Hooligan-Aufmarsch in Köln "So wehrlos ist unser Rechtsstaat nicht"
27.10.2014, 21:05 Uhr
In Köln kommt es zwischen Tausenden Hooligans und Rechtsextremisten zu einer Straßenschlacht mit der Polizei. Insgesamt werden 44 Beamte verletzt und 17 Demonstranten festgenommen. Trotzdem zieht die Polizei eine positive Bilanz. Die deutschen Tageszeitungen sind durch die Gewaltbereitschaft alarmiert und machen der Politik Vorwürfe.
Die Westdeutsche Zeitung aus Düsseldorf hat eine klare Sicht auf die Dinge. "Was wir am Sonntag erlebt haben, waren dumpfe Krawallmacher, die ein gesellschaftsfähiges Feindbild vorschoben, um ihre Szene aus der Bedeutungslosigkeit zu prügeln." Es hätte jedoch noch schlimmer kommen können, meint das Blatt und richtet auch Kritik an die Behörden. "Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn die Kölner Salafistenszene die Einladung zur Straßenschlacht angenommen hätte. Nicht zu fassen, dass diese Veranstaltung mit der Aussicht auf Tausende Teilnehmer nicht aus der Innenstadt herausverlegt wurde."
Auch die Nürnberger Zeitung richtet einen Appell an die Behörden, denn "wenn das die Leute sind, die das christliche Abendland und seine Werte gegen die salafistischen Hetzer und ihre pervertierten Vorstellungen vom Islam verteidigen, dann gute Nacht Deutschland!" Bis zu 5000 Hooligans, Rocker, Neonazis und Mitglieder der fremdenfeindlichen Partei Pro-NRW hätten am Sonntag bis zum Abend in Köln ihre Wut in Ermangelung salafistischer Gegner an der Polizei ausgelassen, schreibt das Blatt. "Die brisante Mischung hätte unter diesen Umständen bei den Sicherheitsbehörden vorab die Alarmglocken schrillen lassen müssen."
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung äußert sich besorgt über die Vorkommnisse. "Unter dem Banner von Vereinen und anlässlich von Fußballspielen treten Hooligans an und auf die Gegner ein." Ihr größter Feind sei dabei die Polizei - letztlich die öffentliche Ordnung, also die Gemeinschaft aller friedliebenden Bürger. Der Fußball biete die Kulisse, um sich in der wogenden Masse gewaltsam auszuleben, schreibt die Zeitung. Und sie geht noch weiter, denn "auch Religion bietet Gelegenheit und geschützten Raum zur massenhaften Ekstase. Gewalttätern dient sie als Deckmantel für Hass auf andere." "Deckmantel" findet der Kommentator hier eine treffende Bezeichnung, denn "eigentlich findet die Betätigung einer Weltanschauung ihre Grenze in den Grundrechten anderer." Dabei werde das Ausüben der Religion von der Verfassung stärker geschützt als der Besuch eines Fußballspiels. An dieser Stelle "liegt durchaus ein Problem - wenn nämlich unter Berufung auf eine Religion 'Heiliger Krieg' geführt wird."
Der Münchner Merkur findet klare Worte für die Konsequenzen. Denn "das fehlt gerade noch: gewaltbereite rechte Hooligans, die sich in Deutschland Straßenschlachten mit ebenso gewaltbereiten Salafisten liefern - und ersatzweise auch gern auf die Polizei einprügeln." Das Blatt sieht hier ein eindeutiges Handlungsdefizit der Politik. "Politiker müssen sich darauf bessere Antworten einfallen lassen als den achselzuckenden Hinweis auf die Demonstrationsfreiheit. Denn so wehrlos ist unser Rechtsstaat nicht. Er kann und muss seinen Feinden Grenzen setzen: Gegen rechte Krawallmacher helfen Demonstrationsverbote. Und gegen Islamisten gibt es die Mittel der Repression. Man muss sie nur anwenden." Warum sie sich gegen Passentzug und Ausweisung von Gotteskriegern mit zwei Staatsangehörigkeiten sträube, bleibe das Geheimnis der SPD. Dabei sei die Gefahr nirgendwo so akut wie vor ihrer Haustür, in der rot regierten Salafisten-Hochburg NRW.
Die von der Vereinigung "Hooligans gegen Salafisten" organisierte Kundgebung, zu der auch die anti-muslimische Partei PRO NRW aufgerufen hatte, sei eine Verabredung zum Krawall gewesen, findet die Frankfurter Rundschau. "Einfache Botschaften trafen auf die noch einfachere Absicht, die eigene Gewaltbereitschaft zu präsentieren." Das gruselige Kölner Bündnis sei aber auch ein Beleg dafür, dass die Kriege im Nahen Osten und das weltweite Erstarken des islamistischen Terrors längst ihren Niederschlag bei uns gefunden haben. Die Reaktion aus der Politik reicht dem Blatt nicht: "Dass der nordrhein-westfälische Innenminister sich nun eine Verschärfung des Demonstrationsrechtes wünscht, ist allerdings die falsche Antwort auf die besorgniserregende Radikalisierung. Erfolgreich wird man sie allein in den Köpfen bekämpfen können, auf der Straße reicht eine gut vorbereite Polizei."
Die Süddeutsche Zeitung aus München schreibt, "ganz weg waren die rechtsgewirkten Hools eben nie. Das haben die ungefähr 4000 Marschierer in Köln beängstigend deutlich gezeigt." Nicht alle von ihnen seien eingefleischte Nazis. Viele suchten womöglich nur den Reiz der Action, einige haben sich von der unpolitischen Tarnung der Extremisten täuschen lassen, meint die Zeitung. Und trotzdem: "Alle einte ein Feindbild: die radikalislamischen Salafisten." Es sei das Hooligan-Prinzip, das aus den Stadien in die politische Arena komme: "wir gegen die da - und das mit Gewalt. Davon leben auch extremistische Gruppen." Die Zeitung ist sich sicher: "Radikale radikalisieren sich eben am besten in radikaler Gegnerschaft zu anderen Radikalen."
Zusammengestellt von Hanna Landmann
Quelle: ntv.de