Pressestimmen

Verfassungsurteil zu BKA-Gesetz "Karlsruher Skalpell zum Einsatz gekommen"

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(Foto: picture alliance / dpa)

Karlsruhe hat gesprochen: Nach Meinung der Verfassungsrichter sind Teile des umstrittenen BKA-Gesetzes zur Terrorabwehr nicht mit den Grundrechten zu vereinen. Die Richter fordern Nachbesserungen insbesondere was den Schutz des Privatsphäre angeht und lassen die Politik nachsitzen. Die Kommentatoren der meisten deutschen Zeitungen begrüßen das Warnsignal. Andere glauben dagegen, dass das Gesetz auch jetzt schon verfassungskonform angewandt werden könne.

Die Nürnberger Nachrichten begrüßen das Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter: "Das Urteil bringt (...) Terrorabwehr und Rechtsstaat in eine bessere Balance". Allerdings bemängelt das Blatt die Dauer des Verfahrens: "Erst sieben Jahre nach Inkrafttreten fiel nun das Urteil." Zwar ginge Gründlichkeit vor Schnelligkeit, so die Nürnberger Zeitung, aber: "diese Verfahrensdauer ist einfach zu lang".

Auch der General-Anzeiger aus Bonn sieht den Karlsruher Spruch als Warnsignal an die Bundesregierung: "Jetzt müssen die politischen Entscheider nachsitzen. Und das haben sie sich selbst zuzuschreiben". Besonders kritisch geht das Blatt mit dem Bundestrojaner um. Das Durchsuchen von Computern mittels einer staatlichen Spähsoftware sei kein Selbstläufer mit dem Argument der Gefahrenabwehr, mahnt der Kommentator.

Die Rhein-Zeitung aus Koblenz hält weitreichende Befugnisse der Behörden generell für richtig: "In Zeiten hoher Terrorgefahr müssen unsere Behörden mit weitreichenden Ermittlungsbefugnissen ausgestattet sein". Die Zeitung betont aber, wie wichtig ein sensibler Umgangs mit den Daten sei: "Private Gespräche über Beziehungsprobleme, Geldnot oder Sorgen um die Kinder gehören nicht in die Hände der Ermittler" und kommt zu dem Schluss, dass "die Angst vor Terror einem Überwachungsstaat nicht Tür und Tor öffnen" dürfe.

Laut den Kommentatoren der Stuttgarter Zeitung sind die Karlsruher Richter sogar noch gnädig mit dem BKA-Gesetz umgegangen: "Es ist nicht die größtmögliche Keule, zu der das Bundesverfassungsgericht da gegriffen hat". Nur in wenigen Unterpunkten hätten die Richter das Paragrafenwerk für nichtig erklärt und auch im zeitlichen Rahmen hätte sich das Gericht großzügig gezeigt. Die Kommentatoren aus Stuttgart verstehen das Urteil somit eher als Anreiz zur Nachbesserung durch den Gesetzgeber: "Aus dem Karlsruher Instrumentenkasten ist das Skalpell zum Einsatz gekommen."

Der Berliner Tagesspiegel hinterfragt dagegen die Sinnhaftigkeit des Karlsruher Urteils und verweist auf einen ohnehin bestehenden Mangel im Austausch von internationalen Daten. "Die Mehrheit der Richter verlangt, die Weitergabe von Daten des BKA (...) müsse schärfer reglementiert werden. Aber wäre nicht das Gegenteil nötig?" In Anbetracht der Anschläge von Brüssel und Paris zeichne sich ab, dass der IS ein Netz von Attentätern über Europa spanne: "Wie kann man da die Datenweitergabe (...) drosseln?", fragt die in Berlin herausgegebene Zeitung.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung verweist auf bereits bestehende Kontrollmechanismen im BKA-Gesetz: "Im Übrigen setzt das BKA-Gesetz schon jetzt Schranken, die man grundgesetzkonform auslegen kann." Das Blatt kritisiert in erster Linie die Ausführung, nicht aber den Inhalt des Gesetzes: "So schlecht es handwerklich (...) sein mag", diene es "dem konkreten Schutz der Bürger", schreibt die FAZ. Auch sehen die Kommentatoren im BKA-Gesetz keine unlauteren Absichten: "Eine deutsche NSA mit unbegrenzten Befugnissen war nie geplant".

Zusammengestellt von Judith Günther

Quelle: ntv.de

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