wuppertal traten mehrfach selbsternannte radikalislamische Sittenwächter als "Scharia-Polizei" mit Warnwesten auf. Die Politik reagiert reflexartig, parteiübergreifend. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sorgt sich, der "gute Namen der deutschen Polizei" werde missbraucht. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) ruft nach einem Verbot - jene Wuppertaler Salafisten, ohnehin intensiv beobachtet vom Verfassungsschutz, haben mit kleiner Aktion maximale Aufmerksamkeit erzielt.
Niemand sollte den Politikern aber die ernsthafte Sorge um die Sicherheit der Bürger absprechen. Und extrem radikalisierte Leute wie Cuspert sind eine Gefahr. So stand Arid U., bevor er im März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschoss, über Facebook in Kontakt zu Cusperts Profil und soll sich unmittelbar vor den Morden mit einer Hassbotschaft eingestimmt haben.
Die Tat, für die Arid U. zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, gilt als erster tödlicher Anschlag mit islamistischem Hintergrund in Deutschland. "Deso Dogg" selbst will einst als Selbstmordattentäter ins Paradies einziehen: "Ich wünsch mir den Tod und kann ihn nicht erwarten, bewaffnet mit Bomben und Granaten, (...) mitten im Zentrum oder in der U-Bahn, drück ich auf den Knopf."
Quelle: ntv.de, Tim Braune, dpa