Pressestimmen

Attraktivität der deutschen Armee "Bundeswehr droht sich zu verzetteln"

Pressestimmen.jpg

Verteidigungsministerin von der Leyen stellt ein Konzept vor, das die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver machen soll. Sie möchte unter anderem mit mehr Geld, mehr Flexibilität und geregelten Arbeitszeiten Fachkräfte anlocken. Doch das Programm soll hunderte Millionen Euro kosten - Geld, das momentan nicht da ist. Die deutsche Presse kommentiert den Plan.

Das Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung sieht die Finanzierung des Programms kritisch. "Die 200 Millionen Euro im Jahr, die von der Leyens Attraktivitätsoffensive verschlingen wird, sind eine Investition, von der im Moment niemand weiß, ob sie sich auch rechnet." Nötig sei sie gleichwohl - auch wenn die Bundeswehr mit alten Hubschraubern, fehlenden Transportmaschinen und Drohnen, die nicht fliegen würden, noch jede Menge anderer teurer Probleme habe, schreibt das Blatt. Jedoch: "Die modernste Ausrüstung aber ist ihr Geld nicht wert, wenn sie irgendwann niemand mehr bedienen kann."

Auch die Nürnberger Nachrichten runzeln bei der Finanzierungsfrage die Augenbrauen. "Knapp eine Milliarde Euro will die Ministerin in den kommenden vier Jahren bis 2018 dafür ausgeben, wobei sie genaue Festlegungen, woher das Geld stammen soll, wohlweislich vermied." Teile man diese Milliarde ganz grob durch die 240.000 Soldaten und zivilen Mitarbeiter, blieben für jeden pro Jahr rund 1000 Euro übrig, rechnet der Kommentator. "Selbst wenn man davon ausgeht, dass von der Leyen die Mittel irgendwo auftreiben kann, ohne sie bei ebenfalls dringenden Rüstungsprojekten abzuzwacken, macht diese Summe aus der Bundeswehr noch lange keinen attraktiven Arbeitgeber."

Ähnlicher Meinung ist auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Schon jetzt würden der Truppe Fachleute fehlen, die nötig sind, um die komplexer werdenden Waffensysteme zu bedienen und zu warten, schreibt die Zeitung. "Diesem Missstand soll das neue Attraktivitätsprogramm abhelfen." Die Einführung von Regelarbeitszeit und Teilzeitarbeit möge mancher alte Kämpe als unvereinbar mit dem traditionellen Soldatenbild ansehen. Doch die Wehrpflicht sei ausgesetzt und die Wahrscheinlichkeit gering, dass trotzdem ganze Abiturientenjahrgänge mit Horaz auf den Lippen die Kasernentore stürmen, um ihrem Vaterland zu dienen. "Diejenigen, die das tun wollen, gehen in aller Regel zum 'Islamischen Staat'. Auch hier stellt sich die Frage nach dem Geld: "Noch zeigen aber muss die Verteidigungsministerin, wie sie die Maßnahmen zur Verbesserung der Ausrüstung wie auch der "Arbeitsbedingungen" unter einen Helm bringen will, ohne ihren Etat zu sprengen."

Der Münchner Merkur macht auf eine andere Problematik durch die Attraktivitätsoffensive aufmerksam, denn von der Arbeit der durchaus emsigen Verteidigungsministerin bekomme die Öffentlichkeit nur Zerrbilder mit. "Die Bundeswehr scheint demnach im Wesentlichen Kinderkrippen zu unterhalten, die die Ministerin wöchentlich inspiziert, und ein Armeemuseum rostender Rüstungsgüter, für das sie sich irgendwie nicht zuständig fühlt. So etwas kommt dabei raus, wenn schräge Selbstinszenierung die Inhalte überlagert." Dennoch gehe von der Leyens große Attraktivitäts-Agenda für die Bundeswehr nun in die richtige Richtung, meint die Zeitung. Sie packe mit viel Geld zentrale Probleme der Soldaten an: "Der Wehrsold wird kräftig aufgestockt, Leistung honoriert, Hochqualifizierte sollen angelockt und gehalten werden. Das ist enorm wichtig für die Bundeswehr."

Die Rheinpfalz aus Ludwigshafen findet klare Worte: "Die Weltlage hat sich gewandelt, es kracht und kriselt an vielen Ecken. Die Bundeswehr droht sich zu verzetteln." Daher brauche die Truppe eine neue strategische Aufstellung, die auch die ursprüngliche Aufgabe der Landesverteidigung und die Aufgaben innerhalb des Nato-Bündnisses einschließe. "Damit könnte auch vermieden werden, dass sich Deutschland blamiert, wenn der Einsatz - wie im Falle der Ukraine-Grenzüberwachung - weder technisch zu bewältigen noch politisch geklärt ist. Ein neues Weißbuch für die Bundeswehr ist sinnvoller als der derzeitige Aktionismus der Ministerin."

Auch die Südwest Presse aus Ulm stellt klar, "es klemmt nicht nur hinten und vorn am Gerät." Drei Jahre nach dem Ende der Wehrpflicht zeige sich die Personalmisere der Bundeswehr. Es gelinge offenbar nicht, auf freiwilliger Basis genügend fähige Köpfe - von der Leyen will sogar die besten Deutschlands - zu rekrutieren. "Soldat zu sein bedeutet, enorme Belastungen zu ertragen und notfalls das eigene Leben einzusetzen. Das zu honorieren - auch finanziell und mit angemessenen Arbeitsbedingungen - ist richtig", meint die Zeitung. Doch noch wichtiger sei es, jenen, die täglich im Einsatz den Kopf hinhalten, die dafür angemessene Ausrüstung zu stellen. "Die Ministerin muss Prioritäten setzen, bevor sie auch noch Yoga am Hindukusch anbietet."

Zusammengestellt von Hanna Landmann

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen