Ratgeber

Telefonwerbung 300 Mio. unaufgeforderte Anrufe

Sie werden immer penetranter. "Da klingelt abends das Telefon und jemand verspricht eine zweiwöchige Reise in die Türkei für ein Zeitschriftenabo", berichtet eine 48-jährige Berlinerin. Angeboten werden Verträge für Mobilfunkanschlüsse, Gewinnspiele oder Beteiligungen an Finanzfonds.

Verbraucherschützer sprechen von schwerwiegendem Rechtsbruch und fordern von der Bundesregierung schärfere Sanktionen gegen unlautere Telefonwerbung. "Es handelt sich dabei nicht um Kavaliersdelikte", betont der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Gerd Billen.

Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage fühlen sich mittlerweile 86 Prozent der Bevölkerung durch solche Anrufe belästigt. Allein im vergangenen Jahr verzeichnete das Marktforschungsunternehmen GfK rund 300 Millionen "unaufgeforderte" Telefonanrufe. Vor allem Telekommunikationsunternehmen, Lotterien, Gewinnspielunternehmen und Zeitungen bedienen sich dieses Marketinginstruments. Betroffen sind gerade ältere Menschen. Aber auch immer mehr Jüngere fallen auf die Tricks der Werber herein und schließen am Telefon Verträge ab, die sie eigentlich nicht haben wollen.

"Unzumutbare Belästigung"

Grundsätzlich sind solche Werbeanrufe als "unzumutbare Belästigung" seit 2004 im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verboten. Die Verbraucher können sich wehren. So können sie ihre eigene Rufnummer unterdrücken, die Telefonnummer der unerwünschten Anrufer an die Bundesnetzagentur weiterleiten oder ihre eigenen Daten in die Robinsonliste eintragen lassen und damit weitere Werbung per Telefon unterbinden.

Nach Auffassung der Verbraucherschützer reichen diese Instrumente aber nicht aus. Sie fordern, dass Verträge, die am Telefon zustande kommen, ohne schriftliche Bestätigung der Verbraucher nicht gültig sind. Das will auch Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU). Ebenso dringen einige Bundesländer auf schärfere Regeln. Bärbel Höhn von den Grünen fordert saftige Geldbußen, damit der "alltägliche Telefonwerbungsterror" ein Ende nimmt.

Die Verbraucherzentralen werden indes überschüttet von Beschwerden. "Das sind längst nicht nur ein paar Schwarze Schafe", berichtet Ronny Jahn von der Berliner Verbraucherzentrale. Problem sei aber, dass viele Firmen auch nach verhängten Vertragsstrafen wie jüngst gegen das Telekommunikationsunternehmen Tele2 weitermachen. "Das zeigt, wie lukrativ das Geschäft ist und wie wenig wirksam die finanziellen Daumenschrauben sind", betont Jahn.

Staat nicht an Sanktionen interessiert

Der Schriftsteller Günter Wallraff, der einige Zeit bei Call-Centern tätig war, spricht von einem System, das "weitgehend auf Lug und Betrug" aufgebaut sei. Der Staat sei nicht ernsthaft an Sanktionen interessiert, da er über die Lottogesellschaft davon auch profitiere. "Wir bekamen nur dann Provisionen, wenn wir den Kunden schlechte Verträge verkauften", berichtet eine frühere Call-Center-Mitarbeitern aus Leipzig.

Nach Auffassung des Direktmarketingverbands reiche es, wenn die bestehenden Gesetze besser ausgeschöpft werden. "Wenn der Missbrauch mit bis zu 200.000 Euro Strafe geahndet wird, dann ist damit sehr schnell Schluss", ist sich Vizepräsident Patrick Tapp sicher. Der Telekommunikationsverband Bitkom fordert die Unternehmen auf, ihre Geschäftsbedingungen verständlich zu gestalten. "Ein kluger Händler respektiere es auch, wenn Kunden telefonische Produkt-Infos ablehnen. Die meisten Unternehmen wollen doch eine langfristige Beziehung zum Kunden - und ihn nicht mit unerlaubten Anrufen verärgern", heißt es.

Quelle: ntv.de

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