
Den Abgeordneten im Bundestag liegen heute vier Anträge zum Thema Sterbehilfe vor. Sie sollten alle ablehnen.
Über letzte Fragen kann man lange reden, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Das gilt vor allem, wenn es um Leben und Tod geht. Sollen Ärzte todkranken Patienten helfen dürfen, aus dem Leben zu scheiden? Der Bundestag diskutiert diese Frage heute nicht nur, er stimmt darüber ab. Vier Anträge liegen vor. Viel spricht dafür, sie alle durchfallen zu lassen.
Gute Argumente gibt es auf beiden Seiten. Auf der Hand liegt das Argument der Selbstbestimmung. Befürworter des Rechts auf Suizidbeihilfe sagen, Menschen sollten nicht nur selbstbestimmt leben, sondern auch selbstbestimmt sterben dürfen. Für andere ist die Sache komplizierter. Bernd Oldenkott etwa, der Leiter der Palliativmedizin im Berliner Hedwigskrankenhaus, hält ein selbstbestimmtes Leben für eine Illusion. "Wenn wir meinen, nur selbstbestimmt zu leben, dann fehlt uns etwas", sagt er. Ihm missfällt, dass es der Gesellschaft zunehmend schwerfällt zu akzeptieren, "dass auch das unschöne Leben vieles Schöne hervorbringen kann".
Der Haken ist, dass eine solche Position letztlich religiös unterfüttert, zumindest aber metaphysisch inspiriert ist. Eine gesellschaftliche Mehrheit dafür gibt es nicht. In einer Emnid-Erhebung sprachen sich kürzlich 74 Prozent der Befragten dafür aus, dass ein Arzt bei tödlichen Krankheiten Sterbehilfe leisten darf.
Insgesamt lagen vier Änderungs-Anträge zur Sterbehilfe vor:
- Die CDU-Politiker Sensburg und Dörflinger wollten Beihilfe zum Suizid grundsätzlich unter Strafe stellen.
- Eine fraktionsübergreifende Gruppe um den CDU-Abgeordneten Brand und die SPD-Politikerin Griese wollte organisierte und geschäftsmäßige Suizidbeihilfe verbieten. Dieser Antrag hatte Erfolg.
- Zwei weitere Anträge sahen vor, Sterbehilfe ausdrücklich zu erlauben. Eine der beiden Gruppen ist um CDU-Mann Hintze und die SPD-Politikerin Reimann organisiert, die andere um die Grüne Künast und die Linke Sitte.
- Bislang gab es keine Regelung, Suizidbeihilfe war damit nicht verboten. Allerdings verbot das ärztliche Standesrecht in zehn von siebzehn Landesärztekammern die Suizidbeihilfe. Ärzte, die sich darüber hinwegsetzten, riskierten ihre Zulassung, auch wenn sie gegen kein Gesetz verstießen.
Ein "Wert an sich" ist menschliches Leben für viele Menschen in diesem Land ganz offensichtlich nicht. Man kann dies bedauern, man kann befürchten, dass viele Menschen sich aus falschen oder vermeidbaren Gründen gegen das Leben entscheiden: Weil sie Angst vor Schmerzen haben, die Palliativmediziner ihnen nehmen könnten. Weil sie nicht abhängig von Hilfe sein wollen. Weil sie, der schlimmste Grund, ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollen. Wie gesagt, man kann dies bedauern. Kann man es ändern? Vermutlich nicht. Bereits Anfang der 1970er-Jahre sagte mehr als die Hälfte der Bundesbürger, ein schwer kranker Patient solle im Krankenhaus das Recht haben, zu verlangen, dass der Arzt ihm eine todbringende Spritze gibt.
Noch immer gibt es für eine solche Position im Bundestag keine Mehrheit: Die beiden Anträge, die auf eine Liberalisierung der Suizidbeihilfe abzielen, gelten als chancenlos. Einzig die Initiative, die organisierte und geschäftsmäßige Sterbehilfe verbieten will, hat Aussicht auf eine Mehrheit. Tatsächlich spricht einiges dafür, Sterbehilfevereinen das Handwerk zu legen: Niemals sollte Suizidbeihilfe ökonomischen Anreizen unterliegen. Dennoch ist dieser Antrag problematisch, weil er die juristische Unsicherheit für Ärzte noch vergrößert.
Ursprünglich hatten die Antragsteller um Peter Hintze und Carola Reimann argumentiert, dass ihr Antrag mit einem Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe kombinierbar sei. Dieser Weg hätte ein Kompromiss sein können zwischen der Mehrheit im Bundestag und der Mehrheit in der Gesellschaft. Dazu wird es leider nicht kommen. Am besten wäre es daher, wenn alles bei der alten, rechtsunsicheren Lage bliebe. Die letzte Frage nach der Hilfe beim Sterben ist im Moment einfach nicht sinnvoll zu beantworten.
Quelle: ntv.de