Bundesfinanzhof fällt Urteil Doppelbesteuerung von Renten unzulässig?
31.05.2021, 06:24 Uhr
In der Übergangsregelung sehen viele Rentner eine Doppelbesteuerung.
(Foto: imago/Christian Ohde)
Heute ist Showdown vorm Bundesfinanzhof. Beim erwarteten Urteil geht es um nicht weniger als die Frage, ob der Bund die Renten zu Unrecht in Teilen doppelt besteuert. Oder genauer, ob die Umstellung vom neuen aufs alte System richtig übersetzt wurde. Denn so lautet der Vorwurf sich benachteiligt fühlender Rentner.
Der Bundesfinanzhof (BFH) will heute sein mit Spannung erwarteten Urteile zur angeblichen Doppelbesteuerung von gesetzlichen und privaten Renten sprechen.
In zwei Verfahren vor dem BFH (Az. X R 20/19 und X R 33/19) geht es um den Systemwechsel bei der Besteuerung von Renten im Jahr 2005. Bis dahin waren die Renten steuerfrei, die Beiträge wurden aber aus dem versteuerten Lohn gezahlt. Seither müssen auch Renten versteuert werden - die Besteuerung erfolgt also "nachgelagert", wie es im Fachjargon heißt. Die Beiträge zu gesetzlichen und privaten Renten können dafür als Sonderausgaben von der Einkommensteuer abgezogen werden.
142.000 Einsprüche gegen Doppelbesteuerung anhängig
Wer in einer Übergangszeit bis 2040 in Rente geht, muss nur einen Teil seiner Rente versteuern - je später der Rentenbeginn liegt, desto mehr. Fließt die erste Rente 2021, werden schon 81 Prozent der Alterseinkünfte besteuert. In der Übergangsregelung sehen viele Rentner eine Doppelbesteuerung. Sie argumentieren, dass sie dadurch vom Finanzamt über Gebühr belastet würden, weil sie im Alter mehr Steuern zahlten, als sie im Berufsleben durch den Steuerabzug gespart hätten. Bundesweit sind nach Angaben der FDP deswegen rund 142.000 Einsprüche anhängig, die sich zum Teil auf die beiden Verfahren vor dem BFH berufen.
Der Bundesfinanzhof sieht die derzeitigen Vorschriften für die Besteuerung von Renten kritisch. "Es darf in keinem einzigen Fall zu einer doppelten Besteuerung von Renten kommen", forderte etwa die Vorsitzende Richterin Jutta Förster in einer Verhandlung des Zehnten BFH-Senats in München. Das sei "die rote Ampel" für das Finanzgericht. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob der - allen Steuerzahlern zustehende - Grundfreibetrag bei der Besteuerung der Alterseinkünfte ausgeklammert werden muss. "Da haben sie uns ganz schön ins Grübeln gebracht", sagte die Richterin an die Adresse eines früheren Steuerberaters aus Bietigheim-Bissingen, der wegen der vermeintlichen Doppelbesteuerung seiner Renten in eigener Sache vor den BFH gezogen war.
Vor dem BFH klagt auch ein hessischer Zahnarzt, der neben der gesetzlichen Rente drei Rürup-Renten und 19 private Rentenversicherungen abgeschlossen hat, gegen das Finanzamt Wetzlar. "Das Ganze ist für mich schlimm", sagte er vor Gericht. "Mir ist es damit nicht gelungen, meinen Lebensstandard im Alter zu sichern." Das Hessische Finanzgericht hatte in seinem Fall eine Doppelbesteuerung in Höhe von 100 Euro im Jahr errechnet, seine Klage aber abgewiesen, weil der Betrag nicht ins Gewicht falle.
Mehrfach- und Zweifachbesteuerungen gibt es nicht
"Wir wollen eine faire Besteuerung für die Renten", betonte der Leiter der Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium, Rolf Möhlenbrock, der in den Verfahren die beklagten Finanzämter unterstützt. Er rechtfertigte allerdings die Anrechnung des Grundfreibetrags. Entscheidend sei die Steuerermäßigung: "Mit Blick auf die Entlastungswirkung ist es egal, ob ihnen ein Zebra auf den linken Zeh tritt oder ein Pferd." Bundesfinanzminister Olaf Scholz betonte im Bundestag seine Bereitschaft, aus einem Urteil des BFH, wenn nötig, Konsequenzen zu ziehen: "Wir gehen also davon aus, dass es weiter bei dem Grundsatz bleibt: Mehrfachbesteuerungen, Zweifachbesteuerungen gibt es nicht und soll es nicht geben."
Steuerexperte Möhlenbrock räumte ein, dass es unmöglich sei, die Steuerbelastung in jedem Fall "punktgenau" auszutarieren. Zur Berechnung ziehen die Finanzämter die durchschnittliche Lebenserwartung nach der gültigen Sterbetafel zum Rentenbeginn heran. Aus Sicht des Ministeriums wäre es aber noch akzeptabel, wenn der steuerfreie Anteil der Rente zehn Prozent unter dem Vorsorgeaufwand liege.
Quelle: ntv.de, awi/rts