Terrorgefahr bei der EM "Fußball ist immer auch ein bisschen Politik"
10.06.2016, 21:45 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Fußball-EM ist in diesen Zeiten nicht nur ein sportliches sondern auch ein höchst politisches Ereignis. Trotz der strikten Sicherheitsvorkehrungen bleibt die Angst vor dem Terror. Die Presse sieht die EM aber auch als Chance das gespaltene Europa wieder näher zusammen zubringen und den Terror mit Optimismus zu besiegen.
Der Münchner Merkur schreibt, die EM bestimme die Entwicklung folgender Sportveranstaltungen. "Der Sport, mit dem wir aufgewachsen sind, ist in Gefahr. Er selbst hat sich in Frage gestellt durch Doping, Korruption. Doch er wird auch von außen angegriffen. Früher galt: Während Olympia haben die Waffen weltweit zu schweigen, und eine Fußball-WM war Konsensprogramm, ungeachtet von Weltanschauungen. Und heute? Ist nichts gefährdeter als eine Sport-Großveranstaltung. Vom Friedenskonvent zur Zielscheibe. Die Europameisterschaft 2016 in Frankreich bestimmt darüber, wie der große Sport sich entwickeln wird. Gelingt es ihm, trotz massiver Bedrohungslage die Atmosphäre zu schaffen, die die Menschen mit einem sommerlichen Fußballfest verbinden? Viele sind jetzt wieder Fans, sie wollen den Fußball erleben wie immer, im Stadion, beim Public Viewing. Die wichtigste Frage soll sein: Gewinnen wir? Nicht: Sind wir in Gefahr?"
Die Landeszeitung aus Lüneburg sieht trotz der Sicherheitsmaßnahmen keine Garantie für einen absoluten Schutz: "Der Ball rollt bei der Europameisterschaft im Hochsicherheitstrakt Frankreich. Der Terror hat es leider geschafft, dass man nicht nur mit Freude, sondern auch mit einiger Sorge auf das Fußball-Spektakel schaut. Bestmöglicher Schutz für Spieler, Stadionbesucher und Fans beim Public Viewing, für öffentliche Verkehrsmittel und belebte Plätze - eine Herkulesaufgabe ohne Garantie auf völliges Gelingen. Die Aufblähung des EM-Turniers auf 24 Mannschaften macht die Aufgabe nicht leichter, zumal die Abwicklung aller 51 Spiele einen ganzen Monat in Anspruch nehmen wird. Mehr als 100.000 Menschen bietet Frankreich auf, Polizisten, Soldaten und private Sicherheitsdienste, um dem Terror keine Chance zu geben."
Für die Märkische Oderzeitung aus Frankfurt/Oder hingegen hat die EM großes Potenzial für Frankreich wieder außerhalb des Terrors von sich reden zu machen. "Jetzt startet eine Fußball-Europameisterschaft, die von einem gigantischen Heer an Sicherheitskräften geschützt werden muss. Seit den Anschlägen vom November letzten Jahres befindet sich das Land zusätzlich zu allen anderen Kalamitäten im Ausnahmezustand, laut Hollande sogar im Krieg. Zehntausende gehen in die Stadien oder besuchen Fan-Meilen. Zu wünschen ist, dass alles gut geht. Und "Les Bleus" auch durch sportliche Großtaten wieder von sich reden machen. Es muss ja kein Finalsieg gegen die Deutschen sein."
Die Rhein-Neckar-Zeitung aus Heidelberg betrachtet Freude und Optimismus als beste Kampfansage gegen den Terror. "Fußball ist immer auch ein bisschen Politik. Gewinnt die Mannschaft, sitzt die Regierungschefin im Stadion, läuft es weniger gut, bleibt sie in Berlin. Der Bundespräsident macht es nicht anders. Das normale Volk aber auch nicht. Und fast immer wird die positive Wirkung einer Fußball-WM oder -EM im Vorfeld unterschätzt. Es hilft, an dieser Stelle etwas positiver zu denken, sich auf die Spiele einzulassen, die Spannung, das Mitfiebern. Ganz nebenbei ist das die Höchststrafe für die Terroristen."
Die Pforzheimer Zeitung schätzt besonders die integrative Kraft der EM gegen zunehmend nationale Tendenzen. "Freilich verbindet die Fußballfans in ganz Europa nicht nur der Wunsch nach einem friedlichen Turnier. Bei aller Rivalität zwischen den Teams und deren Anhängern steht die Europameisterschaft für die politischen und kulturellen Gemeinsamkeiten des Kontinents. Rein sportlich betrachtet, geht es zwar nur darum, dass das Runde ins Eckige muss. In Zeiten aber, in denen das große Friedensprojekt eines gemeinsamen Europa immer mehr angezweifelt wird und zunehmend nationalstaatliche Interessen über den europäischen Gedanken gestellt werden, ist die integrative Kraft einer EM nicht zu unterschätzen."
Zusammengestellt von Stefanie Rosenthal
Quelle: ntv.de