BGH: Streit um Altkontrakte Doch nicht alle Bausparverträge kündbar
05.04.2017, 14:15 Uhr
Verträge hält man ein. Oder doch nicht.
(Foto: Jens Schierenbeck, dpa)
Der Schock saß tief: Der Bundesgerichtshof erlaubte jüngst die Kündigung von hochverzinsten Bausparverträgen, wenn diese bereits zehn Jahre zuteilungsreif sind. Tatsächlich? Nicht ganz, wie nun bekannt wird.
Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es auch noch nicht zu Ende. Zumindest sieht es bei einigen gekündigten Bausparverträgen so aus, die der Bundesgerichtshof (BGH) jüngst billigte. In der ersten Urteilsbegründung hieß es, der BGH erlaube den Bausparkassen die Kündigung von hochverzinsten Bausparverträgen, bei denen die Bausparsumme noch nicht erreicht, aber der Vertrag bereits zehn Jahre zuteilungsreif ist (Az.: XI ZR 272/16, XI ZR 185/16 vom 21.02.2017).
Nun hat der BGH in seiner Urteilsbegründung klargestellt, dass nicht jeder Vertrag zehn Jahre nach Zuteilung gekündigt werden darf. Wie die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mitteilt, gibt das oberste deutsche Gericht zu erkennen, dass die Rechtslage für die sogenannten Renditetarife mit Treueprämie, Zinsbonus oder Bonus eine andere sein kann. Hier sei der Vertragszweck erst mit Erlangung des Bonus erreicht. Tausende Kündigungen verschiedener Bauspartarife sind damit nach Auffassung der Verbraucherschützer weiterhin rechtswidrig.
Bei einem Bausparvertrag handelt es sich um einen gegenseitigen, auf längerfristige Bindung angelegten Darlehensvertrag. Dem Bausparvertrag wohnt die Besonderheit inne, dass Bausparkasse und Bausparer ihre jeweilige Rolle als Darlehensgeber beziehungsweise Darlehensnehmer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens tauschen.
In Deutschland gibt es ca. 30 Millionen Verträge. Allein im vergangenen Jahr 2016 wurden 2,7 Millionen Kontrakte neu abgeschlossen. Rund 300.000 sogenannte Altverträge wurden bisher von den Bausparkassen gekündigt.
"Die nach den Urteilen verbreitete Annahme, alle Verträge könnten zehn Jahre nach Zuteilungsreife gekündigt werden, kann nach der Urteilsbegründung so nicht stehen bleiben", meint Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Tarife mit Zinsbonus beispielsweise sind nicht bereits zehn Jahre nach Zuteilung kündbar". Der BGH nimmt in diesen Fällen an, dass der Vertragszweck vielmehr mit der Erlangung des (Zins-)bonus erreicht sei. Erst mit Erlangung des (Zins-)bonus sei "ein vollständiger Empfang des Darlehens im Sinne des Paragraf 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. anzunehmen", stellt der BGH klar. "Tarife mit Bonusvereinbarungen sind keine Seltenheit. Damit sind in vermutlich Tausenden Fällen die Kündigungen rechtswidrig", sagt Nauhauser.
So sieht das auch der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Olaf Peisker. Er stimmt der Ansicht der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zu. Demnach "nimmt der BGH ausdrücklich spezielle Bonusgestaltungen von seinem Urteil aus und spricht beim Kündigungsrecht 10 Jahre nach Zuteilungsreife lediglich vom Regelfall. Jede Kündigung muss aber stets individuell auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Auch hat der BGH einer Kündigung durch die Bausparkassen nach den Paragrafen 313, 314 BGB eine Absage erteilt." Hierbei handelt es sich um den Versuch der Kreditinstitute wegen "bauspartechnischer Gründen" bei bestimmten Verträgen die Laufzeit einseitig zu begrenzen.
Grundsätzlich gilt: Ist der Vertrag überspart, befindet sich also mehr Geld im Kontrakt als die vereinbarte Bausparsumme, ist die Bausparkasse zur Kündigung berechtigt.
Verträgen, bei denen die Bausparsumme zwar noch nicht erreicht, aber der Vertrag bereits 10 Jahre zuteilungsreif ist, wurden von den Bausparkassen gekündigt. Auf diese Konstellation beziehen sich die oben genannten BGH-Urteile. Demnach ist ein Rauswurf mit Paragraf 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB begründet. So können Darlehensverträge mit gebundenen Sollzinsen erstmals nach Ablauf von zehn Jahren nach vollständigem Empfang des Darlehens durch den Darlehensnehmer, die Bausparkasse, gekündigt werden.
Es ist zu befürchten, dass sich auch weiterhin zahlreiche Gerichte mit der Interpretation der Rechtslage beschäftigen müssen. Bis es so weit ist, tun betroffene Bausparer gut daran, den Kündigungen weiterhin umgehend schriftlich zu widersprechen. Denn eigentlich gilt nach wie vor das Bürgerliche Gesetzbuch. Heißt es dort doch schlicht: Verträge hält man ein. Punkt.
Quelle: ntv.de