Pressestimmen

Polizistenmorde von Dallas "Die USA blicken in einen Abgrund"

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(Foto: picture alliance / dpa)

In den tödlichen Schüssen auf Polizisten verschmelzen zwei der ältesten Konflikte der Vereinigten Staaten von Amerika: Rassismus und Waffen. Die deutsche Presse zeigt sich angesichts der Gewalt geschockt. Die Polizistenmorde seien der vorläufige Höhepunkt einer Spirale der Eskalation. Die Kommentatoren beklagen eine tiefe Spaltung der Gesellschaft und sprechen von den "Verunsicherten Staaten von Amerika".

Nach den Polizistenmorden in Dallas sagt die Frankfurter Allgemeine Zeitung den USA eine düstere Zukunft voraus: "Dieser Anschlag wird Amerikas Gesellschaft vermutlich weiter spalten". Denn nun, gibt die Kommentator zu bedenken, hätten auch die Weißen einen Grund, sich vor rassistisch motivierten Straftaten zu fürchten. Gerade die Aussage des mutmaßlichen Täters, "er habe weiße Leute umbringen wollen", habe das Potenzial, die Beziehungen zwischen den Bvölkerungsgruppen weiter zu vergiften. Am aufgeheizten Klima hätten auch die Konservativen ihren Anteil, gibt die FAZ zu bedenken. Dort gebe man ständig die Parole aus, es gebe einen regelrechten "Hass auf Sicherheitskräfte".

Auch die Landeszeitung aus Lüneburg rückt die zunehmende Spaltung der amerikanischen Gesellschaft in den Fokus ihrer Betrachtung. Die Schüsse von Dallas, Louisiana und Minnesota lasse die Gefahr bürgerkriegsähnlicher Zustände wachsen. "Am Ende dieser Woche blicken die USA in einen Abgrund." Für die Tea Party sei jeder ermordete Polizist ein Beleg für die Parole, in den drogenverseuchten Ghettos der Städte herrsche "ein Krieg gegen die Cops". Doch auch die Afro-Amerikaner sehen sich als Opfer eines Krieges: Sie lebten ständig in der Gefahr, von der Polizei erschossen zu werden, "weil sie schwarz sind". So stellen die Kommentatoren fest: "Die Vereinigten Staaten von Amerika sanken herab zu den Verunsicherten Staaten von Amerika." Zudem wirkten die sozialen Medien in dieser "hochexplosiven Lage" wie Brandbeschleuniger.

Für die Kommentatoren der Süddeutschen Zeitung verschmelzen in den USA derzeit zwei der ältesten und bittersten Kontroversen miteinander: "Die um Rassismus und die um Waffen." Auch 240 Jahre nach der Unabhängigkeit der "Vereinigten Staaten" stünden sich viele Bürger in "unüberwindbarer Teilung, ja in ständiger Todesangst" gegenüber. Statt den Waffenwahn einzudämmen, habe man sich wie betäubt mit ihm abgefunden, kritisiert die SZ.

"Eine nicht abgefeuerte Schusswaffe steht am Anfang der brutalen Kettenreaktion": So kommentiert die Volksstimme aus Magdeburg die Attentate auf Polizisten in Dallas. Die Tatsache, dass viele Amerikaner solche Waffen zur Verfügung hätten, sei "ein Grund für die brutalen Festnahmeaktionen einer nervösen, überforderten Polizei". Schusswaffen seien keine normalen Werkzeuge: "Schon ihr Dasein erzeugt Angst. Schusswaffen brutalisieren." Ein irrer Gedanke, so die Volksstimme, artete mit einer halbautomatischen Waffe zu einem Massenmord aus. Eine Zählung habe kürzlich ergeben, dass in den USA 89 Menschen pro Tag durch Schusswaffen sterben: "Ein viel zu hoher Preis für die fast unbegrenzte Freiheit, eine Schusswaffe zu kaufen."

Die Südwest Presse aus Ulm kommt zu einem drastischen Schluss: "So tragisch und verabscheuungswürdig die Polizistenmorde in Dallas auch sind, sie verwundern nicht." Die Tatsache, dass immer wieder schießwütige Polizisten freigesprochen oder gar nicht erst vor Gericht gestellt würden, schüre Frust und Ressentiments in der afro-amerikanischen Gesellschaft. Deswegen müsse die Justiz reformiert werden, um sicherzustellen, dass Kriminelle zur Rechenschaft gezogen würden – "ob sie Uniform tragen oder nicht."

Zusammengestellt von Judith Günther

Quelle: ntv.de

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