"Der Hase ist ins Bild gerast" Blitzer-Urteile, die man kennen sollte
10.10.2013, 10:53 Uhr
Wer unfreiwillig geblitzt wird, kann sich nicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Polizei widmet Rasern heute besondere Aufmerksamkeit und postiert sich bundesweit zum Blitzer-Marathon. Erfahrungsgemäß sind erwischte Autofahrer nicht um Ausreden verlegen - vor Gericht haben aber längst nicht alle Bestand. Hier eine Auswahl interessanter Fälle.
Umsichtig fahren sollte man als Autofahrer immer, heute behält man den Tacho aber besser besonders fest im Blick: Pünktlich zum einsetzenden Berufsverkehr hat die Polizei um 6 Uhr früh ihren Blitzer-Marathon gestartet. Es ist die erste dieser Aktionen, die bundesweit stattfindet. 14.700 Polizisten postieren sich an über 8600 Kontrollstellen, um Rasern mit mobilen Lasergeräten auf die Schliche zu kommen. Zusätzlich machen Videostreifenwagen Jagd auf Temposünder. Wo mit Radarfallen zu rechnen ist, hat die Polizei im Vorfeld bekannt gegeben. Wer trotzdem zu schnell erwischt wird, dem drohen die üblichen Strafen: Im harmlosesten Fall ein Bußgeld von 15 Euro (bis zu 10 km/h zu schnell), bei Geschwindigkeitsüberschreitungen über 70 km/h zahlt man mindestens 600 Euro, bekommt vier Punkte in Flensburg und drei Monate Fahrverbot. Letzteres ist für viele Raser die schwerste Strafe. Wer nach einem Geschwindigkeitsverstoß einen Anwalt einschaltet, der tut das in der Regel, weil er seinen Führerschein behalten will. Die meisten Fälle, die vor Gericht landen, drehen sich folglich um die Genauigkeit von Messergebnissen und deren Verwertbarkeit, manchmal auch darum, wer denn nun tatsächlich am Steuer saß. Mitunter befassen sich die Richter aber auch mit kreativeren Verteidigungsstrategien:
Keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte
Zu schnell oder nicht – darum ging es dem Mann gar nicht, der sich nach einem Tempoverstoß bis vors Bundesverfassungsgericht klagte. Sein Einwand: Das Blitzerfoto und dessen Verwendung vor Gericht verletzen ihn in seinen Persönlichkeitsrechten. Die Polizei dürfe keine Aufnahmen ohne einen konkreten Tatverdacht anfertigen. Die Verfassungsrichter sahen das allerdings anders: Die Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten sei durchaus gerechtfertigt, um die Sicherheit im Straßenverkehr aufrechtzuerhalten. Die Daten würden auch nicht verdeckt erhoben, sondern im öffentlichen Straßenverkehr für jedermann wahrnehmbar. Und zu guter Letzt habe es der Autofahrer ja auch selbst in der Hand, ob er geblitzt werde oder nicht.
Kurz nicht aufgepasst
Deutlich bessere Chancen vor Gericht haben jene Autofahrer, die sich auf die eigene Unzulänglichkeit berufen. "Augenblicksversagen" heißt das Zauberwort, das einem zumindest bei einem gnädigen Richter den Führerschein retten kann. 1997 hat der Bundesgerichtshof (BGH) nämlich klargestellt, dass ein Fahrverbot nur bei subjektiv besonders verantwortungslosem Verhalten angebracht ist, also dann, wenn der Fahrer grob leichtsinnig, fahrlässig oder einfach gleichgültig war. Doch die Messlatte dafür liegt hoch: Wer die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit missachtet – also beispielsweise auf der Landstraße mit 120 km/h erwischt wird, obwohl er wissen müsste, dass nur 100 km/h erlaubt sind –, der handelt fast immer grob fahrlässig. Es gibt Ausnahmen, etwa wenn eine geschlossene Ortschaft mangels Bebauung nicht als solche zu erkennen ist. Auch wenn man ein Tempolimit-Schild nicht sehen konnte, weil man gerade ein anderes Fahrzeug überholt hat, kann das als Augenblicksversagen gewertet werden. Keine Einsicht hatte das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg dagegen mit einem Mann, der bei einer Probefahrt mit einem neuen Auto geblitzt worden war. Die Ausrede, der Wagen sei für ihn technisch ungewohnt gewesen, so dass er das Schild übersehen habe, wertete das Gericht als Indiz für grobe Fahrlässigkeit. Schließlich hätte er in diesem Fall besonders vorsichtig fahren müssen.
Kreuzung hebt das Limit nicht auf
Ein angeordnetes Tempolimit gilt grundsätzlich so lange, bis es durch ein weiteres Schild aufgehoben wird – nicht nur bis zur nächsten Einmündung oder Straßenkreuzung. Das musste auch ein Autofahrer einsehen, der 2002 vor dem Oberlandesgericht Hamm geklagt hatte. Der Mann war außerhalb einer geschlossenen Ortschaft auf einer Straße mit 50 km/h Tempolimit unterwegs. Nach einer Kreuzung beschleunigte er stark, weil er sei davon ausgegangen war, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung nun aufgehoben sei. Schließlich gab es kein neues Schild für den einbiegenden Verkehr. Mit der Klage hätte er aber allenfalls dann nur Erfolg gehabt, wenn er selbst aus der Seitenstraße gekommen wäre. In Kreisverkehren sieht die Sache übrigens anders aus, wie das Oberlandesgericht München später klarstellte: Wenn man den Kreisverkehr verlassen hat, ist eine vorher angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung automatisch aufgehoben.
Doppelt geblitzt, doppelt gebüßt
Wer merkt, dass er geblitzt wurde, geht vernünftigerweise vom Gas und fährt mit angepasster Geschwindigkeit weiter. Oder er rast nach dem Motto "eh schon egal" weiter – und dann womöglich direkt in die zweite Radarfalle. Dumm, denn zwei Verkehrsdelikte können auch zweifach gewertet werden – selbst dann, wenn nicht mal eine Minute zwischen den beiden Verstößen lag, entschied das OLG Hamm. In dem Fall war der Autofahrer aber in zwei verschiedenen Geschwindigkeitszonen unterwegs: Zunächst mit 141 km/h, wo 100 erlaubt war, dann bremste er auf 97 km/h ab, mittlerweile hätte er aber nur noch 80 fahren dürfen. Die Verkehrsverstöße seien unschwer voneinander abzugrenzen, fand das OLG und verurteilte den Kläger zu Fahrverbot und zwei Verwarngeldern. Bei einem konstanten Tempolimit kann der Fall aber anders liegen, wie ein weiteres Urteil aus Hamm beweist: Eine Autofahrerin, die im Abstand von einer Minute zweimal zu schnell in der 80-Zone erwischt wurde, bekam nur eine Strafe. Es handle sich sachlich betrachtet schließlich nur um eine "einheitliche Tat", so die Richter.
Der schnellste Hase der Welt
Nicht alle Messgeräte arbeiten absolut zuverlässig und so kann es durchaus vorkommen, dass ein Tempoverstoß dem "falschen" Auto zugeordnet wird. Dass aber nicht ein anderes Fahrzeug, sondern ein Tier den Blitzer ausgelöst haben soll, ist eine Ausrede, die Richter eher selten hören. Ein Autofahrer hat es vorm Amtsgericht Lüdignhausen versucht: Er sei mit höchstens 80 km/h unterwegs gewesen, als er am Straßenrand einen Hasen bemerkt habe. "Nach ein paar Metern raste der Hase nach vorne und überquerte einige Meter vor meinem Fahrzeug die Straße, so dass ich ihn aus den Augen verlor. Dieses Ereignis muss die Messung zu meinem Nachteil beeinflusst haben." Das Gericht suchte das Radarbild allerdings vergeblich nach einem Hasen ab. Zudem hätte es sich wohl um ein Wunder der Natur gehandelt, viel mehr als 70 km/h schafft auch der sportlichste Hase nicht – und die wären in dem Fall auch zulässig gewesen.
Quelle: ntv.de