WM 2006 offenbar gekauft "Korruption ist kein Privileg der Exoten"
16.10.2015, 20:18 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Lauthals kritisierten deutsche Fußball-Funktionäre die umstrittene Vergabe der Fußball-WM nach Russland und Katar und nun das: Deutschland sich die Weltmeisterschaft im eigenen Land 2006 erkauft haben. Gleich fünf Fifa-Funktionäre sollen mit einem Millionen-Darlehen des ehemaligen Adidas-Managers Robert Louis-Dreyfus geschmiert worden sein. Es sind schwere Vorwürfe, die da im Raum stehen und vom DFB noch dementiert werden. Die Verwicklung der Fifa in diese Affäre macht die Lage für den DFB-Chef und mutmaßlichen Mitwisser Wolfgang Niersbach nicht einfacher. Die Presse geht mit den Verantwortlichen hart ins Gericht.
Die Vorwürfe des "Spiegel" würden die "Saubermänner aus Deutschland" von ihrem hohen Ross herunterholen, urteilt die Berliner Zeitung. Das Land, das sonst so sehr auf Anstand setzt, steht plötzlich selbst am Pranger und zeige: "Korruption ist jedenfalls auch im Fußball kein Privileg der Exoten". Das System Fifa sei global und färbe auf all seine Mitverantwortlichen ab. Wer mit dem Fußball-Weltverband "im Stall schläft, der riecht irgendwann auch danach. Unter Umständen streng", verbildlicht das Blatt aus der Bundeshauptstadt.
Sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten, sieht die Süddeutsche Zeitung schwere Zeiten auf den deutschen Fußball zukommen. "Dann wird das Sommermärchen künftig noch ein Ansehen haben wie ein Dieselauto von VW", vergleicht das Blatt mit Bezug auf den Abgas-Skandal. Der Nimbus der "nationalen Lichtgestalt" Franz Beckenbauer würde Kratzer bekommen und der DFB müsste neu aufgestellt werden. "Zu prüfen ist auch, wer alles noch Bescheid von den schwarzen Kassen wusste, mit denen offenbar sogar die Bundesregierung ausgedribbelt wurde, im diskreten Doppelpass mit der Fifa." Sollte der Vorwurf stimmen, dass die Fifa dem DFB bei der Vertuschung der Zahlungen geholfen hat, würde es für den Fußball-Weltverband als "Geldwaschanlage" noch dicker kommen. "Jetzt bebt sie wirklich, die Fußballwelt", lautet das Resümee der Süddeutschen.
Den Vergleich mit dem VW-Skandal wagt auch der Kölner Stadt-Anzeiger. Wenn dieser Korruptionsskandal wahr ist wie die Abgasmanipulation, "müsste man endgültig feststellen, dass 'Made in Germany' offensichtlich auch ein echtes Markensiegel für Betrug und Korruption ist." Das Sommermärchen 2006 wäre dann erkauft wie ein beliebiger Luxus-Artikel. "In diesem Fall freilich ist das Erstaunen, dass die dunklen Details ans Licht kommen konnten, fast größer als die Überraschung, dass sie überhaupt existiert haben sollen. Wer kann nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre noch geglaubt haben, solche Veranstaltungen gäbe es geschenkt?", fragt die Zeitung desillusioniert. Weil man die Wahrheit hinter solchen Dingen eigentlich nicht wirklich wissen wolle, sei geschwiegen und an der Illusion festgehalten worden.
Die Thüringer Allgemeine scheint den Glauben an die Aufrichtigkeit großer Institutionen nach diesen Vorwürfen endgültig verloren zu haben. Die Zeitung aus Erfurt stellt fest, dass die jüngsten Machenschaften immer erst extern von den USA aufgedeckt worden seien: ob bei der Fifa, bei VW oder im Abhör-Skandal, den Edward Snowden enthüllte. "Wem also soll man vertrauen, wem kann man vertrauen? Vielleicht niemandem mehr? Das wäre nicht nur fatal. Das würde unsere Zivilgesellschaft bis ins Mark beschädigen", stellt das Blatt äußerst pessimistisch fest.
Zusammengestellt von Katja Belousova
Quelle: ntv.de