Zu viele Ausnahmen und Gegenstimmen Zoff bis auf die Zielgerade
30.06.2014, 08:37 Uhr
Erntehelfer sind nun eine Ausnahme beim Mindestlohn.
(Foto: dpa)
Am Donnerstag soll das Gesetz zum Mindestlohn durchs Parlament. Doch plötzlich nimmt die Debatte neue Fahrt auf. Kritik kommt von allen Seiten.
Wenige Tage vor der geplanten Verabschiedung des Mindestlohn-Gesetzes ist das Thema alles andere als befriedet. Der CSU-Wirtschaftspolitiker Peter Ramsauer kündigte in der "Bild"-Zeitung Nein-Stimmen aus den Reihen der Union zur Gesetzesvorlage von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) an. Von der Linken hagelte es Kritik, SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi nannte die Kritik von Gewerkschaftern "überzogen und unsachgemäß".
"Das Gesetz geht nach wie vor wirtschaftspolitisch in die falsche Richtung, deshalb werden viele Wirtschaftspolitiker der Union nicht zustimmen", sagte Ramsauer, der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses. Er übte heftige Kritik am Kurs der Großen Koalition in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. "Wir sind dabei, unsere Energiekosten zu erhöhen, unsere Sozialkosten zu erhöhen und Investitionen herunterzufahren. Damit gefährden wir die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft Deutschlands", sagte Ramsauer.
Eine Spitzenrunde der Koalition aus Union und SPD hatte am Freitag den Weg für die Verabschiedung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro geebnet. Dabei wurden Ausnahmen für die Zeitungsbranche, für Saisonarbeit und für die Beschäftigung von Praktikanten vereinbart.
Keine Löcher
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) verteidigte die Mindestlohn-Ausnahmen für Agrar-Saisonarbeiter. "Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn für Betriebe im Obst- und Gemüseanbau sind keine Durchlöcherung des Gesetzes, sondern ein Beitrag zur Überlebensstrategie heimischer Betriebe", sagte Schmidt der "Passauer Neuen Presse". Ohne solche Regelungen würden "manche Arbeitsplätze zukünftig nicht mehr bestehen bleiben." Laut Medienberichten sollen Zeitungszusteller 2015 und 2016 deutlich weniger als 8,50 Euro in der Stunde erhalten. Bei Erntehelfern in der Landwirtschaft können die Kosten für Kost und Logis verrechnet werden. Studentenpraktika bis zu drei Monaten sollen ebenfalls von der Lohnuntergrenze ausgenommen sein.
Der Bundesvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Klaus Barthel, forderte die Rücknahme der jüngsten Ausnahme-Vereinbarungen. "Die angedachten weiteren Ausnahmen beim Mindestlohn belegen, dass es einigen in der Union nicht um die sachgerechte Umsetzung des Koalitionsvertrages geht, sondern um die systematische Durchlöcherung des Mindestlohnes bis zur Unkenntlichkeit", sagte Barthel dem "Handelsblatt". Die neuen Vorschläge, beispielsweise im Hinblick auf die Saisonarbeit, seien eine erneute "Einladung für Umgehungen und Missbrauch, auch zulasten der Sozialkassen".
Kampf bis zur letzten Sekunde
DGB-Chef Reiner Hoffmann kündigte Widerstand der Gewerkschaften an. "Wir werden bis zur letzten Stunde dafür kämpfen, dass es keine Ausnahmen geben wird", sagte er in der ARD. "Hier haben sich mächtige Lobbygruppen in den letzten Wochen auf den Weg gemacht, um das Mindestlohngesetz noch weiter zu durchlöchern", so der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschafsbundes.
Der Chef der Partei "Die Linke", Bernd Riexinger, bezeichnete den Gesetzentwurf als verfassungswidrig. Er sagte der "Frankfurter Rundschau", der Entwurf von Arbeitsministerin Nahles lese sich wie eine Satire auf das SPD-Wahlprogramm.
Die SPD-Generalsekretärin Fahimi sagte dem "Spiegel", sie gehe davon aus, dass sich über die Einführung des Mindestlohns "alle Gewerkschaftsvorsitzenden gleichermaßen freuen". Für "mindestens 3,7 Millionen Beschäftigte" bedeute der Beschluss zum Mindestlohn eine "bislang nicht gekannte Absicherung". Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wies die Kritik zurück. Oppermann sagte der Deutschen Presse-Agentur, es gehe um eine Sozialreform von historischem Ausmaß. Übergangsregeln - etwa für Saisonarbeiter und Zeitungszusteller - seien notwendig und von Anfang an vereinbart gewesen.
Im Arbeitsausschuss des Bundestages findet heute eine Expertenanhörung zu den schwarz-roten Mindestlohnplänen statt. Das Gesetz soll dann am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa