Politik

Steueroasen und Strohleute Wie russische Oligarchen ihre Immobilien verstecken

Eine Villa in Rottach-Egern, die dem Russen Alischer Usmanow zugeschrieben wird.

Eine Villa in Rottach-Egern, die dem Russen Alischer Usmanow zugeschrieben wird.

(Foto: IMAGO/Sven Simon)

Seit Russlands Angriff auf die Ukraine gelten in Europa Wirtschaftssanktionen gegen russische Oligarchen. Doch noch immer besitzen viele von ihnen Immobilienvermögen in Deutschland. Weil es hierzulande leicht ist, die Eigentumsverhältnisse zu verschleiern, können sie unbehelligt weiter Geschäfte machen.

Polizisten und Steuerfahnder durchsuchen im September eine Villa in Rottach-Egern am Tegernsee, südlich von München. Beschlagnahmen Gemälde, eine Weinsammlung, Schmuck und Computer. Gleichzeitig gibt es Razzien in mehreren anderen Anwesen. Kreisen zufolge richtete sich die Aktion gegen Alischer Usmanow, einen der reichsten Russen. Die Staatsanwaltschaft München II hatte die Identität des Tatverdächtigen nicht bestätigt, nur von einem "russischen Staatsbürger" gesprochen. Zum Zeitpunkt der Razzia ist die Villa leer, Usmanow soll längst in seine Heimat Usbekistan geflohen sein.

Der Vorwurf: Sanktionsvergehen, Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Usmanow steht seit Ende Februar 2022 auf der Sanktionsliste der EU. Sein Vermögen wurde eingefroren. Ihm wird vorgeworfen, dass er Wertgegenstände in Millionenhöhe nicht angegeben hat. "Konkret soll er, obwohl er auf der Sanktionsliste der EU steht, eingefrorene Gelder dazu verwendet haben, eine Sicherheitsfirma zur Überwachung von Immobilien zu bezahlen", wird Andrea Grape, Sprecherin der Staatsanwaltschaft München, im Herbst zitiert. Die Anschuldigungen weist Usmanow zurück.

Russische Oligarchen fühlen sich wohl in Deutschland. Nicht nur am Tegernsee. Denn es ist hierzulande ziemlich einfach, Immobilien zu besitzen, ohne, dass man mit seinem Namen auftaucht.

Über 700 Firmen in Steueroasen registriert

Die deutschen Grundbücher seien zwar gut und ordentlich geführt. "Wir wissen genau, wem jeder Quadratzentimeter in Deutschland gehört", sagt Steffen Sebastian im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Er ist Professor an der International Real Estate Business School am Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg.

Steffen Sebastian ist Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung und stellvertretender Geschäftsführer des IREBS Instituts für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg.

Steffen Sebastian ist Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung und stellvertretender Geschäftsführer des IREBS Instituts für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg.

(Foto: Christian Buck)

Doch wer tatsächlich hinter den Eintragungen steckt, sei oft schwer herauszubekommen: "Wenn im Grundbuch eine Gesellschaft drinsteht, die ihren Sitz im Ausland hat, dann ist den deutschen Behörden es in der Regel nicht möglich, sicher zu ermitteln, wer tatsächlich Grundstückseigentümer ist", erläutert Sebastian. Es gebe zwar eine Zusammenarbeit mit den Steuerparadiesen, die laufe aber schleppend.

Es gibt viele Möglichkeiten, zu verschleiern, wer der tatsächliche Eigentümer eines Grundstücks oder einer Immobilie in einer Bestlage ist. Eine Möglichkeit ist, seine Firma in einer Steueroase zu registrieren. 774 Immobilienunternehmen deutschlandweit gehören zu Firmen, die auf Zypern, auf den Jungfern-, Kaiman- und Marshall-Inseln sitzen. Das haben Daten von Creditreform ergeben, die die ARD ausgewertet hat. Vier von fünf dieser Unternehmen, 618, sind in Berlin zu finden.

"Wenn man Millionen verstecken will, lohnt sich jeder Aufwand"

"Eine Möglichkeit ist, dass man sich einen Treuhänder sucht, irgendwo in einem Steuerparadies, und dann dieser Treuhänder eine Gesellschaft gründet, die wiederum ein Grundstück in Deutschland kauft", führt Sebastian aus. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit hat sogar noch viel mehr Firmen in Steuerparadiesen ausgemacht, weil die Unternehmen oft über ein komplexes und weitverzweigtes Firmengeflecht operieren: Laut seiner Studie besitzen etwa 15.000 bis 20.000 anonyme Briefkastengesellschaften deutsche Immobilien.

Eigentlich soll ein Transparenzregister in Deutschland gegen Geldwäsche helfen. Dort haben aber immer noch zu wenige Firmen die Daten ihrer tatsächlichen Eigentümer eingetragen. Anfang Dezember haben noch die Details von etwa der Hälfte der Firmen gefehlt.

In vielen Fällen wirke das Gesetz schon, betont Experte Sebastian, aber "wenn man ein paar 100 Millionen verstecken will, dann lohnt sich eben nahezu jeder Aufwand". In solchen Fällen sei es "sehr schwierig, das Gesetz dann auch tatsächlich durchzusetzen". Bis Juni gilt noch eine Übergangsfrist, danach kann das Bundesverwaltungsamt Bußgelder verhängen.

Immobilien gehören fiktiven Geschäftsführern

Dazu kommt, dass bei vielen Eigentümer-Konstruktionen nur der deutsche Geschäftsführer als fiktiver Berechtigter eingetragen ist. Das macht es noch einmal schwieriger, die tatsächlichen Eigentümer von Immobilien herauszubekommen. "Im Immobilienmarkt ist es vielleicht jede 20. oder jede 30. Immobilie, die so einem Schatten-Finanzzentrumsakteur gehört", sagt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bei ntv. Deutschland müsse sich mit anderen großen Ländern wie den USA zusammenschließen, um die Schattenfinanzzentren zu bekämpfen.

Auch die russischen Oligarchen verschleiern ihren Besitz in Deutschland über Netzwerke aus Briefkastenfirmen. Alischer Usmanow etwa soll eine Villa am Tegernsee laut Medienberichten über Strohleute auf der Steueroase Isle of Man zwischen Großbritannien und Irland gekauft haben. Seine Luxusjacht "Dilbar", die in Hamburg beschlagnahmt wurde und momentan in Bremen liegt, soll laut Medienberichten einer Firma auf den Kaimaninseln gehören. Für einige Firmen hat Usmanow Familienangehörige als Besitzer eintragen lassen.

Ähnlich hat es auch der russische Oligarch Roman Abramowitsch gemacht: Kurz vor dem Ukraine-Krieg soll er Vermögen in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar auf seine Kinder übertragen haben.

Kein zentrales Immobilienregister in Deutschland

Experten gehen davon aus, dass in Deutschland schätzungsweise 20 bis 50 Milliarden Euro an russischen Vermögenswerten liegen. Beschlagnahmt wurden davon aber bisher nur rund 5 Milliarden Euro.

Das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II macht es zwar etwas einfacher, die Immobilien und Firmenbeteiligungen der Oligarchen zu identifizieren, sagt Immobilienexperte Steffen Sebastian. "Das ist aber immer eine Einzelanfrage bei den jeweiligen Banken und den jeweiligen Grundbüchern." Man könne nicht so einfach sagen, welche Vermögenswerte, Konten und Grundstücke den Personen, die unter Sanktionen stehen, gehörten.

In Deutschland gibt es kein zentrales Grundbuchamt, sondern viele kleine, die jeweils bei den lokalen Amtsgerichten angesiedelt. Das macht eine Abfrage, wem welches Grundstück gehört, kompliziert. "Wenn eine Gesellschaft eingetragen ist und deren tatsächlichen Besitzverhältnisse verschleiert sind, dann ist man ganz schnell am Ende", so Schneider. Mit der Hilfe von Gesetzen müsse es gelingen, mehr Transparenz zu schaffen, führt Immobilienexperte Sebastian aus. In anderen Ländern ist das einfacher. In England oder Italien kann man Grundbuchdaten online abfragen.

Italiens Finanzpolizei als Vorbild

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Die Gesetze sind da - das Vermögen der Oligarchen in Deutschland aufzuspüren, bleibt trotzdem schwierig. Was fehlt, ist eine Finanzpolizei - wie in Italien, fordert die Gewerkschaft der Polizei. Die könnte verdächtiges Vermögen wie Luxusjachten viel schneller finden und beschlagnahmen. Der Zollfahndungsdienst könne zu so einer Behörde umgebaut werden.

Zwar plant Finanzminister Christian Lindner ein Bundesfinanzkriminalamt als neue Behörde gegen Geldwäsche. Bis das einsatzbereit ist, kann es aber Jahre dauern, sagen Experten. Für Steffen Sebastian ist klar, dass Detektivarbeit nötig ist, um verschleierte Identitäten aufzudecken: "Wenn Sie es mit krimineller Energie zu tun haben bei der Verschleierung von Eigentum, um Sanktionsmaßnahmen zu verhindern, dann müssen Sie mit kriminalistischer Energie dagegen stehen." Das sei eine Aufgabe für Polizei, vielleicht sogar für die Geheimdienste. "Damit ist die klassische Behörde in jedem Fall überfordert."

Bis dahin bleibt es mühsame Sisyphusarbeit, die tatsächlichen Besitzer von Immobilien herauszufinden. Und dann erst können auch geltende Sanktionen greifen.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

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Quelle: ntv.de

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