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Streit um Kanzler im Ausschuss Der Sieben-Stunden-Eklat offenbart Scholz' größtes Problem

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Scholz hört zuweilen Fragen, die ihm so nicht gestellt wurden.

(Foto: IMAGO/NurPhoto)

Entnervt verlassen am Morgen FDP-Abgeordnete den Verteidigungsausschuss und brüskieren so den geladenen Kanzler. Eiligst werden die Ampel-Rebellen gestutzt und werfen sich um des Koalitionsfriedens willen in den Staub. Dabei war ihr Verhalten nachvollziehbar.

Der FDP-Politiker Marcus Faber hat an diesem Freitag eine unschöne Erfahrung gemacht, die er mit zahlreichen Journalisten und Mitgliedern mehrerer parlamentarischer Untersuchungsausschüsse gemein hat: Er wollte etwas Wichtiges von Olaf Scholz wissen, nämlich zu dessen Ukraine-Politik. "Ihm wurden sehr viele Fragen gestellt. Leider wurden sehr viele Fragen davon auch nicht beantwortet", sagte er im Anschluss vor Medienvertretern. "Deswegen haben wir als Freie Demokraten um kurz nach neun entschieden, dass wir die Sitzung jetzt verlassen."

Für diesen Affront gegenüber dem Bundeskanzler musste er sich sieben Stunden später entschuldigen und seinen Posten als verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion zur Verfügung stellen. So ist der Koalitionsfrieden gewahrt, doch das eigentliche Problem nur kaschiert: die unmögliche Kommunikation des Bundeskanzlers.

Dass einem Mitglied der Regierungsfraktion derart die Pferde durchgehen, dass es die Konsequenzen seines Handelns nicht bedenkt, ist natürlich unprofessionell. Zudem wissen auch nur Teilnehmer, was wirklich gesagt wurde, und die Grüne Agnieszka Brugger etwa äußerte sich hernach zufrieden. Doch in den sozialen Medien braute sich schnell der perfekte Sturm zusammen. Die Opposition griff das vorzeitige Verlassen der FDP-Abgeordneten genüsslich auf. Noch am Vormittag versuchte Faber die Wogen zu glätten, unter anderem bei ntv.de: Kein bewusster Affront sei das gewesen, kein Eklat; Zeitenwende ist super und die Ampel sowieso. Halt das sagen, was sie immer sagen in Berlin, obwohl es kein Insiderwissen braucht, um zu erkennen, wie oft es zwischen den Regierungsparteien knatscht und wie groß immer wieder der Frust über die Öffentlichkeitsarbeit des Bundeskanzlers ist - und zwar in allen drei Fraktionen.

Mehr Auftritte, selber Scholz

Letzteres hat Scholz zuletzt zu einer kleinen Offensive bewogen: ein Auftritt im ZDF, eine Fernsehansprache am vergangenen Sonntag und am kommenden Montag ist er bei RTL zu Gast, um seinen Ukraine-Kurs zu erklären. Das sorgt in mancherlei Hinsicht für Klarheit, nach welchen Prinzipien er Entscheidungen zur Unterstützung der von Russland überfallenen Ukraine trifft. Einen Stil-Wechsel hat er indes nicht vorgenommen.

Ob in Interviews, Pressekonferenzen oder parlamentarischen Befragungen: Scholz beantwortet Fragen oft so, wie er sie gerne gehört hätte. Dabei lässt er regelmäßig durchblicken, dass er der Auffassung ist, dass der Fragesteller die Dinge nicht so durchdrungen hat wie er selbst. Außerdem teilt er häufig genauso hart aus, wie er von Kritikern angepackt wird. Das ist sein gutes Recht, wirkt aber wenig souverän und nicht selten arrogant. Sollte er dem schnoddrigen Helmut Schmidt nacheifern, vergisst Scholz offenbar, wie kontrovers dieser Kanzler während seiner Amtszeit war.

Schon bei "Anne Will" hatte Scholz aufhorchen lassen, als er abfällig über Wissenschaftler sprach, die auf Basis von Rechenmodellen einen sofortigen Gas-Boykott gegenüber Russland für machbar hielten. Nach der Regierungsklausur in Schloss Meseberg rüffelte er gleich mehrere Journalisten für ihre Fragen. Wer so etwas wie Dissens anspricht, ob bei der Ministerpräsidentenkonferenz oder in der Koalition, den belehrt der Kanzler grundsätzlich eines Besseren. Genauer gesagt, eines Schlechteren: Scholz biegt sich die Realität mitunter zurecht. Im Amt des Regierungschefs ist das bedenklich.

Der Druck steigt

Nicht minder problematisch ist aber, wenn um des Koalitionsfriedens willen unzufriedene Abgeordnete gezwungen werden, sich für kritische Äußerungen umgehend in den Staub zu werfen - wie es nun Faber ergangen ist. Ausgerechnet die Spitzen dieser Regierung hatten doch noch bis zur Bundestagswahl kein gutes Haar aneinander gelassen und sich eine Ampel einfach nicht vorstellen können. Selbst die SPD wurde erst zum Scholz-Fanclub, als sich ein Wahlsieg ihres Vernunftkandidaten abzuzeichnen begann. Wie der einstige Scholz-Chefverhinderer Kevin Kühnert in seiner Rolle als SPD-Generalsekretär noch die offensichtlichsten Probleme der Ampel mit Verve ins Gegenteil verklärt, spricht ebenfalls Bände.

Für den Moment mag diese Kultur der Nichtkritik für die Ampel funktionieren. Deckel drauf und zu das Ding. In Zeiten des Krieges wird es keinen Aufstand aus den drei Parteien geben. Dass eine Koalition mit so unterschiedlichen Ansichten diesen von oben verordneten Hurra-Stil auf Dauer durchhält, muss aber bezweifelt werden. Ein Deckel auf dem Topf nimmt nämlich nicht die Hitze raus, ganz im Gegenteil.

Quelle: ntv.de

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