Die MPK am 25. November verfolgten Kanzlerin Merkel und der MPK-Vorsitzende, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, gemeinsam.
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Oft war in den Monaten der Corona-Pandemie von der Stärke des Föderalismus die Rede, wenn auch zuletzt etwas kleinlauter. Das Zwischenfazit fällt allerdings bescheiden aus.
Man kann es auch so sehen: Endlich reagieren die Länder auf die steigenden Infektions- und Todeszahlen, endlich räumen sie ein, dass schnell etwas getan werden muss. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl zum Beispiel, der offen zugab, die Lage sei nicht unter Kontrolle.
Aber die Lage ist auch deshalb nicht unter Kontrolle, weil die zuständigen Landesregierungen sich seit Monaten davor drücken, Verantwortung zu übernehmen. Weil sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten erst weigern, die Corona-Maßnahmen zu verschärfen, und dann auf Druck der Kanzlerin immer atemloser immer neue Beschlüsse fassen:
- Erst kam der November-Lockdown, auch "Lockdown light" oder "Teil-Lockdown" genannt.
- Vier Wochen später wurde er verlängert bis zum 20. Dezember, einschließlich der Ankündigung, über Weihnachten würden Maßnahmen gelockert - was danach von Bundesland zu Bundesland wieder zurückgenommen wurde.
- Am 2. Dezember wurde der Teil-Lockdown bis zum 10. Januar verlängert und die nächste Ministerpräsidentenkonferenz, kurz MPK, für den 4. Januar angesetzt.
- Nur eine Woche später verkündete der bayerische Ministerpräsident Markus Söder schärfere Corona-Maßnahmen für sein Bundesland und forderte den harten Lockdown für ganz Deutschland; Sachsen, das Land mit der höchsten 7-Tage-Inzidenz, kündigte ihn für Montag an.
- An diesem Wochenende schließlich dürfte in einer kurzfristig angesetzten MPK ein bundesweiter Lockdown beschlossen werden - danach sieht es derzeit zumindest aus.
Zyniker würden sagen: Wenn die Schlagzahl so weitergeht, müssen sich die Ministerpräsidenten bald stündlich mit Angela Merkel zusammenschalten. Für den obligatorischen Streit über den Termin wird dann leider keine Zeit mehr sein. Aber witzig ist es schon lange nicht mehr, wie die Ministerpräsidenten diese Krise managen. Der Teil-Lockdown war angekündigt als Gegenleistung für ein harmonisches und halbwegs normales Weihnachten. Umso größer wird nun die Enttäuschung sein, dass die Rechnung nicht aufgeht - obwohl dies von Anfang an klar war und auch so deutlich hätte kommuniziert werden müssen.
Motto: Woanders ist es noch schlechter
Oft war in den vergangenen Monaten von der Stärke des Föderalismus die Rede, zuletzt auch etwas kleinlauter davon, dass dies eine Bewährungsprobe für den Föderalismus sei. Das Zwischenfazit fällt bescheiden aus. Wie in der Schulpolitik haben die Bundesländer sich hinter den Fehlern der anderen versteckt, frei nach dem Motto: "Kann sein, dass es bei uns nicht rund läuft - aber guckt mal dorthin, da ist es noch schlechter!" Gerade bayerische Politiker scheinen eine Fixierung auf Berlin zu haben, wenngleich die mit dem Anstieg der Fallzahlen in Bayern immer kleiner wurde. Zuletzt grenzte sich der schleswig-holsteinische Ministerpräsident allen Ernstes von Bayern ab, indem er darüber sprach, es gebe "so etwas wie eine norddeutsche Gelassenheit", die jetzt helfe. Tja, vielleicht. Vielleicht hilft aber auch, dass die Landgrenze zu Dänemark 67 Kilometer lang ist, während Bayern mehr als eintausend Kilometer Grenze zu Tschechien und Österreich hat.
Ob Norden oder Süden, Osten oder Westen: Die Politik hat in den vergangenen Monaten keine gute Figur abgegeben und wirkt auch jetzt ziemlich ratlos. Die lange weitgehend gültige Aussage, Deutschland sei gut durch diese Zeit gekommen, lässt sich längst nicht mehr aufrechterhalten. Das liegt auch daran, dass der Sommer nicht genutzt wurde, um sich auf die zweite Welle vorzubereiten, von der immer klar war, dass sie kommen würde.
Seit Oktober müht sich die Kanzlerin ab, die Bundesländer in dieselbe Richtung zu schieben. Auch sie wirkte dabei nicht immer souverän, vor allem nicht, als sie versicherte, der Teil-Lockdown sei auf den November begrenzt. Aber wenigstens hat sie eine Vorstellung davon, wo es hingehen soll. Offenbar brauchte es erst Merkels eindrucksvollen Auftritt vor dem Bundestag, um die Bundesländer in Bewegung zu bringen.
Wenn schon, dann nach Plan
Ja, die Situation ist komplex und unübersichtlich, und das gilt nicht nur für die Forschungslage zur Ausbreitung des Coronavirus, sondern auch für die Stimmung in der Bevölkerung. Es ist nachvollziehbar, dass die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten zögerlich sind. Aber Corona dauert nun auch schon ein paar Monate an. Es gibt Erfahrungswerte aus Deutschland und anderen Ländern. Natürlich ist zentrale Führung keine Garantie dafür, besser durch diese Krise zu kommen. Dafür muss man gar nicht in die Nachbarländer gucken, das zeigt schon ein Blick auf Deutschland, wo Wirtschaftsminister Peter Altmaier Einkaufen erst als "patriotische Aufgabe" bezeichnete und zwei Wochen später forderte, die Politik müsse "jetzt" handeln.
Dennoch: Wenn hierzulande ein Schwachpunkt offensichtlich ist, dann ist es die Zuständigkeit der Bundesländer für die Bekämpfung einer globalen Pandemie. Die unterschiedlichen Regeln, die zwischen Flensburg und Fichtelberg, zwischen Kap Arkona und Oberstdorf gelten und die kaum jemand noch durchblickt, haben ihren Grund nicht in regionalen Besonderheiten oder unterschiedlichen Inzidenzwerten. Auch für ein großes Land wie die Bundesrepublik wäre es möglich, einen Stufenplan zu entwickeln, wie Irland es gemacht hat. Dann wäre klar, wann ungefähr der Schritt in die nächste Stufe nötig ist, und auch hier könnte man regionale Unterschiede machen - wenn man es denn vorher geschafft hätte, sich auf einen bundesweiten Plan zu einigen, statt nur so zu tun.
Jeder Lockdown ist ärgerlich. Aber wenn es denn schon sein muss, dann doch bitte nicht überstürzt, planlos und erst nach einer strengen Ermahnung der Kanzlerin. Sondern aufgrund eigener Überlegungen und nach Plan.
Quelle: ntv.de
