Griechenland-Hilfen "Wir müssen alle Zahlungen stoppen"
17.02.2015, 11:55 Uhr
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit seinem griechischen Kollegen Yanis Varoufakis.
(Foto: REUTERS)
Viele Griechen haben genug von der EU-Sparpolitik. Der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach hat dafür Verständnis. Dennoch ist seine Geduld mit der griechischen Regierung am Ende. Auch einen Grexit hält Michelbach für verkraftbar.
n-tv.de: Griechenland hat im Schuldenstreit erneut eine Verhandlungsrunde platzen lassen. Was nun?
Hans Michelbach: Athen hat die Verhandlungen über weitere Finanzhilfen scheitern lassen. Deshalb muss die Europäische Union jetzt handeln. Wenn nicht doch noch ein Wunder geschieht und es zu einer kurzfristigen Einigung kommt, muss Brüssel ab März alle Zahlungen an Athen stoppen und als Sicherheit für die Erfüllung der griechischen Zahlungsverpflichtungen einbehalten. Wir brauchen angesichts der Haltung Athens mehr Sicherheiten
Für die neue griechische Regierung gibt es ein neues Ultimatum bis zum Ende der Woche. Warum wollen Sie gerade jetzt aufhören zu verhandeln, warum jetzt den Geldhahn zudrehen?
Wir haben ein laufendes Programm mit Griechenland, das eingehalten werden muss. Wer einen solchen Vertrag auflöst, der kann nicht damit rechnen, dass man ohne Plan weitere Hilfen leistet. Unser Prinzip war immer: Hilfe nur gegen Gegenleistungen. Wenn dies nicht mehr gewährleistet ist, kann man den Griechen nicht mit Steuergeldern helfen. Athen hat die letzte Frist verstreichen lassen. Selbst bei einer Einigung noch in dieser Woche ist es undenkbar, dass dieser Kompromiss vor Monatsende die nationalen Parlamente passieren kann. Ich sehe ehrlich gesagt auch nicht, wie angesichts der sturen Haltung der Regierung Tsipras eine Einigung aussehen könnte.
Wäre es nicht im Interesse Deutschlands und Europas, eine einvernehmliche Lösung zu finden?
Es wäre vor allem auch im Interesse Griechenlands. Die Erhaltung der Währungsunion ist ein wichtiges Ziel. Zunächst ging es darum, Zeit zu gewinnen und die Situation in den Schuldnerstaaten zu erreichen. Das ist teilweise geglückt, zum Beispiel in Irland, Spanien und Portugal. In Griechenland hat es nicht geholfen. Wir haben 240 Milliarden Euro Hilfe gegeben, trotzdem wurde die Schuldenquote erhöht. Dabei ging es ja gerade darum, ein Land wieder wettbewerbsfähig zu machen und die Refinanzierung am Finanzmarkt zu erreichen. Alles andere wäre eine Dauersubvention, die sich Europa auf Dauer nicht leisten kann.
Sie fordern, die Zahlungen an Griechenland zu stoppen. Damit rückt der Grexit näher. Die Auswirkungen sind allerdings unberechenbar. Warum wollen Sie das Risiko eingehen?
Ein Risiko gibt es immer. Gibt man noch mehr Geld, dann geht unter Umständen auch mehr verloren. Außerdem: Ohne Reformprogramm und Rückzahlungssicherheit kann man Griechenland kein weiteres Geld geben. Ich halte das Risiko für beherrschbar.
Sie halten den Grexit für Europa also für verkraftbar?
Grexit ist nicht mein Ziel. Aber Grexit könnte die zwangsläufige Konsequenz des Verhaltens der griechischen Regierung sein. Vor einigen Jahren war ein Ausstieg noch viel schwieriger denkbar. Das Risiko eines Domino-Effektes für die gesamte Währungsunion war wesentlich größer. Aber wir haben in den vergangenen Jahren gute Arbeit geleistet und viele Instrumente geschaffen, um Risiken abzufedern. Der Grexit wäre nicht einfach. Wir haben damit keine Erfahrungen. Denn bisher ist kein Mitgliedsland aus der Union ausgetreten. Trotzdem müssen wir unsere Verantwortung für den Steuerzahler wahrnehmen.
Wie teuer ist die Griechenland-Rettung bislang für Deutschland?
Wir haben eine Haftungssumme von etwa 60 Milliarden Euro. Der Verlust würde uns sehr wehtun. Wir haben nach mehr als 40 Jahren gerade immerhin den ersten ausgeglichenen Haushalt erreicht. Allerdings entgeht Griechenland nicht automatisch seinen Rückzahlungsverpflichtungen, wenn es in eine Staatsinsolvenz steuert. Wenn jemand in Athen glaubt, er könne mit einer Staatsinsolvenz einen Schuldenschnitt erzwingen, wird es ein böses Erwachen geben.
In Griechenland ist das Bruttoinlandsprodukt um 25 Prozent eingebrochen. Das Land steckt seit Jahren in der Rezession. Wie viel Verständnis haben Sie für die Griechen, die sagen "jetzt reicht's"?
Ich habe großes Verständnis. Nur: Auch die Griechen müssen das Ende bedenken. Sie haben eine links-/rechtsradikale Regierung gewählt, die die Bevölkerung nahezu als Geisel für ihre politischen Vorstellungen nimmt. Es geht nicht, dass man die Schuld an den eigenen Entwicklungen immer nur im Ausland sucht. Die Griechen müssen mal in den eigenen Spiegel schauen, was sie angerichtet haben. Im Übrigen: Vor der Wahl gab es auch positive Entwicklungen in Griechenland. Die werden jetzt von der neuen Regierung aufs Spiel gesetzt.
Mit Hans Michelbach sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de